Oststernberger Heimatbrief
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Wir waren mit den Herzen dabei…

Aus Heimatbrief-Ausgabe 2/2012, Seite 35, vom 20.08.2012 Helmut Sommer

Bericht von der Einweihung des Gedenksteines in Lagow am 22. Mai 2012

Der Termin war auf 11.00 Uhr festgesetzt und im Programm unserer Reisegruppe fest mit eingeplant. Viele der angereisten ehemaligen Bewohner und viele Ehrengäste hatten durch uns oder durch den Bürgermeister in Lagow persönlich Einladungen erhalten oder waren telefonisch rechtzeitig benachrichtigt worden. Die jetzigen Bewohner waren durch Aushang im Ort und durch Ankündigung von der Kanzel nach den Gottesdiensten informiert worden.

Die Arbeitsgruppe tagt, sehr gemütlich
Die Arbeitsgruppe tagt, sehr gemütlich
Gespräche und Arbeit im Raum des Erinnerns
Gespräche und Arbeit im Raum des Erinnerns

 

 

 

 

 

 

 

 
Als wir zusammen mit vielen anderen bei herrlichem Frühlingswetter zum Falkenberg hochwanderten und am Eingang des ehemaligen Friedhofes ankamen, fanden wir den für die Feierstunde mit der Europafahne, mit der deutschen und polnischen Fahne, mit Blumen und zwei weißen Bändern geschmückten Stein vor, den wir schon bei unserem letzten Besuch kennengelernt hatten.
Die vielen anderen Gäste waren unsere komplette Reisegruppe des Heimatvereins Oststernberg e.V., sehr viele jetzige Einwohner Lagows, darunter natürlich alle Mitglieder unserer Arbeitsgruppe und die Mitarbeiter der Gemeinde, die bei den Vorbereitungen für diesen Tag aktiv mitgeholfen hatten. Dabei kam es zu Wiedersehensfreuden und ganz herzlichen Begrüßungen untereinander. 35_IMG_2974
Wenig später formierte sich neben dem Stein eine „Ehrenwache“ aus Mädchen und Jungen der Lagower Schule, alle als schmucke Pfadfinder gekleidet. Die ursprünglich geplante Anreise einer Jugendgruppe aus der Partnerschule in Berlin konnte in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit und aus finanziellen Gründen nicht mehr realisiert werden. Besonders erfreut begrüßten wir aber je eine Kollegengruppe der Schule aus Lagow und der Robert-Jungk-Oberschule aus Berlin, eine deutsch-polnische Europaschule, angeführt von den jeweiligen Kollegen bzw. ihren Vorgängern, die die Partnerschaft begründet hatten. Zwischen beiden Schulen besteht seit Jahren eine Partnerschaft, die auch regelmäßig gepflegt wird.
Alle warteten nun voller Spannung auf den weiteren Verlauf der Veranstaltung, die dann auch pünktlich mit der Eröffnungsrede des inzwischen eingetroffenen Bürgermeisters Herrn Ryszard Oleszkiewicz begann.
Er begrüßte alle Anwesenden ganz herzlich und gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass die nun schon jahrelange gute Zusammenarbeit  nach dem im Vorjahr eröffneten „Raum des Erinnerns“ erneut zu einem sichtbaren Abschluss gekommen sei – damit aber nicht zu ihrem Ende. Er nannte den heutigen Tag einen großen Schritt in die richtige Richtung, erläuterte auch den für den Tag geplanten Ablauf und stellte die vorgesehenen Redner vor (siehe Bild umseitig).
Dann wurde ich aufgerufen. Nach ein paar einleitenden Worten, mit denen ich darauf hinwies, dass ich wegen meiner Emotionen möglicherweise meine für die befreundete Dolmetscherin schriftlich vorbereitete Rede nicht ohne Schwierigkeiten verlesen könne, begann ich.
Hier der Text, auf vielfachen Wunsch der vollständige Wortlaut:

Im Bild v.l.: der amtierende Ortspfarrer Herr Ozachowski, Lehrerin Frau Ewa Wachiowak als Dolmetscherin, der Bürgermeister Herr Oleszkiewicz, Herr Pfarrer Winkler, im Hintergrund Frau Mira Camer, meine Dolmetscherin, meine Person, der ehemalige Ortspfarrer Pater Nowak.
Im Bild v.l.: der amtierende Ortspfarrer Herr Ozachowski, Lehrerin Frau Ewa Wachiowak als Dolmetscherin, der Bürgermeister Herr Oleszkiewicz, Herr Pfarrer Winkler, im Hintergrund Frau Mira Camer, meine Dolmetscherin, meine Person, der ehemalige Ortspfarrer Pater Nowak.

„Verehrter Herr Oleszkiewicz,
verehrte Ehrengäste, meine Damen und Herren,
liebe Heimatfreunde, liebe Lagower.
Es ist mir ein sehr persönliches Bedürfnis, vor der Enthüllung dieses Gedenksteines einige Worte an Sie zu richten. Vor allem anderen möchte ich mich bei all denen ganz, ganz herzlich bedanken, die zum Gelingen der heutigen Veranstaltung beigetragen haben, nicht zuletzt bei den Schülern und Jugendlichen, die hier durch ihren persönlichen Einsatz Hand angelegt haben, um die Natur um uns besser zur Geltung zu bringen.
Seit mehr als 30 Jahren ist es anderen und mir wieder möglich, unseren so schönen Geburts- und Heimatort ohne Schwierigkeiten zu besuchen. Bei diesen Besuchen fanden wir Vieles trotz der inzwischen vergangenen langen Zeit fast unverändert wieder. Manches aber auch nicht, etwa diesen Platz, auf dem viele unserer Vorfahren ihre letzte Ruhe gefunden hatten, beispielsweise drei Geschwister meines Vaters und seine Großeltern mütterlicherseits, meine Urgroßeltern. Wie ich erst bei der Anreise erfahren habe, sind noch mehrere Ehemalige unter uns, deren nahe Verwandte hier begraben worden sind, zuletzt im Mai 1945.
In diesen drei Jahrzehnten hat sich aber auch sonst Vieles verändert.
Lassen Sie mich ein wenig zurückschauen.
Unsere ersten offiziellen Kontakte mit der Gemeinde Lagow begannen 1994/95, als die Ehrung zum 100. Geburtstag des Nobelpreisträgers Gerhard Domagk anstand. Diese Ehrung wurde dann gemeinsam von der Gemeinde Lagow und Vertretern unseres Heimatvereins auch durchgeführt, unterstützt von der Firma Bayer aus Leverkusen. Wir enthüllten feierlich einen Gedenkstein vor unserer ehemaligen Schule, dem heutigen Gemeindehaus. Einige von Ihnen waren damals dabei.
Im gleichen Jahr hatten wir erste vorsichtige persönliche Kontakte mit den neuen Einwohnern. Im Haus von Frau Dr. Irena Sinicka-Szeja kam es in dieser Zeit zu mehreren Zusammentreffen mit Mitgliedern des damaligen „Vereins der Freunde Lagows“, verbunden mit den ersten Versuchen, im jetzigen „Raum des Erinnerns“ so etwas wie eine Ausstellung einzurichten. Auch von diesen damaligen Mitstreitern sind heute einige hier. Diese Kontakte brachen leider unvermittelt ab, als Frau Dr. Sinicka-Szeja überraschend starb.
Erst fast 10 Jahre später kamen neue Kontakte über den damaligen Ortspfarrer Probst Nowak und der Kirchengemeinde zustande, als es um die Renovierung der Kirchenorgel ging. Wir waren sehr erfreut, dass es uns möglich war, hier mit einem Geldbetrag helfen zu können. Auch wir erinnern uns gern an die feierliche Einweihung der Orgel.
Aus der in den ersten Jahren fast überall spürbaren Fremdheit, häufig verbunden mit beiderseitigem Misstrauen, war inzwischen über ein besseres sich Kennenlernen und durch das miteinander Sprechen vieler Einzelner ein vertrauensvolles Miteinander geworden. Ein Beleg für dieses Miteinander, nun endlich im Frieden nach der schrecklichen Vergangenheit, ist der nun schon seit vier Jahren bestehende polnisch-deutsche Arbeitskreis aus ehemaligen und jetzigen Einwohnern Lagows.
Besonders erfreut bin ich auch darüber, dass junge Menschen aus Lagow und Berlin über die Partnerschaft ihrer Schulen zueinander gefunden haben.
Lassen Sie mich zum Schluss hier einen Satz aus der Rede des polnischen Staatspräsidenten Herrn Bronisław Komorowski wiederholen, den dieser anlässlich des Antrittsbesuches unseres neuen Bundespräsidenten Herrn Joachim Gauck vor wenigen Wochen in Warschau zu ihm und zur Öffentlichkeit in beiden Staaten gesagt hat:
„Aus unserer Aussöhnung ist nun Freundschaft geworden.“
Genau so empfinde ich die Entwicklung hier in Lagow. Nicht nur wir Ehemaligen als Besucher haben hier inzwischen gute Freunde gefunden. Wünschen und gönnen wir auch unseren hier ruhenden Vorfahren diesen Frieden, vor allem aber den jetzt Lebenden und den kommenden Generationen. Dieser Stein und der ihm mitgegebene Spruch wird, so hoffe ich, auch dafür ein lange währendes Mahnmal sein und bleiben.“

Handschlag zwischen Herrn Oleszkiewic als Bürgermeister von Lagow und Herrn Sommer als Vertreter der Gruppe Lagow im Heimatkreis Oststernberg e.V.
Handschlag zwischen Herrn Oleszkiewic als Bürgermeister von Lagow und Herrn Sommer als Vertreter der Gruppe Lagow im Heimatkreis Oststernberg e.V.
Die drei Pfarrer im Gespräch; v.l. Herr Winkler, Pater Nowak, Herr Ozachowski

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach mir sprach zunächst Pater Nowak. Auch er betonte die seit Jahren bestehende Zusammenarbeit, die für ihn viele gute persönliche Kontakte bedeuten. Er bedankte sich auch bei mir als seinem Vorredner für die gefundenen Worte, prägte dabei den Satz „Sie sind mit den Herzen dabei“. Er schloss mit einem Gebet in polnischer Sprache. Anschließend sprach Herr Pfarrer Winkler ein Gebet auf Deutsch, schloss dann mit einem Kirchenlied. Er forderte danach alle auf, das Vaterunser laut zu sprechen, gemeinsam und jeder in seiner Sprache. Die Weihung des Steines durch den amtierenden katholischen Ortspfarrer beendete zunächst diese feierliche Zeremonie.

Die Enthüllung des Steines
Die Enthüllung des Steines

Anschließend enthüllten Herr Bürgermeister Oleszkiewicz und ich den Stein, d.h. wir befreiten ihn von seiner weißen Schleife, in dem wir jeder an einer Seite zogen. Dann wurden mehrere Leuchten angezündet, die als Symbol der Freundschaft stets brennen sollen. Nun ehrten die beiden Delegationen aus den Partnerschulen diesen Ort, legten selbst noch einen Kranz dazu. Der Schulleiter aus Lagow versprach dabei öffentlich, stets dafür Sorge zu tragen, dass die Lichter am Gedenkstein an Festtagen immer brennen würden.
Danach wurde hinter dem Stein gemeinsam vom Bürgermeister, unterstützt von mir und weiteren deutschen und polnische Teilnehmern, eine junge Eiche als Symbol der Freundschaft eingepflanzt.
Danach hatten wir noch Gelegenheit, uns bei dem inzwischen eingetroffenen Steinmetz zu bedanken, der unsere Vorstellungen für den Stein so hervorragend umgesetzt hatte, ohne dass wir vorher mit ihm darüber hatten sprechen können.
Als Erinnerung an das für alle denkwürdige Ereignis wurde uns vom Bürgermeister ein von einer ortsansässigen Künstlerin gemaltes Bild überreicht.
Bevor alle auseinandergingen, lud der Herr Bürgermeister alle Anwesenden zu Kaffee und Kuchen ein. Alles war weiter unten für die Gäste durch die Gemeinde Lagow vorbereitet, d.h. im Freilichttheater neben der Burg war eine lange Tafel gedeckt. Viele folgten der Einladung, was dann Gelegenheiten bot, Eindrücke und Gedanken auszutauschen, über das eben Erlebte zu sprechen.

Der Ausklang zum Ende der Feierstunde
Der Ausklang zum Ende der Feierstunde

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