Über Ziebingen und Krossen zum Weinfest nach Grünberg
Grenzbesuch – zwischen der Neumark und Schlesien
Die schon länger geplante Busfahrt mit dem Endziel, die Grünberger Weinwoche zu besuchen, startete bei schönstem Wetter am 7. September 2016 pünktlich um 8.00 Uhr am Bahnhof Fürstenwalde, mit 46 gut gelaunten Reiselustigen. Leider mussten wir einige weitere Anwärter zu Hause lassen.
Herr Hoffrichter vom Haus Brandenburg-Freundeskreis, Organisator der Fahrt, begrüßte die Mitreisenden, unter ihnen den Kurator der Stiftung Karl-Christoph von Stünzner, sowie den Historiker Gerhard Weiduschat als Reiseleiter, der den Bezug zur Geschichte der Reiseroute herstellte.
Die Tagesfahrt führte über Frankfurt/O. nach Ziebingen/Cybinca, Krossen/Krosno Odrzanskie mit Weiterfahrt nach Grünberg/Zielona Gora.
Der erste Halt war in Ziebingen am nicht mehr vorhandenen Schloss. Ziebingen liegt in der Neumark zwischen Oder und Pleiske und gehörte bis 1945 zum Landkreis Weststernberg im Regierungsbezirk Frankfurt der preußischen Provinz Brandenburg und wurde 1472 erstmalig erwähnt und war im Besitz der Johanniter Logau.
Die Familie von Burgsdorff erwarb das Schloss 1751 und wurde 1802 an den Regierungspräsident von Frankfurt/Oder, Graf Wilhelm Fink von Finckenstein verkauft und blieb bis 1945 im Besitz der Familie.
Ziebingen wurde am 4. Februar 1945 bei Kämpfen der Roten Armee mit deutscher Wehrmacht fast vollständig zerstört. Unter polnischer Verwaltung stand das beschädigte Gebäude lange leer und ist 1973 in Flammen aufgegangen, die Reste der Ruine wurden danach abgetragen, sodass nur noch die Einfahrtssäulen zu sehen sind. Das Schloss galt als einer der Musenhöfe der deutschen Romantik und beherbergte unter anderem in der Zeit 1801 bis 1819 den Dichter Ludwig Tieck.Heute befindet sich dort ein Gebäude der Zollverwaltung und ein Ehrenmal der Gefallenen Soldaten der Roten Armee Die Stadtkirche gegenüber dem Schlossgelände ist wieder im vollen Glanz renoviert zu sehen.
Der Landesstraße „2“ folgend, erreichten wir Krossen/Krosno Odrzanske. An der steil abfallenden Hangkante zur Oder bekamen wir einen ersten Eindruck über die geschichtlich interessante Stadt Die Stadt liegt an der Mündung des Bober, der in die Oder fließt.
Die alte Stadt an der Oder weist berühmte Namen auf, u.a.: die Heilige Hedwig, die am Ammersee als Tochter des Grafen Berthold VI. von Andechs 1174 geboren und im Alter von 12 Jahren mit Heinrich dem Bärtigen verheiratet wurde, genießt eine besondere Wertschätzung. Sie war maßgeblich am Zuzug deutscher Siedler nach Schlesien, an der Etablierung deutscher Kultur und an der Entstehung von Klöstern beteiligt. Sie gründete 1201 das Zisterzienserinnen Kloster in Trebnitz, dem heutigen Trzebnica. Dem Angriff der Mongoleninvasion 1241 entging Hedwig und ihr Konvent durch die Flucht nach Krossen. Sie starb 1243 im Kloster Trebnitz bei Breslau. Hedwig gilt als Schutzpatronin Schlesiens und herausragende Heilige Polens.
Weiterhin war Krossen stets Ausgangspunkt der Heere Friedrich des Großen in den schlesischen Kriegen. Der König nutzte die strategische Lage der Stadt, musste aber in den Jahren 1759 und 1760 die Stadt den Russen im Siebenjährigen Krieg nach der Schlacht bei Kay überlassen.
Nicht unerwähnt bleiben darf die Persönlichkeit der Stadt, der Dichter und Schriftsteller Alfred Georg Hermann Henschke, unter dem Pseudonym „Klabund“ bekannt. (Klabautermann und Vagabund) 1890 als Apothekersohn aus Frankfurt/O. in Krossen geboren. Er verfasste trotz seiner Krankheiten 25 Dramen, darunter 1933 „Der Kreidekreis“ und 14 Romane. Die Klabund-Büste wurde von den Nationalsozialisten entfernt. Klabund, der seine Heimatstadt in seinen Werken oft erwähnte und ihr die schöne Ode „Wo der Bober in die Oder, wo die Zeit mündet in die Ewigkeit“ widmete, verstarb 1928 in Davos, sein Freund Gottfried Benn hielt die Grabrede.
Nachdem wir durch Herrn Weiduschat ausgiebig informiert wurden, ist der Gang über die Oderbrücke fällig. Wir gingen steil ab in Richtung der Altstadt über die Oder. und schauten auf einen riesigen unbebauten Platz, dem einstigen großen Marktplatz. In der Mitte steht die mächtige frühere evangelische St. Marienkirche, die die polnischen Katholiken nun der Heiligen Hedwig weihten.
Das Zentrum von Krossen – der Markt und seine Nebenstraßen –, das es heute nicht mehr gibt, wurde nach Zeugenaussagen von Angehörigen der Roten Armee mutwillig niedergebrannt, als sie Mitte Februar 1945 die kaum beschädigte Innenstadt besetzte. Schulen und Kirchen ließen sie dabei unangetastet. Eine andere Version sagt, es kam im Frühjahr 1945 in und um Krossen zu heftigen Kämpfen der deutschen Wehrmacht mit der Roten Armee. 499 Häuser und damit 65 Prozent der Bausubstanz der Stadt wurden zerstört.
Der kurze Weg zum Schloss erinnert mit seinem Überbleibsel an eine geschichtsträchtige Ruine, die mit der Restaurierung des Torturmes begonnen wurde und als lokales Museum mit seinen noch gut erhaltenen Elementen der gotischen Portale und Gewölbe, heute wieder Beachtung findet.
Wenn wir nun in Richtung Grünberg weiterfahren, verlassen wir die Neumark und begeben uns ins Schlesische!! Diese Stadt soll unser Endziel sein.
Berühmt ist die Stadt Grünberg/Zielona Gora (grüner Berg) für den Wein, der seit dem 13. Jahrhundert von Mönchen angebaut wurde. Zu Zeiten des Sozialismus kam der Weinbau fast völlig zum Erliegen danach wird er wieder verstärkt betrieben, wie sich durch unseren Besuch auch herausstellen sollte.
Nach einer Parkplatzsuche für den Bus, machten wir Halt im Palmenhaus mit seinem Restaurant und Café. Unter den höchsten Palmen Polens haben wir unser wohlverdientes Mittagsmahl in angepasster Atmosphäre eingenommen. Daran anschließend nahmen wir an einer Weinverkostung teil und lernten Weine aus der Region kennen.
Von zwei Aussichtsterrassen unter dem Glasdach konnten wir einen Blick über die Stadt genießen. Das Palmenhaus befindet sich auf einer Anhöhe und entstand 1961 aus dem Winzerhäuschen und ist seitdem eines der Wahrzeichen der Stadt.
Inzwischen traf die Stadtführerin Frau Edyta Kolodenna-Malaryk ein und führte uns von der Anhöhe mit dem Fahrstuhl wieder auf die Ebene zurück. Wir durchwanderten das Stadtzentrum mit seinen hübschen Bürgerhäusern aus dem 18. und 19 Jahrhundert, die umfangreich restauriert wurden. Ein interessantes Bauwerk ist das alte Rathaus am Markt mit seinem 54 Meter hohen Turm mit barocker Kuppel aus dem 15. Jahrhundert, der wohl auch etwas schief stehen soll, was wir aber nicht erkennen konnten.
Die nahe gelegene katholische Stadtpfarrkirche St. Hedwigskirche ist als ältestes Bauwerk 1294 fertiggestellt und 1651 mit der Reformation protestantisch geworden. Wir konnten sie besichtigen und die kunstvoll gestaltete Wandmalerei und das Orgelprospekt bewundern.
Der spätgotische Hungerturm ist ein Überrest der Stadtbefestigung aus dem 15. Jahrhundert und diente in der Vergangenheit als Gefängnis. Aufmerksam gemacht sieht man an der Fassade die Figur eines kletternden Bacchus.
Die heute der Gottesmutter von Tschenstochau gewidmete Pfarrkirche war 1746 bis 1748 in Fachwerkbauweise für die evangelische Gemeinde erbaut. Leider war die Kirche geschlossen und wir konnten den sehenswerten Barockaltar mit Kanzel nicht in Augenschein nehmen.
Mit dem geplanten Besuch zum jährlich stattfindendem Weinfest im September konnten wir das lustige Treiben in den Straßen der Altstadt miterleben, es zählt zu den größten Volksfesten der Region. Die Altstadt wirkte auf uns Besucher wie ein großer Markt auf dem man neben Weinverkostungen auch viele andere Produkte erwerben konnte.
Im Museum des Lebuser Landes Grünberg wurde der Staffelstab gewechselt. Unsere Stadtführerin wurde mit Beifall verabschiedet und wir begaben uns mit Frau Dr. Anitta Maksymowicz in die Kellergewölbe des Hauses und erfuhren in der Weinabteilung vieles über die Herstellung des Weines. Eine lange Tradition hat in Grünberg auch die Sektherstellung. Die 1826 gegründete Sektkellerei Grempler firmierte bis 1945 als älteste Sektfabrik Deutschlands. Bekannt war auch die Fa. Rätsch.
Im Obergeschoss wieder angekommen, wurde uns an Modellen die Entwicklung der Stadt deutlich gemacht. Eine Stadt die sich als Universitätsstadt mit über 138.000 Einwohnern entwickelt hat, ist neben Gorzow, eine der beiden Hauptstädte der polnischen Woiwodschaft Lebus. Neben der Wein- und Sektherstellung waren Unternehmen angesiedelt, wie der über die Grenzen Deutschlands bekannte Brücken- und Maschinenbaubetrieb „Beuchelt“. Dazu zählten auch die Woll- und Textilfabriken. Inzwischen haben sich wieder eine Vielzahl von Gewerbe- und Industrieansiedlungen etabliert.
Aus- und abgewogen wurde uns dargestellt die Situation der Besetzung der Region nach dem Kriegsende. Im Museum sind Originale der Aufrufe und Mitteilungen an die dortige deutsche Bevölkerung durch die Besatzer der Roten Armee und der übernehmenden polnischen Verwaltungsbehörden einzusehen. Nach Kriegsende und Besetzung durch die Rote Armee wurden die deutschen Gebiete östlich der Oder und Lausitzer Neiße im selben Jahr unter polnische Verwaltung gestellt. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Grünberg im Februar 1945 von der Roten Armee besetzt. Im Juli gab es die Befehle der polnischen Verwaltung, dass die Deutschen ihre Heimat zu verlassen haben. Soweit die Bewohner nicht geflohen waren, wurden sie in der Folgezeit von der örtlichen polnischen Verwaltungsbehörde vertrieben bzw. später zwangsausgesiedelt.
Es begann die Zuwanderung polnischer Zivilisten aus dem ehemaligem östlichen Polen, die die Behausungen und Anwesen der eingesessenen Bevölkerung übernahmen. Diese am Modell geführte Reise durch die Stadt, gab uns einen Einblick über die Geschehnisse der Vergangenheit und der Gegenwart.
Wir bedankten uns für die offen geführten Gespräche und verabschiedeten uns mit einem Applaus bei Frau Dr. Maksymowicz für die interessanten Ausführungen.
Der Nachmittag endete mit einer Verschnaufpause bei Kaffee und Kuchen. Es blieb Zeit für Gespräche und ein individueller Spaziergang durch das Gewühl in den Straßen.
Pünktlich um 18.15 Uhr trafen wir uns wieder am Palmenhaus und die Rückreise erfolgte.
Die ca. zweistündige Fahrt wurde aufgelockert durch nette Beiträge vom Reiseleiter Herrn Gerhard Weiduschat, dem ein Dank an dieser Stelle für die gute Organisation ausgesprochen werden muss.
Vorfristig fuhren wir am Bahnhof Fürstenwalde ein, sodass die Berliner Gäste ihren RE1 um
20.24 Uhr noch erreichen konnten.
Eine weitere Reise für den 10. Mai des nächsten Jahres nach Landsberg an der Warthe/Gorzow wird vorbereitet.
Fotos: H. Habermann