Die Geschichte der BUCHMÜHLE bei Lagow
Erinnerungen von Rudi Arnhold und Lucie Arnhold-Weet
Die Buchmühle war vieles in einem:
Eine Gastwirtschaft, Landwirtschaft, und eine Mühle.
Direkt am See unter einem Dach standen Wohnhaus und Mühle. Rudi erinnert sich, dass, wenn gemahlen wurde, das ganze Haus wackelte.
Das Wohnhaus hatte eine große Küche und Gaststube. Die Schlafkammern waren oben. Unter der Gaststube war ein sandiger Kellerboden. Dort wurden das von unserem Onkel selbstgebraute Weißbier in Flaschen gelagert. Im Sommer wurde damit ein erfrischendes Getränk serviert: Weißbier mit Himbeersaft oder Waldmeister gemischt, als die „Sandweiße”.
Die Wassermühle wurde aus einem Teich gespeist. Im Teich wurden Karpfen gezüchtet für die traditionelle Silvesterspeise „Karpfen in Biersoße“. Siehe Rezept. Große Goldfische schwammen im Teich und die Frösche lieferten Abendkonzerte. Vor dem Teich stand das Gästehaus für zugereiste Sommergäste.
Das lange Gebäude auf der Fotografie waren Stallungen für die Pferde und das Kleinvieh, und eine Werkstatt für Reparaturen der landwirtschaftlichen und handwerklichen Geräte. Onkel Oskar war von Beruf Schmied. Es liefen Kleinvieh wie Gänse, Hühner und Enten frei durch Haus und Hof. Es war ein idyllisches Milieu, das viele Berliner anzog.
Am Ufer des Sees stand ein Bootshaus. Da waren Stege für die Angelfischerei. Fischsorten waren: Hecht, Barsch, Wels, Moränen, Plötzen, Aale und Ukelei. Da waren Anlegestege für die Kähne, mit denen Besucher von Lagow angerudert kommen konnten. Der Lagower Fischermeister Erich Jensch, ein Schwager von Oskar, hatte ein offenes Motorboot für ca. 10 Personen. Damit befuhr er die beiden Seen für die Sommergäste. Die Buchmühle war ein beliebtes Ausflugsziel für Küche und Kuchen.
Familiengeschichte:
Die Besitzerin der Buchmühle war Frau Wally Ost. Sie hatte die Buchmühle in jungen Jahren von ihren Eltern geerbt. Wally hatte zwei unmündige Brüder. Der ältere Bruder brach durch das Eis auf dem See und ertrank. Er kam mit dem Fahrrad von Lagow über den gefrorenen See auf dem Weg zur Buchmühle.
Wally heiratete Oskar Arnhold, unseren Onkel etwa 1930. Oskar war der Bruder unseres Vaters Fritz Arnhold. Sie führten das Geschäft die „Gebrüder Arnhold“ in der Johanniter Straße in Lagow.
Oskar erlitt in seinen Jugendjahren eine Kopfverletzung. Er wurde deshalb als „kriegsunfähig” ausgeschrieben. So konnte er die Mühle durch die Kriegsjahre bis zum Ende in Betrieb halten.
Frühere Sommergäste, die von den Bombenangriffen in Berlin flüchteten, ließen sich dort einquartieren.
Oskar hatte einen Radioempfänger wegen der einsamen Lage im Wald. Das wurde ihm zum Verhängnis beim Einmarsch der Russen. Er wurde als „Spion” erschossen . Ebenso seine zwei Kinder Erwin (9 Jahre) und Dorothea (7 Jahre alt) und ein Berliner Ehepaar.
Wally, die wegen der gefürchteten Vergewaltigungen in ein Versteck im Wald geflüchtet war, überlebte ihre Familie.
Wallys Bruder Kurt kam aus dem Krieg unverletzt zurück. Nach der Vertreibung fanden sie sich in der DDR wieder. Wally starb 1988. Sie überlebte den Tod ihrer Familie 43 Jahre!
RUDI ARNHOLD
Mein Bruder wanderte 1954 nach Kanada aus. Erst im Jahre 2005, 50 Jahre nach der Aussiedlung, war es ihm möglich, die alte Heimat Lagow wiederzusehen! Er besuchte die Ruinen dessen, was die Buchmühle gewesen war. Er fand die roten Fliesen der Küche im Schutt. Dort legte er ein Kreuz, dass er von Kanada mitgebracht hatte, und vergrub es unter diesen roten Fliesen. Das Kreuz, aus Bronze, ist 30 cm groß und hat die Inschrift
„ARNHOLD — OPFER DES KRIEGES 1945“
Er hofft, dass es einmal einen freien Platz finden wird.