Die Juden
Anmerkung (Habermann): Dieser Beitrag enstammt dem (nicht veröffentlichten) Buch:
„Verlorene Heimat Warthebruch“ von Dr. Willi Schlaak
Im Warthebruch hat es anscheinend früher viele Juden gegeben. Als Kind habe ich noch häufiger von Juden erzählen hören. Man sprach auch über ihre merkwürdigen Sitten und Gewohnheiten, die man nicht verstand und die man meist wohl auch falsch deutete. Die Juden hatten anscheinend auf dem Lande den Handel beherrscht. Die Worte „Jude“ und „Händler“ waren etwa gleichbedeutend. Auf dem Markt in Kriescht waren auch Buden, in denen Händler Stoffe verkauften. Ich habe auch später noch oft gehört, dass ältere Frauen, wenn sie gefragt wurden, woher sie den Stoff hätten, antworteten: „Den habe ich vom Zeug-Juden.“ Obwohl es zu dieser Zeit schon lange keine jüdischen Händler mehr auf dem Krieschter Markt gab.
Der letzte Jude verließ Kriescht Anfang der zwanziger Jahre. Er hieß Jakob (oder Jakobsohn?) und wohnte in der Sonnenburger Straße in dem Haus des Malermeisters Strauß. Ich habe ihn noch kennengelernt, als mein Vater zur Zeit des Schwarzmarktes und des Tauschhandels einen Joppenstoff bei ihm kaufte und mich mitgenommen hatte. In dieser Zeit hatten fast nur noch Juden Ware, weil sie „Beziehungen“ hatten. Jakob war bescheiden eingerichtet. Die Juden bevorzugten das „Schäbigkeitsprinzip“. Sie täuschten immer Armut vor, denn seit Jahrhunderten waren sie es gewohnt, bei jeder Gelegenheit überfallen und ausgeplündert zu werden.
Das Wohnzimmer war gleichzeitig Laden und Warenlager. Es war aber nichts offen zur Schau gestellt, sondern es war verpackt.
An der Straße von Kriescht nach Schwerin, östlich der Kreuzung mit dem Weg nach Stuttgardt war der Judenfriedhof. Er war von einer Mauer umgeben und hatte ein schmiedeeisernes Tor, das von einer Kette mit Vorhängeschloss verschlossen war. Als ich noch zur Schule ging, waren die Gräber schon ungepflegt und mit Gras und Unkraut bewachsen. Von einer Synagoge in Kriescht oder Umgebung habe ich nie etwas gehört. Aber nach der Größe des Friedhofs zu urteilen, muss es doch einmal eine größere jüdische Gemeinde gegeben haben. Ende der dreißiger Jahre habe ich den Friedhof noch einmal gesehen. Eine obere Türangel war anscheinend durchgerostet und das Tor war schräg nach vorn gekippt. Die Kette mit dem Vorhängeschloss war noch vorhanden. Auf dem Friedhof hatte sich inzwischen noch Akaziengestrüpp angesiedelt.
Reste von Grabsteinen des Friedhofs waren im letzten Jahr (2013) noch zu erkennen.
Foto: Habermann 2013
Zur Geschichte der Juden im Sternberger Land finden wir bei Wedekind
(Wedekind, Eduard, L. Sternbergische Kreischronik, Zielenzig 1855, 172-173):
„Je zahlreicher in der neuern Zeit die Ansiedelungen der Juden in unserm Kreise geworden sind, um so nöthiger und wichtiger ist es, die Verhältnisse derselben aus der Zeit kennen zu lernen. Während des ganzen Mittelalters waren die Juden gehaßt und hatten häufig die schrecklichsten Verfolgungen zu erdulden, wie wir unter andern zur Zeit „des schwarzen Todes“ 1348—1352 erwähnt haben. Manche brandenburgische Fürsten schützten sie, schätzten sie aber auch tüchtig. So blieb es bis in die Zeiten der Regierung Joachims l. Da geschah es, daß ein Kesselflicker, Paul Fromm aus Bernau zwei kupferne vergoldete Monstranzen mit einigen geweiheten Hostien aus einer Kirche gestohlen und einem Juden Salomo zu Spandau für ein Geringes verkauft hatte. Die Sache kam aus und Salomo in Untersuchung und — auf die Folter, wo er Alles und mehr als man wollte gestand). Hierauf ließ der Kurfürst alle Juden in der Mark aufgreifen, ins Gefängniß setzen und manche foltern. Da kamen Verbrechen zum Vorschein, unter den Qualen der Folter, die sie natürlich niemals verübt hatten, mochten sie auch oftmals drückenden Wucher geübt haben. Jetzt aber starben 38 Juden den Feuertod, alle übrigen wurden aus dem Lande gejagt. Aber schon unter Joachim II. waren die Juden wieder in der Mark zugelassen, und verbreiteten sich bald in solcher Menge, daß von allen Seiten Klagen über „das Hamansgesindel“ ertönten. Allein sie gaben 40,000 Thaler feines Silber Schutzgeld und der Jude Lippold wurde bald das Factotum des Kurfürsten und sein Münzmeister. Nach des Kurfürsten Tode wurde Lippold furchtbarer Unterschleife beschuldigt, aber nur derselben auf — der Folter überführt. Da starb er eine „gräßlichen Tode“, mit glühenden Zangen gekniffen, gerädert und gevieriheilt; alle Juden aber, nachdem sie zu tüchtigen Abzugsgebühren verurtheilt waren, mußten wieder die Mark verlassen. Sie wandten sich dann gewöhnlich in Masse nach Polen, wo sie Schutz und Duldung fanden. Während des 17. Jahrhundert« hatten sie in einzelnen Städten durch die Magisträte hin und wieder Aufnahme gefunden, 1717 jedoch mußten sie wieder sämmtlich das Land verlassen. Hierauf wandten sich hundert jüdische Familien an den König Friedrich Wilhelm I. und baten um Ausnahme. Von diesen erhielten aber nur 45 Familien die Erlaubniß und sie wurden in den neumärkischen Städten vertheilt, davon kam die eine nach Drossen, die andere nach Reppen; weiter gab es keine Juden im ganzen Kreise; alle mußten ein Eigenthum erwerben, durften in Geldgeschäften nicht mehr als zehn Prozente nehmen und mußten gemeinschaftlich aus dem Berliner Waarenhause für 8000 Thlr. Waare gegen baare Zahlung jährlich entnehmen, außerdem Jeder jährlich 8 Thlr. Schutzgeld zahlen, weshalb sie die Benennung Schutzjuden erhielten. Außerdem mußte für jeden Juden ein Eintrittsgeld von 20 Thlr. gezahlt werden. Dabei wurde ihnen streng eingeschärft, sich alles Blasphemirens und Lästerns unseres Heilandes zu enthalten, eben so des christlichen Glaubens. Später sollten die Juden wieder kein Eigenthum mehr haben sondern zur Miethe wohnen; auch jeder Neuaufzunehmende wenigstens ein bares Vermögen von 10.000 Thlr. vorzeigen. Daß dies Alles die Juden doch nicht vor vielfacher Willkühr schützte, geht daraus hervor, daß der König, wenn bei der damaligen Menge der wilden Schweine diese keine Abnehmer fanden, befahl, dieselben den Juden in die Häuser zu tragen, oder den Kaufpreis dafür zu entrichten. Doch entgingen solcher Willkühr auch andere nicht.“
Bearbeitung: H. Habermann