Spiegelberg und Topper wiederentdecken mit Fedor und Hanns von Zobeltitz
Wir haben in den siebziger Jahren manches Mal auf Fontanes Spuren wandelnd Kleinode in unserer märkischen Umgebung entdeckt, die Theodor Fontane 150 Jahre vor uns erwandert und beschrieben hat. Was werden wir wohl von Spiegelberg und Topper aus der Zeit unserer Dichterbrüder entdecken? Geben wir ihnen das Wort und lassen uns heute im Februar 2014 von Ihnen führen – Es gibt Erstaunliches zu entdecken.
Die alte Heimat – Spiegelberg
Spiegelberg, heute ein freundliches Dorf, wird 1572 noch als Marktflecken im Lande Sternberg bezeichnet. Es ist ein typisch märkisches Landgebiet; anmutige Täler wechseln mit kiefernumbuschten Höhen, blaue Seen zwischen herrlichen Laubwäldern mit kahlen Kuppen, humusreiche Ackerboden mit Heidesand. Eine Hügelreihe, die sich zwischen der Kreisstadt Zielenzig und dem Städtchen Sternberg erstreckt, erreicht ihre Kulmination im Spiegelberg, der deshalb auch der „Hohe“ genannt wird, obgleich man keinen Eispickel braucht, um ihn zu ersteigen. In einer Talmulde am Fuß des Spiegelberges liegt das gleichnamige Dorf.
In der Mitte die Kirche, gegenüber das Pfarrhaus, daneben die Schule. Am Friedhofszaun die beiden alten Maulbeerbäume, die noch aus der Zeit Friedrichs des Großen stammen sollen, und vor der Pfarrei der alte Birnbaum, mit dessen unansehnlichen, harten, kleinen Früchten, die man Knödel nannte, sich die Konfirmandenkinder bombardierten. Dann kam der Dorfanger, den auf der einen Seite der Schloßpark begrenzte: hohe Silberpappeln, Birken und Buchen, dazwischen Schwarztannen. Gegenüber lag der Krug, dahinter der Bergzug mit dem fiskalischen Eichenwald und dem trigonometrischen Dreigestell, das auf der Höhe stand und durch eine kerzengrade Schneise aus weiter Ferne zu erkennen war.“
Damals lebten die Großeltern noch: der „alte Rittmeister“, wie er genannt wurde, Senior des Eisernen Kreuzes aus den Befreiungskriegen; Großmutter, eine geborene Schmettow aus dem Pommerziger Hause. Der alte Herr gehörte zu den letzten Charakterfiguren des deutschen Landadels, in dem die Eigentümlichkeiten der Standessitte noch nicht in dem allgemeinen Typus der aristokratischen Gesellschaft aufgegangen waren. Ähnlich war Onkel Bernhard Schmettow, der auf Pommerzig in seinem Wetterkasten von Schloß saß. Großmutter besaß eine stattliche Mitgift und führte den Haushalt keineswegs verschwenderisch. Doch mit den praktischen Seiten des Lebens wußte sich kein Mensch in Spiegelberg abzufinden. Die Großeltern hatten drei Söhne und eine Tochter, die einen benachbarten Gutsbesitzer namens Fischer heiratete und als Witwe unter dem Namen von Fischer-Zobeltitz geadelt wurde. Mein Onkel Fedor, der älteste, bewirtschaftete Selchow, Fritz, der zweite, leitete schlecht und recht die Spiegelberger Dampfmühle, und Karl Konstantin besaß Spiegelberg. Er war mein Vater.
Du liebes altes Spiegelberger Haus —
Vorn die große Veranda, auf der sich im Sommer fast das ganze tägliche Leben abspielte, mit den beiden Kastanienbäumen davor, die damals nur bis zur Verandadecke reichten, heute weit übers Hausdach hinaus. Rechts von einem dämmerigen Flur, wohnten die Großeltern in zwei Stuben. Links lag das große Wohnzimmer mit der Speisekammer daneben. Hintenhinaus ein kleines Zimmer unserer Mutter, dann ein recht stattliches, dreifenstriges Esszimmer, der Saal genannt, und zwei Schlafzimmer für die Eltern und uns. Die Einrichtung war stark gemischt. Neben den gediegenen Mahagonimöbeln aus der Ausstattung der Mutter standen viele alte birkene und fichtene Stücke. Ich erinnere mich vor allem eines ungeheuerlichen Schreibtisches, der sich schon durch Geschlechter fortgeerbt hatte und allgemein die Kossätenscheune genannt wurde. Stileinheit kannte man nicht. Wer behaglich war es trotzdem mit den immer blendend weißen, gestärkten und in kunstreiche Falten gelegten Gardinen, den bunten Läufern, die aus Abfällen gewebt wurden, und den großen weißen, im Winter mächtig bullernden Kachelöfen.
Dann war da … das liebe, efeuumrankte Pastorenhaus.
Unser guter Pastor Hickstein wäre heute unmöglich. Ein Prachtmensch war er doch bei allen seinen Schwächen. Ursprünglich war er ein sehr gelehrtes Haus gewesen und hatte wohl hoch hinaus gestrebt. Eine umfangreiche, in meinen Kinderjahren schon auf dem Pfarrboden verstaubte Bibliothek legte noch stummes Zeugnis davon ab. Nun hatte er sich ins Schicksal eines Dorfpfarrers gefunden und auch unter das Regiment seiner energischen Frau, die das knappe Einkommen durch gute Sportelwirtschaft geschickt im Gleichgewicht zu halten wußte. Wehe dem Bauern, der zu kleine Eier brachte!
Unter den Onkels und Tanten gab es vielerlei Originale, in gutem und in minder gutem Sinn. Am nächsten lag uns Onkel Ernst in Topper. Die Zobeltitze sind leider selten wirklich gute Haushalter gewesen. Onkel Ernst aber war ein Verschwender großen Stils. Von Hause aus sehr wohlhabend, nach damaligen Verhältnissen wohl reich, war er schon als blutjunger Mann mit Vierergespann und Zubehör nach Berlin gegangen. Als er dann den größten Teil seines Vermögens vertan, sein schönes Topper hoch belastet hatte, heiratete er eine der reichsten Erbinnen Dresdens — Marie von Lüttichau — und damit ein Mädchen, das geradeso verschwenderisch angelegt war wie er. In meinen Kinderjahren stand er schon wieder vor dem Ruin, erbte er dann von seinem Schwiegervater noch einmal ein großes Vermögen und brachte es in unglaublich kurzer Zeit durch.
Ob es den Topperschen aber gut oder schlecht ging: ohne Gäste konnte das kinderlose Ehepaar nicht sein, und sie waren Künstler in der Gastfreundschaft.
Eines mußte man den gutherzigen, leichtsinnigen Menschen lassen: sie waren glücklich miteinander, liebten sich zärtlich. Onkel starb lange vor Tante Marie und wurde schmerzvoll von ihr betrauert. Bald darauf brach alles über ihr zusammen. Sie mußte Topper räumen, das leider der Familie verloren ging und später, 1874 nach etlichen Wandlungen, vom Feldmarschall Manteuffel aus seiner Feldzugsdotation gekauft wurde.
Aber dieser Kauf gereichte Manteuffel nicht zum Segen. Die Mißwirtschaft der Vorbesitzer, die eigene Unkenntnis von Landwirtschaft und Geschäften, ein kostspieliger Bau und Manteuffels geringe haushälterische Veranlagung machten den Erwerb alsbald zu einem Gegenstand beständiger Sorge und zu einer Quelle von Geldverlegenheiten.
Was finden wir heute, im Frühjahr 2014, in Topper? Neben dem Schloß, das als Behindertenheim dient, existiert noch der Gutshof im Grundriss der Manteuffelschen Zeit mit der Brennerei und den Stallgebäuden.
Rein zufällig wurde die Wetterfahne auf dem Stallgebäude parallel zur rückwärtigen Schlosseite entdeckt. Sollte der Windweiser mit dem reitenden Dragoner tatsächlich die 140 Jahre überdauert haben? Bis auf ein paar Durchschusslöcher ist er intakt. Ein noch zu lösendes Rätsel. Tatsache ist jedoch, dass Manteuffel das 5. (Rheinische) Dragonerregiment aufgebaut hat. Durch Allerhöchste Kabinettsorder vom 27. Januar 1889 wurde dem Regiment seine endgültige Bezeichnung Dragoner-Regiment „Freiherr von Manteuffel“ (Rheinisches) Nr. 5 zugeteilt (Stationierung ab 1875 bis 1919 in Hofgeismar, heute „Manteuffel-Anlage).
Oberst Wright kommandierte am 31. August 1870 bei Frenois das Manteuffelsche Dragonerregiment.
Er ist ganz im Hintergrund, während Prinz-Albrecht die Richtung weist.
1 Umgang mit den Abgaben der Bauern an ihren Pfarrer
2 Edwin Hans Karl, Freiherr von, preuß. Generalfeldmarschall, geb. 24. Febr. 1809 zu Dresden gest. 17. Juni 1885 in Karlsbad. M. war eine der einflußreichsten Persönlichkeiten in der Geschichte Preußens und Deutschlands der 2. Hälfte des 19. Jh. und hochverdienter Feldherr und Diplomat
3 Artikel „Manteuffel, Edwin Freiherr von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 176–186, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: http://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Manteuffel,_Edwin_Freiherr_von&oldid=1800303 (Version vom 15. August 2012, 15:47 Uhr UTC)
4 Bearbeiter dankt Dr. Klaus Lutze, Sohn des Letzten Topper-Eigners und Heimatfreundin Frau Jenny Terkowsky für die Überlassung der Grundrisse und des Stichs vom Manteuffel-Schloß
(Auszüge aus: „Ich hab so gern gelebt“ (Fedor von Zobeltitz) und „Im Knödelländchen und anderswo“ (Hanns von Zobeltitz) Originale: Habermann, privat)
Bearbeiter: Heinz Habermann
Bildherkunft: Habermann, Dr. Lutze/J.Terkowsky (Stich Manteuffelschloß Topper), Wikimedia Commons (Manteuffel)