Heimatglocken leise klingen* – I.
Begleiten Sie uns mit auf einer Fahrt in die alte Heimat, so wie sie in den Vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts ausgesehen hat. Wir bekommen einen guten Überblick über unsere Heimat „damals“. Manch vergessene Namen, Charaktere und Orte steigen wieder in unsere Erinnerung und lassen ein Stück des damaligen Lebensgefühls wiedererstehen. Wir starten mit diesem Bericht vor Reppen und werden in Fortsetzungen, in den folgenden Heften, unseren Kreis Oststernberg durchstreifen. Unsere Reiseführer sind u.a. Arthur Ohm, Gotthilf Deutschmann, Georg Krause, Otto Janthor, Johannes Stanicke…
Gleich am Ausgang von Reppen lassen wir rechts die Straße nach Reichenwalde und ein wenig weiter links, die nach Friedrichswille und Eilanghof liegen und fahren in Richtung Sternberg weiter. Rechter Hand liegt tief der Kreuzsee, dann hört auf dieser Seite beim Chaussee-Haus, wo auch der Weg nach Wildenhagen abgeht, der Wald auf. Links liegt hinter den Höhen versteckt das Dorf Tornow mit dem der Familie Hellenschmidt gehörigem Gut.
Vor uns taucht das Dorf Bottschow auf, wir sehen rechts das Schloß der Familie von Bonin, davor die Gutsgärtnerei, seit Jahren geleitet von Meister Zickert. Langsam fahren wir durch das saubere Dorf, links und rechts ansehnliche Bauernhöfe, deren Besitzer die Familien Thiele, Steinicke, Zimmermann, Jocksch, Schöfisch, Seelig und Burde, nur um einige zu nennen, sind; ihnen allen ging es eigentlich immer recht gut.
Am Dorfausgang biegen wir rechts in die Straße nach Görbitsch ein und werfen noch einen Blick hinab zum Bottschower See. Dann fahren wir auf einem z.T. schlechten Feldweg weiter, der uns aber durch den Anblick der schönen Landschaft reichlich entschädigt. Rechts haben wir ein wenig Wald, dann steigt der Weg stark an. Als wir aber oben sind, grüßt uns links der Krumme See, der sich bis Görbitsch hinzieht. Vor uns, auf der Seite Wasser und auf der anderen fruchtbare Felder. Dann Görbitsch mit seinen immer fröhlichen und jederzeit gastfreien Einwohnern. Linksseitig zieht sich das von Resselmannsche Gut mit seinen hübschen, in blumenreichen Gartenanlagen liegendem Herrenhaus hin. Wir biegen jetzt rechts ein, halten und kehren bei unserem Freunde Fechner im „Gasthaus am See“ ein. Hier gefrühstückt, und zwar tüchtig und mit großem Appetit, denn wir wollen zu Fuß um den Großen See herum und durch den Buchenwald nach Sternberg wandern. Unsern Bus schicken wir über Bottschow nach dort voraus. Treffpunkt: „Reichsgarten“.
Hier in Görbitsch waren wir immer gern, ob zur Fastnacht- oder Kirmesfeier, zum Erntefest oder zum Scheibenschießen; immer war es urgemütlich. Nach dem guten Frühstück und dem Abschied geht es weiter. Am Ortsausgang biegen wir rechts ab und sind auch gleich am Großen See, wo uns der herrliche Wald aufnimmt. Der Weg führt uns unmittelbar am Wasser entlang. Es herrscht eine wohltuende Ruhe, in der Wildenten, Bless- und Wasserhühner sich auf dem Spiegel des Sees tummeln und die Enten bei unserer Annäherung auffliegen und abstreichen. Immer am See entlang kommen wir nun in den Görbitscher Buchenwald.Tief beeindruckt von der herrlichen Gottesnatur wandern wir still weiter; nur ein Flug Eichelhäher begleitet uns schimpfend.
Den Großen See und den anschließenden Pinnower See haben wir verlassen und stehen jetzt am „Karschen See“, sind also auf Sternberger Gebiet und im Fürstl. Hohenzollernschen Forstamt Sternberg. Hier treffen wir schon alte Sternberger Bekannte, Fischermeister Karl Fabig ist fleißig bei der Arbeit.
Ein wunderschöner Uferweg führt uns nun zum stillen „Wilken- See“. Dann halten wir uns rechts, um zum „Seechen-See“ zu gelangen. Oft bleiben wir still stehen und beobachten das
zu den Wiesen wechselnde Rehwild, bis es doch schließlich Wind bekommt und flüchtig wird.
„Petri-Heil” rufen wir unserm alten Freund Franz Witzke zu, der vom Kahn aus angelt und mächtige Dampfwolken in die Luft pafft. Hinter uns liegt die Försterei Neidenburg, deren frühere Inhaber wir gedenken. Die Revierförster Mäder, den schon der grüne Rasen im märkischen Sande deckt, und Westphal, der in die pommerschen Wälder versetzt ist, sind aus der Sternberger Bevölkerung gar nicht wegzudenken. Wir senden auch ihnen unsere Heimatgrüße. Weiter geht es, wir erreichen die Straße Sternberg–Crossen und wenden uns in Richtung Sternberg, kreuzen am Silberberg die Posener Bahn und sehen vor uns im Tal das Städtchen Sternberg liegen, links der Straße das Frankfurter Ferienheim, rechts auf der anderen Seite ziehen sich die Hasenberge und der Sternberger Stadtwald hin.
Reichlich ermüdet und hungrig kommen wir in der Crossener Straße, der sogenannten „Paddengasse“, an. Links grüßt uns unser schöner Eilangsee, dann sind wir auch schon auf dem Rossmarkt, und rechts liegt, unser Ziel, der Reichsgarten. Wir schütteln unserm lieben Wirt, Hermann Köckert, die Hand, Tante Hedwig hat das Essen fertig und so lassen wir uns nach dieser herrlichen Wanderung die gute Mahlzeit munden.
Nach dem Essen und der längeren Pause ist unser Bus wieder bereit. Bevor wir einsteigen, werfen wir noch einen Blick über den Markt zur Apotheke, sehen davor die beiden alten schönen Linden und grüßen den allzeit beliebten Herrn Follenius, der uns aus dem bekannten Fenster dankend zurückwinkt. Beim Durchfahren der Hohenzollernstraße betrachten wir das Rathaus und gedenken des früheren alten Bürgermeisters Schmolling und des jetzigen Fritz Klause. Gegenüber ist das frühere Gruhnsche Haus im neuen Glanz erstanden und jetzt Wohnung und Praxis des praktischen Arztes Dr. Clemens, der stets hilfsbereit und beliebt in Stadt und Land ist.
Weiter geht unsere Fahrt nach Koritten durch die Schwiebuser Straße. Geruhsam aus seinem Fenster schauend begrüßen wir den ,,groben Gottlieb“ und denken an manche bei ihm verlebte, vergnügte Stunde. Vor seinem winzigen Häuschen sitzt auf der Bank der Pedenschuster und schmaucht aus seiner mächtig langen Pfeife. Dann sind wir auch schon beim Bauer Paul Neumann; Sternberg liegt hinter uns. Weit links, abseits der Reichsstraße, liegen die Dörfer Kemnath, Grabow und Wallwitz. Wir kommen vorbei am Zillmannshof und Kreuzlauch, wieder eine kleine Steigung und der Kirchturm von Koritten grüßt uns. Links und rechts der Straße in dem Dörfchen die Bauernhöfe der Familien Ullrich, Henschke, Mauske, König usw., sie waren gute Landwirte, die Korittener. Bei der Försterei Dickte durchfahren wir wieder ein wenig Wald.
Wir sind mit unserm Bus an die Straßen gebunden, möchten aber doch die herrliche Wanderungsmöglichkeit von Dickte über Kalkofen durch die Wälder und entlang des Malz-See, des Großen- und Kleinen-Manns-See, des Simmener-, Werder- und Beß-See nach dem Dorfe Tauerzig erwähnen, an die jeder Naturfreund noch heute denkt. –
Jetzt fällt die Straße und wir fahren hinunter nach Spiegelberg. Rechts bleibt die „Försterei Teufelsvorwerk“ liegen, auf der gleichen Seite das Dorf Spiegelberg und etwas abseits auch das Gut, ehemals Besitz der Familie von Zobeltitz, aus der auch der bekannte Schriftsteller „Fedor von Zobeltitz“ hervorgegangen ist. Links liegt der schon von Weitem zu sehende „Hohe Spiegelberg“. Weiter fahren wir durch den märkischen Wald und sind nach kurzer Zeit an der „Grunower Mühle“. Nach kurzer Einkehr in der Gastwirtschaft – sie wurde früher von einem Original namens B. betrieben – schicken wir unsern Bus nach Lagow voraus und wandern durch die herrlichen Bestände des Forstamtes Lagow, vorbei an der Försterei Grunow – hier, wie die Inhaber aller Förstereien, die wir auf unserer Heimatfahrt berühren und die in der Zeit der kommenden großen Not hervorragende Menschen waren, gilt ihnen und ihren Familien unser besonderer Gruß – bis wir die Spitze des Lagower Sees erreicht haben. Durch herrliche Waldbestände und immer am Ufer des Sees entlang, gelangen wir nach einer wunderschönen Wanderung in das liebe Heimatstädtchen Lagow, das uns mit seinen alten Toren und der aus Johanniterzeit bestehenden Burg empfängt und zu längerem Verweilen einlädt.
Dieser Tag war so reich an Eindrücken, dankbar und zufrieden gehen wir durch das stille Städtchen und kehren im „Gasthaus zur Linde“ ein, denn hier erwartet uns unser alter, guter Freund Theodor Heisuck, der bei sich und in allen Lagower Gaststätten Quartier für uns alle gemacht hat. Da zur Gastwirtschaft auch eine Fleischerei gehört, kann es uns wirklich nicht schlecht ergehen.
* Nachdruck aus „Sternberger Kurier – Heimatzeitung für das Sternberger Land – Mitteilungsblatt für die Einwohner der Kreise Ost- und Weststernberg“ ab Januar 1952 (Frakturscan: German Dataservice, Bad Salzdetfurth), hinzugefügte Kartenausschnitte (mit Gebrauchsspuren): Einheitsblatt Nr. 66 (Frankfurta.d.O. – Kuestrin – Landsberg a.d.W. – Zielenzig, Reichsamt f. Landesaufnahme, Berlin 1931). Zusammenstellung: Habermann
(wird fortgesetzt)