Papas letzter Fronturlaub Ostern 1944
Während unserer gemeinsamen Fahrt zum Erntedankfest 2015 nach Kriescht hatte ich Gelegenheit in der Familienchronik unserer Krieschter Heimatfreundin Hannelore Günther geb. Burde zu lesen. Ich habe sie gebeten uns die hier abgedruckte Begebenheit, obwohl sie sich zu Ostern 1944 ereignet hat, für den „Weihnachts-HB“ zur Verfügung zu stellen.Vielleicht dürfen wir auf weitere Teile der Chronik für die nächsten Ausgaben hoffen? – H. Habermann
Auszug aus meiner erarbeiteten Familienchronik – wie es dazu kam, unseren Papa noch einmal zu sehen.
Natürlich fehlte uns nun unser Papa immer mehr. Der spannendste und wichtigste Moment des Tages war, ob der Briefträger eine Nachricht von Papa dabei hat. Die Post kam spärlich. Meine Mutter weinte sehr viel und war traurig. Sie hatte eine große Weltkarte an die Wand gepinnt und mit bunten Stecknadeln die Front markiert, auch den Rückzug aus Stalingrad. Jeden Morgen, nachdem sie heimlich BBC gehört hatte, korrigierte sie den Frontverlauf. In der Schule erzählte der Lehrer von großen Erfolgen in Russland. Ich habe ihn öffentlich in meiner Naivität verbessert.
Ostern 1944 war Hildegards Konfirmation in Sicht – und kein Papa da. Ich lag mit Keuchhusten im separaten Zimmer zu Bett. Draußen ging das Leben weiter und ich hustete bis zur Ohnmacht. Die Freundin meiner großen Schwester, Mausi Rux, schob beim Krankenbesuch einen Schreibblock als Mitbringsel durch die Türritze. Erst habe ich draufgemalt, dann mit der Schere geschnippelt und mich dann etwa 14 Tage vor der Konfirmation entschlossen folgenden Brief zu schreiben:
Unter dem Siegel der Verschwiegenheit musste meine Schwester den Brief zur Post bringen. Sie war vier Jahre älter als ich, aber ich hatte das Sagen und so hat sie Mutti nichts gepetzt. In Kriescht kamen täglich zwei Züge an, morgens und abends 6 Uhr auf der Strecke Küstrin-Hammer.
Ich habe in meinem Krankenbett gewartet und gewartet… nichts…
Am Ostersonnabend gegen 17 Uhr habe ich meine Schwester angefleht zum Bahnhof zu gehen, weil ich fest davon überzeugt war, dass MEIN Papa kommt. Unsere Mutter sagte: Geh nur, Hildchen. Hannelore hat sicher wieder hohes Fieber.
Meine Schwester kam tatsächlich mit unserem Vater zurück. Die Überraschung und Sprachlosigkeit unserer Mutter war nicht zu beschreiben.
Burde hatte vom Spieß aufgrund meines Briefes acht Tage Urlaub bekommen…
Spieß: Burde, wie viele Kinder?
Papa: Drei
Spieß: Wer ist Hannelore?
Papa: Mein Mittelstürmer.
So u.a. die Erzählung meines Vaters. Über die Fehler in meinem wichtigen Brief wollte er später mit mir sprechen.
In die Kirche konnte ich nicht mitgehen, aber Mutter, Vater und Bruder waren bei der Konfirmation dabei.
Der Abreisetag meines Vaters war schrecklich. Ich wurde noch aus dem Bett gezerrt fürs Abschiedsfoto (siehe unten stehendes Foto).