Zwei Tage in Langenpfuhl im August 2015
von Karl-Ludwig Vollmar
Der Wetterbericht verhieß für die dritte Augustwoche erträglichere Temperaturen. So entschlossen wir uns kurzfristig zu unserem jährlichen Besuch in Langenpfuhl. Am Dienstag rief ich unseren Gastgeber Henryk an, und keine 24 Stunden später erfrischten wir uns schon von der Autofahrt durch ein Bad im Bechensee.
Für die zwei Tage hatten wir uns viel vorgenommen: Radwanderungen zur Buchwaldhöhe und um den Tschetschsee, einen Besuch des Heimatmuseums in Meseritz und auf der Rückfahrt einen Aufenthalt in der ehemaligen Festung Küstrin. Deshalb unternahmen wir noch am Nachmittag des Ankunftstages die Radwanderung zur Buchwaldhöhe, die ich vorher noch nie bestiegen hatte.
Die Buchwaldhöhe (Bukowiec) befindet sich etwa 4 km südwestlich von Langenpfuhl (Wielowies) östlich der Straße nach Lagow. Bis 1945 war dieser Berg mit 227 m ü. NN die höchste Erhebung zwischen dem Rand der deutschen Mittelgebirge und der Nord- bzw. Ostsee. Jetzt sind Berge in der Lausitz und im Hohen Fläming mit max. 201 m ü. NN die höchsten Erhebungen des Norddeutschen Flachlandes.
Trotz Bedenken wegen des bekannt schlechten Zustandes der Lagower Straße wählten wir diese Route. Sie erwies sich dann aber als besser befahrbar als andere Radwege in der Umgebung. Die Alternative wäre der Weg über Dlugoszynek (fr. Försterei Langenpfuhl) mit zum Teil sehr steilen Anstiegen gewesen. In beiden Fällen muss ein Höhenunterschied von über 100 m zwischen Dorf und Buchwaldhöhe bewältigt werden. An einer Straßengabelung überholte uns ein Gymna-siast aus Meseritz, der mit seinem Mountainbike dasselbe Ziel hatte wie wir mit unseren kleinen Falträdern. Mit seinem Schul-Deutsch fragte er nach unserem Ziel und löste unser Orientierungsproblem. Gemeinsam erreichten wir dann den „Gipfel“ des Bukowiec, wie der Berg jetzt heißt. Auf der bewaldeten Kuppe ist ein überdachter Rastplatz angelegt worden, wo sich die Wanderer sogar in ein „Gipfelbuch“ eintragen können. Obwohl der Bukowiec in einem militärischen Sperrgebiet liegt, das nur in den Sommerferien betreten werden darf, trägt das aktuelle Gipfelbuch trägt bereits die Nr. 3!
Auf dem Rückweg bogen wir von der Lagower Straße auf einen Feldweg zwischen Grieschberg und Weinberg ab, um vorbei am Katschpfuhl zum Friedhof zu gelangen, wo in den letzten 12 Monaten weitere, meist sehr aufwendig gestaltete Grabstätten hinzugekommen sind.
Am Abend lud uns unser Gastgeber zur Verkostung seines „Selbstgebrannten“ ein. Ich zeigte ihm einige alte Fotos von Langenpfuhl und unserem Hof. Dabei erfuhren wir, dass Henryk zeitweilig geplant hatte, das Gelände unseres ehemaligen Hofes in der Mitte des Dorfes zu kaufen, ehe er sich dann doch für das Grundstück am westlichen Ortsausgang entschied.
Am nächsten Vormittag besuchten wir das Heimatmuseum an der Meseritzer Burg, in dem vor allem Zeugnisse aus der deutschen Vergangenheit der Stadt bewahrt werden. Durch eine Veröffentlichung der Regionalzeitung „Gazeta Lubuska“ im Internet hatte ich erfahren, dass sich hier auch ein Portrait von Johann Jacob Volmer (1752–1836) befindet. J. J. Volmer und die Langenpfuhler Vollmars sind Nachkommen des Burschener Lehnschulzen Jacob Vollmar (1665–1628), haben somit gemeinsame Vorfahren. Daher mein Interesse an dem Portrait.
J. J. Volmer war ein sehr erfolgreicher Tuchgroßhändler. Er vermachte in seinem Testament seiner Heimatstadt 90.000 Taler für wohltätige Zwecke. Dafür ehrte ihn Meseritz u.a. mit einem Portrait, das in der Sakristei der evangelischen Kirche am Markt seinen Platz fand. Das Bild hat das Kriegsende unbeschadet überstanden und ist nun in einer Vitrine des Museums zu sehen, in der die Verdienste von J. J. Volmer ebenso gewürdigt werden wie die dramatischen Ereignisse um die Übernachtung von Napoleon I. vom 25. Nov. 1806 in seinem Haus an der Ostseite des Marktes und das im letzten Augenblick vereitelte Attentat eines Meseritzer Bürgers auf den französischen Kaiser am nächsten Morgen.
Am Nachmittag parkten wir unser Auto am Lagower Schloss für unsere Radwanderung um den Tschetschsee. Auf dem zunächst breiten, dann immer schmaler werdenden Weg am Ostufer kamen wir im Schatten der Bäume auch bei den hohen Temperaturen gut voran. Bei der Rast auf einer Parkbank bot sich eine schöne Aussicht auf den langgestreckten Waldsee und die vielen Urlauber auf dem Wasser und an den Badestellen des gegenüberliegenden Ufers. Am oberen Ende des Sees fanden wir auch Möglichkeiten ins Wasser zu gelangen und zu schwimmen.
Auch auf der Westseite des Sees wollten wir den in der Karte ausgewiesenen Uferweg benutzen. Das erwies sich bald als keine so gute Idee. An den Steilhängen war der Weg selbst für Fußgänger kaum begehbar, geschweige denn für Radwanderer zu befahren. Das Foto zeigt eines der noch einfacher zu überwindenden Hindernisse!
An vielen Stellen mussten die Fahrräder die Abhänge hochgetragen werden. Etwa die Hälfte des Weges am Westufer musste zu Fuß zurückgelegt werden. Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine Rad-Wanderung.
Wir waren froh, endlich den befahrbaren südlichen Teil des Uferweges zu erreichen, wo sich auch größere Badewiesen befinden, von denen aus man nun wieder auf der anderen Seite des Sees die Spitze des Turms des Lagower Johanniterschlosses über Baumkronen erblicken kann. Es war eine anstrengende, aber auch sehr schöne Tour!
Auf der Heimfahrt legten wir einen Zwischenstopp in Küstrin ein. Bisher kannten wir die zerstörte Festung nur so, wie man sie beim Überqueren der Oderbrücke in Richtung Osten sieht. Wir betraten das Gelände von der östlichen Seite her durch das restaurierte Tor und gingen dann auf dem ebenfalls sorgfältig wiederhergestellten Teil der Festungsmauer in Richtung Oder. Dabei erhält man einen guten Überblick über das Areal, das nach der Zerstörung völlig verwilderte. Nun sind aber die früheren Straßen und Plätze freigelegt und wieder mit Straßenschildern versehen. Bei einem weiteren Besuch wollen wir uns mehr Zeit nehmen und uns im Festungsmuseum eine Vorstellung davon verschaffen, wie es hier früher einmal ausgesehen hat.