Heimatglocken leise klingen
VI. Schluss
Nachdruck aus „Sternberger Kurier – Heimatzeitung für das Sternberger Land – Mitteilungsblatt für die Einwohner der Kreise Ost- und Weststernberg“ ab Januar 1952. Begleiten Sie uns mit auf einer Fahrt in die alte Heimat, Ende der Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Der „Reisebericht“ gibt auch den „Jüngeren“ unter uns einen guten Überblick über unsere Heimat „damals“. Folgen wir unseren Reiseführern nun und rufen in uns Erinnerungen wach an vielleicht noch vielen bekannte Namen und Orte. In den bisherigen Teilen sind wir von Reppen aus über Bottschow und Sternberg nach Lagow gelangt, haben dann Lagow verlassen und sind dann nach Tschetch-See, den Bechenseen, Schermeisel und Wandern an den Bürgersee und zur Stadtwaldschänke bei Zielenzig gelangt. Inzwischen hatten wir uns in Zielenzig und bis Herzogswalde umgesehen und in Gleißen in der Gastwirtschaft bei Herrn Fuhrmann übernachtet. Dann ging es weiter nach Königswalde, tagsdarauf dann über Waldowstrenk, Beatenwalde, Beaulieu nach Sankt Johannes. Nun geht es nach Kriescht mit einem Abstecher ins Warthebruch. Unsere Reisegruppe hat ihre letzte Etappe in unserem Oststernberg erreicht – heute Abend zieht sie weiter nach Zielenzig und morgen geht’s nach Drossen. Wir müssen unsere kundigen Erzähler mit Dank und allen guten Wünschen allein weiterziehen lassen.
– H. Habermann
Nun übernimmt unser Landsmann Johannes Stanicke die Führung unserer Heimatreise und berichtet uns in seiner freundlichen Art wie folgt: Von der Höhe des St.Johannes‘schen Berges haben wir einen wunderschönen Ausblick auf das Warthebruch. Im Vordergrund liegt von Fliederbüschen umrahmt der Friedhof. St. Johannes selbst liegt mit seinen sauberen Gehöften auf der Nordseite der Dorfstraße. Wir schauen weiter auf Felder, Wiesen und Torfgräben, dazwischen das weit auseinander gezogene Stuttgardt und die Bruchdörfer Malta und Schartowsthal, ganz fern erkennt man die Horstberge im Landsberger Kreis – westwärts erblicken wir vorn Kriescht, die Türme von Limmritz, Woxfelde und Sonnenburg – ein Bild seltener Schönheit. Am Fuße des Berges bei der Schule begrüßen wir schnell zwei alte rüstige Herren, die in der ganzen Gegend bekannt sind: Vater Pfeiffer, – den Bürgermeister von St. Johannes und den Standesbeamten Herrn Berthold Aleth, der als Turner weit und breit einen guten Namen hatte. Den Wald verlassend grüßt uns Kriescht – unser Hauptziel. Der Schützenhauswirt August Bauchrowitz trifft seine Vorbereitungen für das fällige Blumenschießen.
Die Sägewerke Harff und Otto Bachmann arbeiten im Hochbetrieb, auf der Schweriner Straße ist flotter Verkehr. Wir kehren kurz bei Bruno Tillack – dem stets humorvollen Wirt – ein, wo uns der Kohlenhändler Otto Ohst und die Handwerksmeister Kurt Bachmann, Otto Schmidt, Gustav Habermann u. a. sowie die Forstbeamten Schmidt-Zelle und E. Gurth-Nesselkappe mit „Hallo“ begrüßen. Von der Postumbrücke blicken wir auf die seit 1825 im Besitz der Familie Lessel befindliche Mahl- und Ölmühle, im Hintergrund liegt das Sägewerk Wilhelm Meier, grüßt der Schornstein von Krusches Mühle.
Kriescht, um 1330 gegründet, macht den Eindruck einer Kleinstadt. Die Hauptstraßen sind breit und gut in Ordnung, die Grünanlagen ein Schmuckstück.
Man kann mit Recht behaupten: Kriescht ist das Herz des linksseitigen Warthebruches, ja, des ganzen Nordteiles des Kreises Oststernberg. Frühzeitig haben sich hier tüchtige Handwerker und Kaufleute sesshaft gemacht. Im Mittelpunkt des Ortes steht die 1795 erbaute Kirche. Den Turm ziert die Wetterfahne mit dem Johanniterkreuz, denn einst gehörte die ganze Landschaft hier dem Johanniter-Ritterorden.
Wir gedenken all der langjährig hier amtierenden Pfarrer, insbesondere unseres Pfarrers Fröhner. Er hat sich nicht zuletzt durch die Schaffung des Lutherheimes und des Lutherparkes ein bleibendes Denkmal gesetzt. Hierfür sammelte er bei jeder nur möglichen Gelegenheit „Bausteine“, die beste Verwertung fanden — an dieser Stelle wollen wir ihm dafür nochmals danken, Unter den Linden vor dem schönen Schulhaus und seinen zugehörigen Gebäuden tummelt sich in der Pause eine frohe Kinderschar, stets betreut von tüchtigen Lehrkräften.
In den Geschäften von C. F. Jahn, Schuhhaus Schröder, Alfred Müller, Fritz Bolz, R. Schülech, Richard Löffler, Reinhold Trapp und all den anderen kauften wir gern ein und unsere Fleischer und Bäcker, aber auch die übrigen sesshaften Handwerker waren gute Fachleute. In den Geschäften von Reimann, Donat, Schönknecht und bei „Tante Agnes“ Grünberg war jeder Gast gut aufgehoben. Bei Arthur Donat begrüßen wir Meister Emil Basche und Richard Scholz, Hans Jache, die Bauern Hermann Lippe, Adolf Fiedler, Otto Steinborn (Blücher) und den Vorsitzenden des Viehversicherungsvereins Herrn Bürgermeister Igel, Gr.-Friedrich. Ein frohes Wiedersehen gibt’s mit dem gerade eintretenden Bürgermeister Carl Steinborn und seinen Begleitern, den Gemeinderäten Otto Rux, Erich Voigt u. a.
Auf der Bruchchaussee weiht Fahrlehrer Gustav Reek eine Evastochter in die Kunst des Autofahrens ein. Wir machen einen Abstecher ins fruchtbare Warthebruch hinein und landen zuerst beim „Deutschen Kaiser“.
Bei Karl Schönknecht tagen soeben die bekannten Herdbuchzüchter der Gegend. Wir begrüßen die Herren Richard Beyer, Richard Henschel, Hermann Minkowski, Walter Selchow, Fritz Schlaak, Paul Donat, O. Haupt, A. Rehfeld, Strehmel und viele, viele andere hervorragende Bauern und Landwirte. Hinter Quebeck liegt die erst jüngst erbaute Molkerei, ein Musterbetrieb unter Leitung des Herrn Pijahn. An Philadelphia und Korsika vorbei sind wir schnell in Louisa, auch einem größeren Bauerndorf. Rechts die ehrwürdige alte Kirche, dahinter die Schule und ein Teil des Dorfes. Links vor der Kirche bei der Firma Willi Strohschein, die mit Landesprodukten usw. handelt, ist Hochbetrieb. Etwa 200 Meter seitwärts das schöne Besitztum von Bürgermeister Gustav Düring (Eisermann), ein ehemaliges Gut, schon lange im Familienbesitz.
Gleich hinter Louisa betreten wir den Landkreis Landsberg a. Warthe, erreichen Brückendorf (früher hieß es Pyrehner Holländer) und besichtigen eingehend die große Straßenbrücke über die Warthe und das weite Vorland.
Diese Brücke als wichtiges Bindeglied zwischen Nord und Süd ist mit erheblichen Mitteln, auch vom Kreise Oststernberg und der Gemeinde Kriescht insbesondere erbaut — sie liegt etwa in der Mitte als einzige zwischen Küstrin und Landsberg. Nun, zurück nach Kriescht. Verwalter Zech hat uns zur
Besichtigung des großen Sägewerks Wilhelm Meier eingeladen, wir folgen gern. Der Betrieb ist ganz groß aufgezogen und modern mit besten Maschinen ausgestattet. Die Hobelhalle mit ihrer Einrichtung hinterlässt größten Eindruck. Im Maschinenraum waltet Meister Koblitz seines Amtes.
Nun auf zur Badeanstalt, geschaffen durch die großzügige Gemeindeverwaltung und dem rührigen Bürgermeister an ihrer Spitze zum Wohle aller Bürger und auswärtigen Besucher. Auf begrenztem Gebiet, dicht am Mühlenberg, hier ist eine Stätte der Erholung entstanden.
Nun machen wir kehrt! Am Bahnhof stehen die Züge nach Küstrin und Hammer abfahrbereit — ein ansehnlicher Betrieb herrscht hier im Personenverkehr wie im Güterumschlag.Noch einen kurzen Besuch in der Stempelfabrik Rademacher! Die Erzeugnisse dieser Firma gehen in alle Welt und zeugen von deutscher Wertarbeit. Wir sind dankbar für alle die Führungen und verlassen nach einem Erfrischungstrunk im Centralhotel, bzw. bei Tante Agnes, das schmucke Kriescht mit seinen Siedlungen am Westausgang.
Groß-Friedrich streifen wir nun, denn noch wird uns nicht Feierabend geboten. Der Schornstein der
Ziegelei Mauskow und der Kirchturm von Limmritz grüßen nun schon aus wenigen tausend Metern, denn an der Straßengabel bei Burgwall entscheiden wir uns dahingehend, Limmritz, Sonnenburg, Tschernow, Säpzig und Göritz auf unserer nächsten Heimatreise zu besuchen und heute der Einladung unserer Zielenziger Freunde Folge zu leisten und in Zielenzig zu übernachten. In der Abenddämmerung dieses schönen Sommertages fahren wir durch das sich beiderseits der Straße lang hinziehende Mauskow mit seinen ansehnlichen Bauernhöfen, durch Trebow und Langenfeld und kommen bei völliger Dunkelheit in Zielenzig an, wo uns zu unserer größten Überraschung durch die Fürsorge des Landsmannes Georg Krause für alle Teilnehmer von den gastfreundlichen Einwohnern Privatquartiere zur Verfügung gestellt werden. Nach diesem anstrengenden Tag haben wir uns doch bald von unseren liebenswürdigen Quartierwirten verabschiedet und zeitig zur Ruhe begeben, denn morgen wollen wir die Perle des Kreises West-Sternberg, die Maiblumenstadt Drossen besuchen und unseren dortigen Freunden in heimatlicher Verbundenheit die Hand drücken.