Bericht Heimatreise vom 20.–24. Juni 2016
I. Stolpe
(Fotos: Sabine Born-Warmuth, Petra Schlemme-v. Böttinger, Bürgermeisteramt Sulecin, H. Habermann)
Der lobenden Worte waren am Ende der Exkursion genug gewechselt, nun erst einmal der Beginn der Fahrt, erneut, vielleicht ein letztes Mal? – in das alte Heimatland der Neumark des Heimatkreises Oststernberg, um erneut Quartier zu finden im bewährten Hotel Lesnik.
Alle Besuchspläne waren sorgfältig erwogen, wir 30 Leute, meist aus Berlin, durften uns auf schöne, ausgefeilt vollkommene Tage freuen.
Sie begannen wie immer am Berliner ZOB, 11 Uhr ging’s los. Der startbereite Busführer hieß Krysztof, ein charmanter Mann, der uns alle Wege sicher herumgekurvt hat, hilfsbereit nachhalf und alle spontanen Wünsche meisterte. Der erste Stopp zum Haus Brandenburg in Fürstenwalde-West.
Das Heimatmuseum, eine bunte Mischung einer Sammlung aus Haushaltsgeräten, Trachten der hiesigen Regionale (erinnerten ein wenig an den Spreewald) – die Festung Küstrin im
Kleinformat und Kirche Crossen u.a. auf Tischen, Landkarten, Briefen zu entdecken, manche altmodischen Sachen, die noch im Gedächtnis geblieben sind und lächelnd beäugt wurden.
Zahlreiche Literatur, auszuleihen, „gucken“ uns aus dem Regal bei Kaffee und Kuchen zu.
Um 14.30 Uhr zur Dombesichtigung. Toll, die moderne Gestaltung des schwer beschädigten Gebäudes im Zweiten Weltkrieg, durch Glaseinbauten, die die Kirche im Innern durchsichtig machen und einen abgeteilten Gemeinderaum mit Blick zum Altar ermöglichen. Die Führung war bestens und ließ uns eine Spiegelung der Apsisfenster auf die Glastrennwand erkennen, die die Räumlichkeit bis zum Eingang effektvoll erweitert.
Eindrucksvoll die riesige Orgel, von Alexander Schuke/Potsdam aus einer Leipziger Thomaskirchenorgel und einem Neubau zusammengesetzt, verfügt über 4316 Pfeifen! Die kleinste davon ist 6,5 Millimeter groß, die größte misst 6,50 m.
Dann aber weiter über die Autobahn, wir hatten unser Ziel bis 17.30 Uhr erreicht. Im Bus 19°C, Himmel bissel bezogen, hielt aber den Regen noch zurück. Das Land, die Felder, erschienen mir natürlicher belassen, nicht so strapaziert wie bei uns. Die Polen scheinen dichter an der Natur haften.
Am Dienstag, 21. Juni, Abfahrt 9.00 Uhr; es hatte doch geregnet! Als erstes in Trebow die Suche nach zwei Namen „Dohrmann“Im Gedenkstein für die Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg gefunden!
In Freude ein Gruppenfoto. Die neugotische Kirche, 1867 erneuert, hat Wurzeln aus dem 15. Jh., liegt ländlich mit moosiger Wiese drumrum, hat in der Rosette den Davidstern, der tatsächlich überdauern konnte. Mit langem Schlüssel öffnete uns die Frau des Ortsvorstehers die Tür und zeigte uns voller Stolz eine von der Tochter erstellte Ortschronik mit Bildern aus deutscher Zeit.
Uns leuchtete eine Madonna mit verzücktem Blick nach oben entgegen, eingerahmt rings von Rosen, rings mit lila Strahlen umflutet, als Altarbild. Ganz bescheiden daneben die schwarze Mutter Gottes des polnischen Tschenstochau, (1577).
Weiter nach Słonsk (Sonnenburg). Ein studierter, vielseitig kundiger Führer zeigte uns eine Mühle, Wasserrad im Flüsschen, die durch Privatinitiative noch erhalten bleiben konnte und für Touristen auf Wunsch Mehl mahlt. Weil nicht immer genügend Wasser floss, hat man dazu Elektroenergie eingesetzt. Deutsche Maschinen sind drin, deutsche, ’Wertarbeit!‘ Weiter mit dem Führer ins Mündungggebiet der Warthe zur Vogelbeobachtung.
Er schleppte ein Fernrohr mit Standbeinen und stellte einen Graureiher auf ‚scharf‘ und wies auf flatternde Seeadler. Am meisten sahen wir Kühe. Die sind inzwischen wild geworden und gefährlich. Haben die Aufgabe, das moorige Land für durchziehende oder nistende Vögel offen zu halten, sonst kommt Wald im Galopp.
Besonders im Frühjahr drückt der Westwind die Wassermassen aus der Oder durch den Kanal bei Küstrin zurück und überflutet alles meilenweit. Stolze 4 m hoch sind sie 1997 gestiegen und sowieso immer wieder am steigen. Die Dorfbewohner (von Priebrow) kennen das schon und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen.
Wie schön! Noch Zeit für die Johanniterkirche, die schon von Weitem ihre Zacken sehen ließ.
Bemerkenswert die vielen Wappen der von und zu… an den Fenstern, das bekannte Kreuzsymbol überall und die gemalten Wappenschilde der Ritterfamilien. Es hängen davon nur noch die restlichen, die allermeisten sind in alle Winde verflogen. –15.00 Uhr die Verabredung mit der Organisatorin von ‚Nidum‘, Frau Agnieszka Przybyl in Limmritz zur Baustelle ihrer Stiftung (ehemals Haus Dreblow), ein origineller Empfang in der von ihr geliebten Scheune, halbdüster und recht enge für unsere Gruppe. Sie ist eifrigst ums Vorankommen bemüht, ins kleinste Detail gehend ihr Vortrag, von Bildern auf Leinwand unterstützt, Aufräum- und Bauarbeiten. Ihr großer Stolz die neuen Fensterrahmen nach altem Muster. Wir empfingen prima Streuselkuchen und eine Scheibe Birke, die sie nicht retten konnte, beschriftet und mit dem Haken drauf gut als Hutgarderobe zu nutzen.
Nun ist Mittwoch und Besichtigung in Landsberg auf dem Plan. Zuvor in Zielenzig ein Treff mit dessen Bürgermeister. Der Konferenzraum unter dem Dach ist zu erklettern. Die Sekretärin blond und jung, ist wirklich hübsch! Sie kriegt wie ihr Chef einen echt polnisch-toll-bunten Blumenstrauß.
Der Bügermeister steht akkurat in Schwarz, oben weiß, und wird von einem runden Hünen verdolmetscht. Unser Herr H. stand sehr korrekt daneben und dankte für die Einladung und das Entgegenkommen. Man will die Zusammenarbeit noch fördern. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass das Johanniterhaus in andere Trägerschaft (Schulministerium) übergegangen ist und wieder für Veranstaltungen genutzt werden wird. Jetzt aber multinational (bisher: für deutschpolnische Begegnung).
Wir haben 43 km vor uns bis Landsberg. 24 °C im Bus. Unterwegs hören wir von Karl Kaiser – nicht den vom Kaffeegeschäft – der durch sein Talent Fabrikherr wurde und Elektromotoren und Generatoren entwickelt hat.
Wir erfahren etwas über Friedrich von der Trenck und seiner etwaigen Liaison mit Amalie, der Schwester Friedrichs des Großen, dessen Unterbindung, Trencks Ausreise nach Paris und sein Ende unter der Guillotine.
In der Gegend um Waldowstrenk/Waldowice war Herr Barsch zu Hause und erzählte aus Kinder- und Jugendzeit.
11.59 Uhr in Landsberg sahen wir ein merkwürdiges luftiges Gebilde, wie das Erdkugelgestell am Nordkap, auf grell blauen Spinnenfüßen, das vom Volk gen. „Mausoleum“ des Bürgermeisters; seine eigentliche Bestimmung konnte sich nicht durchsetzen.
Der Speicher an der Warthe beherbergt ein Heimatmuseum, wiederum ein Sammelsurium von Gegenständen; 2. Etage Zahnarztstühle und zugehörige Exponate; furchterregend!, in der dritten Moderne Kunst à la Picasso – Dali – Miró –Kandinsky… nur nicht so geglückt.
Unten sind ausgestellt: Sachen von um 1900+: Nähmaschinen, Möbel, Uniformen, Kriegsbilder, Telefongeräte, Schreibmaschinen usw., man las von Werbeartikeln: Gustin – Dr. Oetker – Odol – Colgate…
Hinterher eine Stadtvorzeigerundfahrt, kompetent interpretiert vom Kenner Barsch: Warthebrücke mit Bahnbögen – Concordiakirche – (mit Anbau wie bei der Gedächtniskirche) – Neue Philharmonie – Hallenbad – Volks- und Mittelschule – Stadtpark mit Sommerwiese – Realgymnasium – Jüdischer Friedhof – Marienkirche – Landgericht – Stadtarchiv…
Erholen wir uns bei der Hitze auf dem Restaurantschiff! Ca. 28° bestimmt!
Im Bus waren es korrekt 28°, bis wir über Königswalde nach Gleißen/ Glisno gekommen waren.
Halt am alten Schloss. Frau Piepers Großeltern (von Wartenberg) wohnten dort. Es war ein Abbild von Sanssouci, meinte man, so hübsch ist es im Park gelagert, sogar ein Springbrunnenrondell dabei.…
Nach dem Abendessen lasen Frau Kynast eine Kurzbiographie des in Lagow geborenen Nobelpreisträgers Gerhard Domagk und Frau Zajonzek (in Lagow geboren) aus ihrem Erlebnisbuch „Der kleine brauner Koffer“ einzelne Passagen vor.
Am Donnerstag führten viele Wege zu den alten Heimatorten. Geometrie und Geographie ermittelte zuvor unser am geeignetsten erfahrene Leiter Habermann, suchte die effizientesten Fahrrouten, und Krysztof verfolgte mit Landkarte das verschlungene Unternehmen. Es klappte ohne Fehler- bis auf das eingeplante Mittagessen für die 4 im Bus Zurückgebliebenen und Krysztof im Restaurant Hetman. Weder dort noch in ganz Sulecin ein Restaurant, das um 12.00 Uhr Gäste beköstigt. Heimatfreundin Brunhild Horn, organisatorisch wohltuend unterstützend rettete die hungrigen Mägen.
Wir landeten wieder wie vorgesehen um 15.30 Uhr in Lesnik.
Nach Elektrobootfahrt auf dem Tschetschsee war das Abendessen angesagt mit fröhlichen Beisammensein im Pavillon bei Hühnerbein und Schnitzel und leckeren Salaten etc.… Akkordeonmusik untermalte die Gemütlichkeit.
Leider schon Freitag, Abschiedstag. Koffer, gepackt, warteten, bis wir sie zu 11.00 Uhr in den Bus luden. – Ein Besuch bergauf zur Grundschule. Abschlussfeier der Erstklässler in die Ferien. Die Kinder sind diszipliniert gewesen, sahen aus, nicht zu glauben, 6 Jahre? So kindlich-naiv! Es ward feierlich mit Hereintragen einer Festflagge und Singen der Nationalhymne, verschiedenen Reden, Verteilen von Ehrenbezeigungen, Blumen, bunten Büchern und Zeugnissen. Ein Glück, sitzen im Schatten – die armen Würmer schmorten in der Sonne! Gluthitze um Mittag, bis Berlin 32° Grad. Zum Schluss das Gruppenbild am See, vielleicht werden wir das sehen?
Ohne Zwischenaufenthalt bis auf Fürstenwalde wegen zweier Aussteiger. Weiter ging’s bis zum ZOB, Ankunft 14.30 Uhr
Auf Wiedersehen oder lebt wohl!