Eine Frühlingswanderung durch die Umgebung von Kriescht
(Autor unbekannt*)
Wie oft sind wir in der Frühlingszeit durch unsere Heimat gewandert. Und noch öfter schwangen wir uns aufs Stahlross, denn der Warthebrücher lernt bekanntlich eher das Radfahren als das Laufen, und los gings. Heute können wir nur eine Erinnerungsfahrt in die idyllische Umgebung unseres Dörfchens unternehmen. Wald und Wiesen, Fluss und Grabenränder haben wohl auch in diesem Jahre, wie in jedem Frühling seit wir fern der Heimat sein müssen, ihren schönen Schmuck angelegt. Folgt mir in Gedanken mit auf meine Frühlingsfahrt! Wenn wir früher von den Lasten und Mühen des Tages am Feierabend auch noch so abgespannt waren, der nahe Wald in seinem zarten frischen Grün lockte zu sehr. Zunächst ging es die Zielenziger Straße entlang.
Linker Hand lag die Schneidemühle von Meier, und vorbei ging es an der schmucken Badeanstalt, auf die wir Krieschter stolz sein konnten. Es folgte die alte, weithin bekannte Mittelmühle von Zimmer. Kurz bevor man den Mittelbusch erreichte, musste man aber noch an der Abdeckerei Müller vorbei. Für die wenig angenehme Luft, die dort meist von den Spaziergängern schon von Weitem entgegenströmte, wurde man aber entschädigt, sobald man den Mittelbusch betrat. Der Waldboden war blau und weiß von Leberblümchen und Anemonen. Von der Fülle, die die Natur spendete, nahm wohl jeder einen Strauß mit heim. Meist bog man bald wieder nach links ab zur Försterei Nesselkappe, denn ein kühler Trunk bei dem beliebten Revierförster Gurt gehörte mit zum Programm. Nach kurzer Rast ging es weiter an der Postum entlang, Zielenziger Lehmbahn genannt. Hier lag im Walde die Obermühle, deren Schönheit manch stillen Bewunderer hatte. Der Besitzer hieß Schobert, der letzte Pächter war Vater Zanke.
Jetzt stieg der Weg zu den Mühlenbergen empor. Welch ein schöner Anblick bot sich hier dem Wanderer, wenn er auf die Kruschel-Mühle im Tale blickte und das Klappern der Räder. Unwillkürlich kam einem da das Lied „Im einem kühlen Grunde“ in den Sinn, das Lied, das so recht geschaffen ist, Erinnerungen zu wecken. Aber damals waren wir jung und wussten wenig über Not und Leid. Und da ganz in der nähe Schützenbruder A. Brauchrowitz stets einen guten Tropfen bereit hielt, soll es vorgekommen sein, dass mancher mehr als nur den Durst löschte und vergnügt, aber etwas unsicher wieder auf sein Stahlross stieg oder fröhlich singend bei Mondschein heimwanderte. Glücklicherweise war es nicht mehr weit bis ins Dörfchen. Vorbei an der Schneidemühle vom Bachmann und Harfund links der ältesten Mahl- und Ölmühle von Lessel ging es bis zur Kreuzung Bruch- und Sonnenburger Straße. Hier wurde in Reimanns Lokal ein Abschiedsschoppen genommen, vorausgesetzt, dass es der Geldbeutel noch erlaubte.
* Aus Hans Steinborn: Kriescht, Eigenverlag. Mit Erlaubnis von Heimatfreundin Irene Steinborn. Kartenausschnitt: Deutsche Karte 272, Reichsamt f. Landesaufnahme, 1939. Anm. H. Habermann