Heimatglocken leise klingen – III.
Nachdruck aus „Sternberger Kurier“ – Heimatzeitung für das Sternberger Land – Mitteilungsblatt für die Einwohner der Kreise Ost- und Weststernberg“ ab Januar 1952.
Begleiten Sie uns mit auf einer Fahrt in die alte Heimat, Ende der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Der „Reisebericht gibt auch den „Jüngeren“ unter uns einen guten Überblick über unsere Heimat „damals“. Folgen wir unseren Reiseführern nun und rufen in uns Erinnerungen wach an vielleicht noch vielen bekannte Namen und Orte. In den ersten beiden Teilen sind wir von Reppen aus über Bottschow und Sternberg nach Lagow gelangt – H. Habermann
Schnell trinke ich mit dem Leiter des Verkehrsvereins von Lagow, Oskar Schirmer, im Hotel „Deutsches Haus“ noch einen Korn, rufe die Motorbootsbesitzer Koberstein und Jensch an, dass sie mit ihren Motorbooten morgen pünktlich um 6 Uhr an der Seeterrasse des Hotels „Deutsches Haus” sein sollen, und dann geht es mit dem Auto ab in Richtung Malkendorf. Es ist schon etwas spät geworden, aber trotzdem erkennen wir noch die Umrisse der Petersdorfer Mühle, deren Besitzer Hans Blum ein alter Jäger ist. Unterwegs treffen wir die Jugend von Petersdorf, die singend in Richtung Lagow zum Sommerfest geht, und dann biegen wir beim Dorfkrug Ullmann in Petersdorf ein. Rechts davon liegt die alte Dorfschmiede, daneben steht die alte Kirche und beim Pfarrhaus verlassen wir Petersdorf. Von der Petersdorfer Höhe erblicken wir schon die Lichter von Malkendorf. An der Petersdorfer Brücke werfen wir noch einen kurzen Blick zum Ausbau Paul Löchert und dann ist Malkendorf erreicht.
Mein Heimatort ist ein uraltes märkisches Bauerndorf. Mit seinen alten, schönen Bauernhäusern, der herrlichen Dorfaue und den malerischen Teichen liegt es, wie vom Herrgott in unsere Heimatlandschaft hineingestellt. Hier wohnt ein urwüchsiges märkisches Bauerngeschlecht. Freudig werde ich daheim begrüßt. Wir sprechen von der Heimat. Es gibt viel zu erzählen. Dann fahren wir noch schnell zum Dorfkrug. Der Wirt, Richard Sommer, begrüßt mich herzlich. Ich treffe alte, liebe Bekannte, den Bürgermeister Wilhelm Fiebig, Schmiedemeister Malze, Bäckermeister Hoffmann, Tischlermeister Röstel und alte Freunde wie Erhard Christoph, Franz Ganswindt, Wilhelm Krüger, Hermann Ullrich und andere. Fröhlich sitzen wir noch eine Stunde beisammen, plaudern von unseren Jugendstreichen, von der Schule, den Schützenfesten, dann muss ich leider wieder fort. Im Eiltempo erreichen wir um 2 Uhr in der Nacht Lagow.
Um 5 Uhr geweckt, wird schnell das Frühstück eingenommen. Schon versammelt sich unsere Reisegesellschaft auf der Seeterrasse. Unsere Busse fahren voraus, vorerst bis zur Buchmühle. Die beiden Motorboote kommen heran. Ein herzliches Verabschieden von allen Bekannten. Wir steigen ein und in langsamer Fahrt geht es dem Kanal zu. „Muss i denn zum Städtele hinaus“ singen wir und denken dabei an die schönen Stunden, die wir im herrlichen Lagow verleben durften. Langsam geht es durch die alte Brücke und kurz darauf sind wir auf dem Tschetschsee. Warm scheint die Sonne vom Himmel und vom hohen Schlossturm flattert stolz die alte Fahne mit dem schwarzen Johanniterkreuz auf weißem Grund. Langsam ziehen unsere Motorboote auf dem Tschetschsee dahin, der sich in einer Länge von 5 Kilometer durch die wunderbare Landschaft dahinschlängelt. Vorbei geht es an grünen Wiesen, an dunklen Buchen- und Nadelwäldern vorbei an den Bergen und Schluchten unseres herrlichen Sternberger Landes. Rechts blicken von der Neulagower Höhe die schönen Siedlungshäuser zu uns herab, links liegt inmitten der zauberhaften Landschaft der Lagower Sportplatz. In vielen Windungen geht es dahin. „Ach wie bist du doch so schön, o, du weite, weite Welt“. Rauch steigt aus dem malerisch, zwischen Schluchten und Wäldern, eingebetteten Haus des Vorwerks „Simonshöhe“. Hier wird scheinbar der Morgenkaffee gekocht. Wir winken zum Ufer hinüber, wo ein Bauer gerade die Wiese mäht. Und dann taucht vor uns, in einem grünen Teppich eingehüllt, die Buchmühle auf. Am Landesteg machen wir halt. Noch einmal werfen wir einen Blick auf die hinter uns liegende Landschaft, dann begeben wir uns zum Restaurant Buchmühle. Der neue Wirt, Oskar Arnhold, ein Lagower Kind, begrüßt uns herzlich. Wir betrachten die alte Wassermühle, gehen zu den Goldfischteichen und atmen die Lungen voll von der herrlichen Waldluft. Dann setzen wir uns in den Garten zu einem Morgenschoppen nieder. Nach kurzer Rast besteigen wir unsere Omnibusse und weiter geht die Reise.
Zwischen den Höhen des Buchenwalds inmitten grüner Wiesen und Felder liegt die Försterei „Buchspring“. Die großen Rotdornbäume an der Einfahrt sind schon verblüht. Nach kurzer Fahrt sind wir auf der Straße Groß-Kirschbaum–Langenpfuhl. Wir erblicken noch die kleine Brücke am Fuße des steilen Fuchsberges, dann biegen mir rechts ab und werden nun eingehüllt von dem schönen Buchenwald. Uralte verwitterte Buchen wechseln hier ab mit dunklen Tannen.
Tiefe Schluchten und steile Berge durchziehen das weite Gelände. Kleine Bäche und Quellen murmeln ihr ewiges Lied. Rotwild, Rehe und Sauen sind hier zu Hause und der Buchfink schlägt den Takt zu dem ewig schönen Waldesrauschen. Vorbei geht es an den Karpfenteichen, in denen die Frösche abends ihre eigenen Melodien ertönen lassen, und nach kurzer Fahrt machen wir dort, wo von der Straße nach Langenpfuhl links der Weg zu den Bechenseen abzweigt, Rast. Hier steht inmitten der Straßenkreuzung die „Königin-Luise-Linde“, ein altes Wahrzeichen, das an vergangene Zeiten aus der Geschichte Preußens erinnert. Hier ruhen wir aus, um noch einmal kurz die Schönheit und Stille des herrlichen deutschen Waldes zu genießen und es kommt uns an dieser Stätte vor, als ob wir Zwiesprache halten mit den Vätern und Ahnen, die dieses Land einst urbar machten.
Hier an der Königin-Luise-Linde übernimmt nun unser Landsmann Georg Krause die Führung unserer Heimatreise und fordert uns auf, da die Blüte der Linde eine besondere Heilkraft hat, uns eine Tüte voll zu pflücken, um so auch etwas für unsere Gesundheit aus dem Buchwald mitgenommen zu haben.
Nun bleibt der herrliche Buchwald, der Ende des vorigen Jahrhunderts noch zum Rittergut Groß-Kirschbaum gehörte, hinter uns liegen. Inzwischen haben wir die Straße Langenpfuhl–Schermeisel erreicht und betrachten von hier aus noch einmal rückschauend die wunderbaren üppigen Feld- und Waldpartien. Nachdem wir die Bahnstrecke Meseritz–Zielenzig, die unseren Weg kreuzt, überquert haben, treten wir in das Dorf Schermeisel ein. Rechter Hand liegt gleich das Restgut des Rittergutes Schermeisel, dessen Besitzer Generaldirektor Dr. Alfred Berliner ist. In seiner Gärtnerei bewundern wir die herrlichsten Orchideen und bestaunen gleichzeitig die vielen Farben der Seerosen, die hier gezüchtet werden.
Auf der Nachbarschaft kehren wir nun bei Hermann Bennewitz ein, um vorerst einmal einen kühlen Trunk zu uns zu nehmen. Er ist ein äußerst liebenswürdiger Gastronom und bittschönt gleich zweimal hintereinander, wenn er seine Gäste bedient, was auch der Maler seiner Firma gleich mitbekommen hatte und zum größten Ärger des Lokalbesitzers unter seiner Firma draußen am Hause die Worte „bittschön, bittschön“ mit anpinselte. Selbstverständlich war zwischen beiden nun die Freundschaft für immer aus. Ein anderer Maler musste alles wiedergutmachen.
Wir verlassen nun Schermeisel und sehen rechts der Straße in der Ferne auf einer Höhe Siebenruthen und links der Straße jenseits der Bahnstrecke die alte Sandwäscherei liegen. Vorbei an den Rentengütern schlagen wir nun Richtung Zielenzig ein; aber bis dahin sind es immerhin noch 11 Kilometer.
Nach 30 Minuten Wanderung auf der von Kettenfahrzeugen zerrollten Teerstraße nimmt uns wieder der Wald auf, jetzt aber der echte märkische Kiefernwald. Nicht lange dauert es, so liegt zur linken Hand, mitten in einer Schonung, ein großes Barackenlager. Es ist das Narviklager des Truppenübungsplatzes Wandern. Hier hat „Großdeutschland“ seinen letzten Schliff erhalten. Einige Jahre vorher wurde hier noch Rot- und Schwarzwild gejagt! Einige hundert Meter weiter, ebenfalls zum Truppenübungsplatz gehörig, liegt Kamtschatka. An der Südspitze von Kamtschatka schoss einige Jahre vorher eines Morgens von einem Hochsitz aus Bürgermeister Hering, dem hiermit gleich ein Waidmannsgruß übermittelt werden soll, mit 4 Kugeln 4 Sauen.
Inzwischen haben wir nun das Seevorwerk-Tal mit seinen saftigen Wiesenflächen erreicht. Aus dem Seevorwerk-Gebäude ist das Wehrmachtskasino geworden. Von dieser Stelle aus haben wir einen bezaubernden Blick auf den Bürgersee und der Blick verschönert sich noch mehr von dem auf einer Waldhöhe liegenden Hause des Kommandeurs des Truppenübungsplatzes. Nun befinden wir uns mitten im Stadtwald der Kreisstadt Zielenzig und bewundern die herrlich gewachsenen Eichen, die als Furniereichen der Stadt immer einen stattlichen Groschen einbrachten. Selbstverständlich wird in der Stadtwaldschänke bei Nitter eingekehrt, wo viele Zielenziger angetroffen werden, die teils mit Kraftwagen und teils auch auf Schusters Rappen hierher gekommen sind. Von der Waldschänke aus werden nun erst einmal die Herrlichkeiten des Stadtwaldes aufgesucht. Zuerst gehen wir in nördlicher Richtung zum Roten Fließ und kreuzen dabei die alte Gleißener Straße, auf der in Höhe von Lerchenspring das Napoleonspflaster liegt. Auf dieser Straße sind 1812/13 die französischen Truppen gegen den Osten gezogen und mussten die schwer passierbaren lehmigen Berge, mit großen viereckig gehauenen Steinen belegen, damit die Fahrzeuge und Geschütze nachgezogen werden konnten. Auf wunderbaren, von finsteren Tannen bestandenen Waldwegen geht es nun bergrunter zum Roten Fließ, das einzig bezaubernd angelegt und wie eine Märchenlandschaft anmutet. Die Stille der Natur wird von dem durch einen kleinen künstlich hergestellten Wasserfall betriebenen Hammerwerk unterbrochen, das der uns allen sehr gut bekannte Willi Vogel vom Landratsamt aus eigener Initiative hergestellt und aufgestellt hat und das bei Groß und Klein allgemeine Bewunderung findet.
Nachdem wir nun hier die Allmacht der Natur so recht in uns aufgenommen haben, wandern wir gemütlichen Schrittes zum Bürgersee weiter, wo ein lebhafter Badebetrieb herrscht und alles, was nicht wasserscheu ist, sich im Wasser tummelt. Von hier aus begeben wir uns wieder auf schönen Waldwegen zur Waldschänke zurück, um allmählich die 5 Kilometer entfernte Stadt Zielenzig im Postumtal zu erreichen.
Kartenausschnitte:
Topogr. Übersichtskarte des Deutschen Reiches. 91. Frankfurt. Hrsg. V. d. Kartogr. Abt. d. Kgl. Preuß. Landesaufnahme 1901. Maßstab 1:200000
Deutsche Karte 1:50000, 297 Zielenzig, Reichsamt f. Landesaufnahme 1938
(wird fortgesetzt)