Das Pfarrerehepaar Berendts in Schermeisel
1937–1945
Otto Berendts war evangelischer Pfarrer in den Dörfern Schermeisel und Grochow von 1937 bis 1945. Von der Bekennenden Kirche (BK) war er als Hilfsprediger in diese Orte gesandt. Die Bekennende Kirche wurde im Unterschied zur offiziellen Evangelischen Kirche mit dem Konsistorium in Berlin nicht von den Deutschen Christen bestimmt, sondern sie hielt sich unabhängig von nationalsozialistischen Einflüssen. Nachdem er 1938 sein 2. theologisches Examen bei der Bekennenden Kirche abgelegt hatte, heiratete er im Juli desselben Jahres Maria Vetter. Sie hatte er während seines Studiums in Berlin kennen gelernt. Sie hatte auch Theologie studiert und bereits im Jahr 1931 ihr 1. theologisches Examen abgelegt. So konnten beide nun, er als Pfarrer und sie als Pfarrfrau, ihre Arbeit in der Gemeinde voller Elan aufnehmen.
Schwierig war die Situation in mehrfacher Hinsicht. Die offizielle Kirchenleitung war dagegen, dass Otto Berendts in die Pfarrstelle nach Schermeisel kam. Und ein Teil der Mitglieder des Gemeindekirchenrates von Schermeisel und Grochow, welche überzeugte Mitglieder der NSDAP waren, z.B. die Lehrer von Schermeisel und von Grochow, Fiedler und Seiffert, lehnten Otto Berendts als Pfarrer ab. Aber die Mehrheit des Gemeindekirchenrates – 8 dafür und 7 dagegen – stimmte für ihn.
Die Bekennende Kirche konnte nur ein kleines Gehalt zahlen, so daß man sich sehr schränken musste. Das ging aber, weil Gemeindeglieder den Pfarrer mit den Produkten versorgten, die sie auf ihren Höfen erwirtschafteten.
Schwierig war die Lage auch, weil die jüdischen Menschen in der Gemeinde in zunehmenden Maße diskriminiert wurden: Sie wurden z.T. ins Gefängnis gebracht und dann deportiert. 1938 brannte auch die Synagoge in Schermeisel. Der Brand konnte jedoch gelöscht werden. Die Pfarrersleute konnten nicht offiziell dagegen Stellung nehmen. Sie konnten nur durch Besuche versuchen, Nöte zu lindern.
Bereits 1939 wurde Pfarrer Berendts zum Militärdienst eingezogen. Deshalb hielt er nur noch selten in seinen Pfarrorten Gottesdienste. Vertreten musste ihn bis 1945 seine Frau ohne kirchlichen Auftrag, ehrenamtlich. Es war nicht leicht, all die pfarramtlichen Dienste wahrzunehmen, Unterricht zu geben, Beerdigungen und Gottesdienste zu halten, Gemeindeveranstaltungen durchzuführen und Seelsorgebesuche zu machen neben der Betreuung des Sohnes Hasso, der 1940 geboren wurde. Als große Hilfe erwies sich die Mitarbeit von Frau Beer, der Frau des Sattlermeisters, oder der Rat des Postboten Driesener, oder die offenen Gespräche mit Frau Berliner, die mit einem Juden verheiratet war, einem Bruder des Gutbesitzers Berliner. Die pfarramtliche Geschäftsführung übernahmen vertretungsweise die Pfarrer von Groß-Kirschbaum und von Tempel.
Von seiner Dienststelle in Berlin aus in der Bendlerstraße hatte Pfarrer Berendts von Zeit zu Zeit offiziell oder inoffiziell die Möglichkeit, nach Schermeisel zu kommen per Bahn oder per Fahrrad, um seine Frau zu unterstützen. Und so war es ihm auch geglückt, im letzten Augenblick Ende Januar 1945 seine Frau und den Sohn nach Berlin zu holen und beide weiter nach Norddeutschland zu schicken. Er selbst ist mit der Evakuierung seiner Dienststelle nach dem Westen verlegt worden und in amerikanische Gefangenschaft geraten. Nach 1945 haben sich um das Ehepaar Berendts wieder die Flüchtlinge aus Schermeisel und Grochow in Berlin Marzahn gesammelt, wo Pfarrer Berendts eine neue Pfarrstelle übernommen hatte. Es gibt Zeugnisse darüber, dass junge Menschen, die von den Russen verschleppt und misshandelt worden waren, Kraft zum Weiterleben geschöpft haben aus dem, was sie im kirchlichen Unterricht bei Frau Berendts gelernt hatten.
Frau Maria Berendts ist 1971 gestorben. Pfarrer Berendts heiratete 1973 in 2. Ehe die Theologin Elma Waupke. Sie wohnten in Detmold, wo er im vorigen Jahr achtundneunzigjährig starb.
H.-D. Winkler