Zuchthaus Sonnenburg/Neumark – Gedenkstätte Słonsk/ Polska
Im Jahre 1836 wurde am östlichen Stadtrand von Sonnenburg /Nm. eine „Königliche Strafanstalt“ eröffnet. Anfangs auch für weibliche Insassen vorgesehen, wurden später nur noch Männer inhaftiert. Die meisten der hier einsitzenden Strafgefangenen waren zu einer mehrjährigen oder auch lebenslangen Haft verurteilt worden. In der Berliner Unterwelt kursierte bald der Begriff von der „Universität für kriminelles Studium“. Einer der Häftlinge in Sonnenburg war der Schuster Wilhelm Voigt, der später zum Hauptmann von Köpenick avancierte. – In den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts machte der Kommunist Max Holz als Führer des mitteldeutschen Aufstandes von sich reden. Auch er zählte zu den prominentesten Häftlingen des Zuchthauses.
Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland begann 1933 das schwärzeste Kapitel des Sonnenburger Gefängnisses. Es wurde im April zu einem der ersten Konzentrationslager des Deutschen Reiches und behielt diesen Status bis 1934. Danach zwar wieder als Straflager geführt, blieb es bei den zahlreichen gefangenen Hitlergegnern, die hier erniedrigt, gequält und gefoltert wurden, nur die „Hölle von Sonnenburg“. Diese Bezeichnung ist wohl nicht weiter zu hinterfragen! Der bekannteste Häftling dieser Zeit war der Nobelpreisträger Carl von Ossietzky.
Mit dem sogenannten Nacht- und Nebelerlass Hitlers vom Dezember 1941 änderte sich die Situation erneut. Jetzt wurden Hunderte junger Männer, die in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten „Straftaten gegen das Reich“ begangen haben sollten oder nicht zwangsrekrutiert werden wollten, in Sonnenburg interniert. Darunter waren Belgier, Franzosen, Holländer, Jugoslawen, Luxemburger, Norweger, Polen, Russen, Ukrainer und Deutsche. 819 von ihnen wurden in der Nacht vom 30. zum 31. Januar 1945 durch ein Sonderkommando der SS und Gestapo erschossen. Zwei Tage später waren die Russen da. Der Anblick der Leichenberge erhöhte den Hass der Rotarmisten auf die im Ort befindlichen Sonnenburger noch um ein Vielfaches. Doch das ist ein anderes Kapitel der Zeitgeschichte!
Wie authentische Aussagen belegen, sind die 819 Opfer des Gemetzels links der Chaussee nach Limmritz in zwei Massengräbern beigesetzt worden.
Nach der Vertreibung aller Deutschen aus Sonnenburg im Juni 1945 wurde die Haftanstalt größtenteils abgetragen und dem Erdboden gleichgemacht.
Zum Gedenken an das Sonnenburger Massaker ist bereits in der kommunistischen Ära ein kleiner Museumsbau auf dem Strafanstaltsgelände errichtet worden. Nicht weit davon stand eine stilisierte Gefängnistür. Die daran angebrachte Tafel verwies in polnischer Sprache auf das grausame Geschehen in der letzten Januarnacht 1945 im Zuchthaus Sonnenburg.
Im Laufe der Jahre verkam diese Erinnerungsstätte immer mehr. Eisenteile rosteten und drohten zu brechen. Betonplatten zerbröselten. Überall wuchs Unkraut. Der Museumsbau wurde immer unansehnlicher und zunehmend baufälliger.
Schließlich musste das Gebäude wegen seines desolaten Zustandes geschlossen werden. Eine Änderung dieser Situation schien lange Zeit nicht in Sicht.
Erst das EU-Programm „Europaregion Viadrina“, mit dem die Bereitstellung von 324.890 Euro verbunden war, und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Deutschland (Land Brandenburg) und Polen (Wojewodschaft Lebus) brachte den Aufschwung. Nun konnte auch, wie eine Informationstafel verkündet, das Projekt „Modernisierung des Gebäudes des Märtyrer – Museums in Słonsk“ und die Gestaltung des Umfeldes realisiert werden. Als Projektpartner dafür werden die Gemeinde Słonsk und das Museum Seelower Höhen, Seelow, Küstriner Straße, genannt.
Am 24. Oktober 2014 war es soweit. Die feierliche Einweihung der weiträumig gestalteten Gedenkstätte in Słonsk wurde unter großer Beteiligung der Bevölkerung und zahlreicher Besucher aus dem In- und Ausland vollzogen. Zu den Ehrengästen gehörten u.a. offizielle Vertreter Russlands, der Ukraine, der Niederlande, Luxemburgs, Polens, der Bundesrepublik Deutschland sowie des Landes Brandenburg.
Mitglieder des Johanniterordens wohnten in offizieller Mission ebenfalls dem feierlichen Geschehen bei. Zugegen waren auch zwei ehemalige Sonnenburger, die mehr oder weniger zufällig von dieser Festveranstaltung erfahren hatten.
Die Feierlichkeiten begannen mit einem Gottesdienst in der ehemaligen Johanniter-Ordenskirche, den der Bischof aus Gorzów/Wlkp. (Landsberg a. d. Warthe ) zelebrierte.
Anschließend begrüßte der Bürgermeister von Słonsk auf dem Gelände der neuen Gedenkstätte, wo eine Formation der polnischen Streitkräfte Aufstellung genommen hatte, alle Anwesenden. Der Bischof segnete Denkmal, Gebäude und Innenraum des rekonstruierten Museums. Dessen Exponate müssen allerdings noch gesichtet, neu geordnet und ergänzt werden. Erst dann wird es für Interessenten geöffnet.
Nun erfolgte die Niederlegung der Blumengebinde am neu gestalteten Denkmal. Schüler stellten Grablichter auf. Die Soldaten schossen Ehrensalut.
Den Abschluss der Feierlichkeiten bildete der Besuch des ehemaligen Gefangenenfriedhofes. An dem dort befindlichen Denkmal wurden ebenfalls Blumen niedergelegt, um auch hier der Opfer von Verfolgung, Terror, Gewaltherrschaft und Krieg zu gedenken.
Deutsche Generalkonsulin aus Breslau vertritt die Bundesrepublik Deutschland
(Den Betrag von 324.890 Euro nennt die Informationsschrift der Berliner VVN und Antifaschisten „Unser Blatt“ vom Frühjahr dieses Jahres.)
Text und Fotos: Rudolf E. Nultsch, Mellenseestr. 7, 10319 Berlin