Unsere Leser schreiben
Sehr geehrter Herr Praetsch,
ich möchte mich ganz herzlich für den Glückwunsch des Heimatkreises zu meinem 75. Geburtstag und die Ansichtskarte vom Zielenziger Stadtzentrum bedanken.
Wenn ich auch erst 8½ Jahre alt war, als wir die Heimat verlassen mussten, so kann ich mich doch noch ganz gut an die Örtlichkeiten im Zentrum erinnern. Wir wohnten gegenüber der Nikolaikirche im Hause der Vereinsbank. Meine Mutter war vor der Heirat in der Drogerie Bley in Stellung und übernahm dann die Hauswartstelle bei uns im Haus. Mein Vater hatte im Schuhgeschäft Vogel gelernt und arbeitete dort als Geselle bis zu seiner Einberufung im Jahre 1940. (z.Z. bereitet er sich auf seinen 100. Geburtstag im April vor)
Noch abends nach dem Einmarsch der Sowjetarmee war meine Mutter mit uns Kindern (mein Bruder war knapp 3 Jahre alt) in die Waschküche auf dem Hof gezogen. Sie fürchtete, dass man die Tresore der Bank sprengen könnte, während wir oben schlafen. Im Morgengrauen gingen wir mit ein paar Habseligkeiten zur Familie von Otto Behrendt, dem Cousin meines Vaters, in die Gärtnerei Seifert. Das komplette Mobiliar und vieles mehr wurde ein Opfer der sinnlosen Brandstiftung an einem der nächsten Tage. Vom Rest unserer Habe wurden wir dann im Juni 1945 auf dem unfreiwilligen Treck am östlichen Ufer der Oder „befreit“. Ein Angehöriger der marodierenden Banden entriss uns den kleinen Koffer, der nur Wechselwäsche und einige Papiere enthielt.
Die Familie meiner Mutter hatte bereits mehrere solcher Vertreibungen erlebt. Die Urahnen waren Ende des 18. Jahrhunderts aus der Pfalz nach Galizien (damals Österreich) ausgewandert und hatten sich in Siegenthal bzw. Steinfels angesiedelt. Von dort zogen meine Großeltern um 1900 nach Strzelce, Kreis Mogilno, Provinz Posen. Auch da konnten sie nicht bleiben. So kam meine Mutter 1923 als Kind mit ihrer Familie nach Warnow auf der Insel Wollin. Die Eltern siedelten dann in Wandern und 1938 (wegen des Truppenübungsplatzes) in Ötscher (an der Oder) an. Im Heimatbrief 2/2003 hatte ich in einem Artikel etwas ausführlicher über diese Odyssee berichtet.
Im Juni 2011 habe ich, fast auf den Tag nach 66 Jahren, die Stelle in Lebus aufgesucht, wo wir damals das Brandenburger Oderufer erreicht haben. Die Reste dieses Überganges sind, wie man auf meinen Fotos sehen kann, heute noch gut zu erkennen.
Wenn ich aus heutiger Sicht über die damaligen Verhältnisse nachdenke, bin ich immer wieder voller Hochachtung vor der Leistung der überwiegend alleinstehenden Frauen und Mütter. Viele haben es geschafft, sich, ihre Kinder und z.T. noch pflegebedürftige Angehörige über diese schwere Zeit zu bringen. Anderen war das trotzdem nicht vergönnt, denn heute wissen wir, dass gerade aus den Gebieten östlich der Oder die Verluste an der Zivilbevölkerung am größten waren. Unser Treck endete nach drei Wochen im damaligen Kreis Teltow, südlich von Berlin. Mein Vater kam erst am 3. Januar 1950 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Hause.
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Behrendt, früher Zielenzig, jetzt Einsteinstraße 5, 10409 Berlin.
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Sehr geehrter Herr Praetsch,
mich beschäftigt noch folgendes Problem:
Ich wundere mich, dass ich bisher im Heimatbrief keinen Hinweis auf folgendes Ereignis gefunden habe: Während der Besatzungszeit (Januar bis Juni 1945) wurden in Zielenzig 30 Männer (darunter Gustav Müller, ein Onkel meines Vaters) aus der Ostrower Straße zusammengetrieben. Sie mussten irgendwo im Wald ein Massengrab ausheben und wurden anschließend erschossen. Anlass dazu soll gewesen sein, dass man einen toten Sowjetsoldaten gefunden hatte. Man drohte damit, dass, sollte so etwas noch einmal vorkommen, man 30 Frauen und Kinder erschießen würde.
Ich finde, dass diese Tat, zumal sie – davon gehe ich jedenfalls aus – von sowjetischen Verantwortlichen verübt wurde, nicht verschwiegen werden kann. Einerseits sind wir es den widerrechtlich hingerichteten Männern schuldig und andererseits würde diese Tat noch nachträglich einen weiteren Schandfleck auf der Weste des kommandierenden Generals (Konew?) hinterlassen. Allein in meiner Verwandtschaft wurden in dieser Zeit zwei weitere Männer kaltblütig erschossen. Mein Großvater in Ötscher und ein Onkel, der, nach dem Urlaub in Gehauenstein, nicht mehr zu seiner Truppe zurückgekehrt war (man hatte seine Uniform gefunden).
Ich hatte vor längerer Zeit mit Herrn Tillack am Telefon darüber gesprochen. Er meinte, ich sollte mich in dieser Angelegenheit bei einem Besuch in Zielenzig an Herrn Cieluch wenden.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir gelegentlich Ihre Meinung zu diesem Vorkommnis mitteilen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Behrendt, früher Zielenzig, jetzt Einsteinstraße 5, 10409 Berlin.
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Zu Titelbild Oststernberger Heimatbrief 3/11:
Sehr geehrter Herr Habermann,
heute (21.12.2011) erhielt ich den Heimatbrief 3/11. Das Frontbild von Franz Lippisch hat mich sehr interessiert. Mein Vater (Karl Wengenroth) hat mit Prof. Lippisch die erwähnten Objekte entwicklelt und die Bewaffnung gemacht. Wir sind während des Krieges, der Bomben wegen, zur mütterlichen Großmutter nach Sonnenburg gezogen, dorthin kamen nach ihrer Ausbombadierung in Berlin auch die väterlichen Großeltern.
Unserer Familie gehörte das Haus Frankfurter Straße 17, unten Wohnung und Geschäft von Großonkel Max Anders und Tante Hedwig (auch deren Tochter „Trudchen“ Ueberschar mit den Kindern kam dazu), dann wohnte unsere Großtante Grete Gottschalk dort (sie verstarb an Krebs), unsere Oma (Else Fischer, geb. Anders) mit uns, daneben Frau Braun, Verwandte von Kürschner Braun gegenüber.
Ich ging erst in die Volksschule, dann in den rechten Flügel 1. Klasse Oberschule, Flucht 30. Januar 1945 zu Fuß nach Küstrin und in den letzten Personenzug unter Beschuss über die Brücken nach Berlin zur Großtante, die in Berlin ein Mietshaus aus der Gründerzeit hatte, es blieb als einziges in der Straße stehen. Die Szenen, die sich in Küstrin auf dem Bahnhof abspielten, sind mir noch in Erinnerung: Der Zug stand lange, dann hieß es, er fährt nicht, alle außer uns stiegen aus, dann fuhr er ohne Warnung doch ab, die Leute in Panik, sprangen auf, ließen sogar ihre Kinder liegen. Wir sahen ein eingewickeltes, weinendes Kleines auf einer Bank liegen. Die Brücken bebten und wurden nach uns von der deutschen Wehrmacht gesprengt. Als wir zur Tante nach Moabit kamen, lag alles in Trümmern, Qualm, Geruch nach Gummi usw. Jede Nacht Alarm, sodass wir am 12. Februar (1945) in einen Zug stiegen. Nachts kamen wir in Dresden an. Am 13. hatte ich Geburtstag (mein 11.), Vater sagte: „Zeigen wir dem Kind eine heile Stadt“. Mutter: „An ihrem Geburtstag wird die Stadt zerbombt“. Meine Mutter hatte die Fähigkeit der Vorausahnung. So blieben wir im Zug, weiter nach Prag. Dort sahen wir sagar den Rauch von Dresden – weiter nach Wien, wo mein Vater mit Professor Lippisch arbeitete. Jede Nacht in den Katakomben, teils verschüttet. Dann in den Wiener Wald, in die Lippisch-Villa. Von dort flohen wir auf zwei Lastwagen bei Russen-Einbruch das zweite Mal, diesmal unter US-Tieffliegerbeschuss. Kamen nach Prien/Chiemsee, wo wir in den Baracken des kleinen Flugplatzes unterkamen. Nach Kurzem dann auf fahrende Güterwagen aufgesprungen, quer durch das zerstörte Deutschland bis Hannover, dann Berlin (West), wo wir im Sommer im Trümmerhaus der Großeltern, im Winter im Kartoffelkeller von Freunden lebten. Dort machte ich Abitur. Nur die Großmutter überlebte, getrennt von uns, die Flucht.
Sie und viele alte Menschen wurden monatelang durchs Bruch getrieben. Mein Großvater begrub unzählige alte Menschen, Tante Emma Siebert (Haus neben Kürschner Braun), verendete auf der Landstraße. Die Großeltern und die Oma kamen noch bis Berlin aufs Trümmergrundstück, die Oma starb, der Großvater verhungerte. Nun bin ich fast 78 Jahre, meine Schulfreundinnen waren die Linke-Zwillinge, bei Frl. G. Linke (nebenan) hatte ich Klavierunterricht, auch am Rada-
cher See war ich bei Linkes. Meine Mutter war mit H. Schilling gut befreundet, der „Sonnenburger Anzeiger“ ihre Freude.
Es grüßt Sie
Ingelore Streng, geb. Wengenroth, Vorm Tor 1, 56457 Westerburg.
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Lieber Herr Habermann,
Grüße aus Kanada. Als ich Ihre Adresse schrieb, musste ich lächeln: Wir sind nach 1945 in Zehlendorf/Dahlem aufgewachsen und oft die Argentinische Allee per Fahrrad gefahren. Ihre Nummer 5, denke ich, ist bei der Krumme Lanke U-Bahnstation. In unseren Zeiten hat man viel gelaufen und in Gedanken kann ich dem Brief folgen. Mein Bruder wanderte 1954 nach Kanada aus. Ich verließ Berlin 1958. Wir haben also weder die Mauer, noch deren Abriss erlebt. Aber alles eifrig verfolgt. Und nun freuen wir uns, dass auch in Lagow die Türen sich öffnen für Verständigung.
Lucie Weet, geb. Arnhold, früher Lagow, jetzt 1947 Kenwick
St RR1, Bright’s Grove, ON N0N 1C0 Canada.
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Zu Titelbild und Text F. Praetsch, M. Praetsch, Oststernberger Heimatbrief 3/11, S. 35:
Sehr geehrter Herr Praetsch,
für die Übersendung des Heimatbriefes möchte ich mich recht herzlich bedanken. Auch hat mich der Bericht Ihres Herrn Vater und Ihre Zusätze über die Reise 1976 nach Königswalde sehr gefreut, da wir ab 1972 mit Orbis und später mit dem eigenen PKW sicherlich 12 x nach Königswalde gefahren sind, wo wir dann in den späteren Jahren bei einer polnischen/ukrainischen Familie untergekommen sind. In meinem Heimatort Waldowstrenk steht ja kein Gebäude mehr. Wir besuchen sehr oft die Hammer-Schneidemühle, wo mein Vater von den Russen erschossen und begraben wurde.
Hier ist Franz Lippisch, ein Cousin meiner Großmutter, geboren. Um das Bild auf der Titelseite zu veröffentlichen, hatte ich mich mit der Urenkelin von Herrn Lippisch in Verbindung gesetzt und die Einwilligung bekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Otto-Karl Barsch, früher Waldowstrenk, jetzt Karwendelstraße 18, 12203 Berlin.
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Zu Brandenburger Bräute, Heimatbrief 3/11, S. 7-12:
Sehr geehrter Herr Praetsch,
vielen Dank für die Mühen für die interessanten Oststern-berger Heimatbriefe. Im Heft 3/2011 ist ab S. 7ff ein Beitrag von Herrn Lothar Binger abgedruckt mit dem Titel „Brandenburger Bräute“, der sich ab S. 9 mit „Hochzeit einer Mühlenbesitzerfamilie“ befasst. Es handelt sich dabei um meine Familie Lessel von der Lessel’schen Mühle in Kriescht in Oststernberg. Ich bin eine geborene Lessel. Das Foto auf S. 8 zeigt die Hochzeit meiner Eltern Charles Henry William LESSEL mit meiner Mutter Hertha LESSEL geb. LESSEL(!) – meine Großväter waren Brüder! – am 20. August 1920 in Kriescht. Auf S. 11 sieht man das große Wohnhaus der Familie, dazu gehörten eine Kornmühle und eine Ölmühle.
Mit freundlichen Grüßen
Charlotte Sattler, geb. Lessel, früher Kriescht, jetzt Detmolder Straße 5, 10715 Berlin.
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Sehr geehrter Herr Praetsch,
hiermit zeig ich Ihnen an, dass unser Vater, Herr Heinrich Aigner, als geborener Sonnnenburger im Dezember 2011 im Alter von 89 Jahren verstorben ist. Bis zuletzt war er interessierter und treuer Leser des Oststernberger Heimatbriefes. Seine Liebe zur alten Heimat zeigte sich auch bei der nach der Wende möglichen Teilnahme am Heimattreffen der Sonnenburger in Unterlüß. Über viele Jahre war das der Höhepunkt des Jahres für ihn. Nur drei Monate nach seinem Tod ist nun auch seine Ehefrau, unsere Mutter Irmgard Aigner, im Alter von 87 Jahren verstorben und an seine Seite gebettet worden.
Wir wünschen Ihnen und allen Mitarbeitern für Ihre Arbeit mit den Heimatfreunden weiterhin viel Freude und viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Aigner, Oderhang 2, 15234 Frankfurt/Oder.
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Sehr geehrter Herr Habermann,
unsere Großeltern haben unterhalb des Viadukts (Lagow) gewohnt und wir, nach der Geburt meiner Geschwister, damals in der Petersdorfer Straße, jetzt Sulecinstraße. Sollte etwas für die Kartei gebraucht werden, müsste Herr Sommer noch allerlei gehört haben.
Gerhard und Margarete Petter, geb. Linke, früher Lagow, jetzt Bothenhorster Weg 8c, 23564 Lübeck.