Die Kornblume
Die Kornblume führt ihren Namen mit Recht; denn sie ist zu Hause im Kornfeld. Hie und da findest du sie auch auf einem Wegrand oder auf einem Anger; aber am liebsten steht sie zwischen den Halmen. Den ganzen Sommer hindurch hält sie Gemeinschaft mit dem Getreide. Mit dem Saatkorn zusammen wirft der Landmann ihren Samen in den Acker, mit der Saat zusammen wächst sie auf und blüht. Zugleich mit dem reifen Korn wird sie gemäht und in die Scheune gebracht. So kommen ihre Samenkörnlein unter das Saatgut und im andern Frühjahr wieder in den Boden hinein, obgleich niemand um sie besorgt ist und sich Mühe darum gibt, sie zu säen oder zu pflanzen. Der Bauer schilt die Kornblume ein lästiges Unkraut; aber des Wanderers Augen erfreuen sich an ihr, wenn ihr liebliches Blau mit dem Purpurrot des Mohnes zusammen das Ährenfeld ziert. Ist dem Landmann sonst nicht viel an ihr gelegen, so flicht er sie doch gern in den Erntekranz hinein, dem sie einen heitern Schmuck verleiht. Pflücke eine Kornblume und schaue sie genau an! Mit Staunen wirst du gewahren, welch ein kunstreiches Gebilde du in Händen hast. Was als einfache Blume erscheint, ist zusammengesetzt aus zahlreichen Blüten, die sehr geschickt in einem zierlichen Körbchen geordnet und aufgestellt sind. In der Mitte stehen kleine Blüten von dunkler Farbe; um diese herum zieht sich ein Kranz aus größeren Blüten, die schön himmelblau gefärbt sind. Diese aber sind fein ausgezackt, so sauber und zierlich, als wäre es behutsam mit einer kleinen Schere gemacht. So ist jede Blume ein Meisterwerk. Schöne Kränze lassen sich aus Kornblumen winden, ohne daß man dazu einen Faden braucht. Mit ihren eigenen Stielen schlingt man sie umeinander. Wer aber Kornblumen bricht, soll sich davor hüten, daß er die Saat zertritt. Es wachsen ihrer genug am Rande, die man mit den Händen erlangen kann, ohne daß man in das Feld hineinzusteigen braucht.