Gruß an die Heimatfreunde
Das geschah vor 70 Jahren:
Unter dem frisch vom nahen Walde ins alte Forsthaus geholten Weihnachtsbaum feierten wir das Weihnachtsfest. Traditionsgemäß sollte der Baum für uns Kinder noch bis Ende Januar stehen bleiben. Ende Januar waren plötzlich „die Russen da“. Wir wurden in den Wald getrieben. Von einer Anhöhe sahen wir abends die aus dem alten Forsthaus und den neuen Wirtschaftsgebäuden lodernden Flammen. Es war schon nachts, als wir Unterschlupf im nächsten Ort fanden. Im Juni 1945 dann wurden wir durch polnische Miliz ausgewiesen. Unsere Mutter brachte die Großeltern und uns auf abenteuerlichen Wegen zum 1. September nach Berlin. Eine aus heutiger Sicht, täglich ohne sicheres Quartier und ohne Aussicht auf Verpflegung weiterzuziehen, unvorstellbare Leistung. (1) In dieser Ausgabe unseres Heimatbriefes zeichnen Rosemarie Borchardt (Pankow) und Helmut Munkow mit ihren Erlebnissen ein sehr persönliches Abbild dieser Zeit. Auch die Beiträge von Jacek Cieluch und Rudolf Egbert Nultsch beziehen sich auf die Zeit vor 70 Jahren. Nur Wahrheit schafft Vertrauen wenn wir, Deutsche und Polen, uns im europäischen Haus mit gegenseitigem Respekt begegnen wollen.
Nach 28 Jahren, 1973, habe ich die Heimat zum ersten Mal wiedergesehen – und die altvertrauten Wege und Plätze wiederentdeckt, als seien wir erst gestern weggegangen.
Jetzt sind wir mit Polen in der Europäischen Gemeinschaft, haben freundschaftliche Bindungen aufgebaut, können die Heimat beliebig und oft besuchen und unser Heimatbild mit vielen Einzelheiten, Erzählungen von „damals“ richtig einordnen. Wir haben hier eine reiche historische Entwicklung zu hinterlassen und den jetzt im Sternberger Land Lebenden zum Bewahren anzuvertrauen. Dabei ist das gar keine „blutleere“ Geschichte, im Gegenteil treten da verblüffende Verbindungen zu unserer jüngsten Vergangenheit zutage: Uns ist in der Heimatliteratur sicher schon einmal der Ausspruch „leben Sie wohl, Honig“ begegnet. Dies hat der Kreisgerichtsdirektor Tannen aus Zielenzig am1. Mai 1843 mitfühlend auf der Randheide Johann Friedrich Wilhelm Honig zugerufen bevor dieser durch Scharfrichter Gast aus Fürstenberg (Eisenhüttenstadt) „vom Leben zum Tode befördert wurde“.(2)
Einen Kilometer Richtung Kriescht ist dieser Platz von der jetzigen Hotelanlage „Kormoran“ entfernt. Ein Schild erläutert heute dort polnisch/deutsch das Schicksal dieses Honig. Darüber werde ich im nächsten Heimatbrief berichten, auch dass der nebenberufliche Scharfrichter Gast im Hauptberuf Orgelbauer in der dritten Generation war und uns diese Familie in Friedland, der jetzigen Partnerstadt von Sulecin eine der bedeutendsten historischen Orgeln im Lande Brandenburg hinterlassen hat.
Tannen war Abgeordneter des Landes Sternberg in der Deutschen Nationalversammlung. Er hat 1849 die „Paulskirchenverfassung“ mit verabschiedet. Mit den Grundrechten waren erstmalig in der deutschen Geschichte die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers formuliert und in der Verfassung verankert. Diese gingen in alle folgenden Verfassungen ein. Unser Grundgesetz basiert auf dem 1848/49 ausgearbeiteten Verfassungswerk.
Das Streben nach diesen Grundrechten hat letztlich zum Mauerfall, zur Deutschen Einheit und zur Europäischen Union geführt.
Am 3. Oktober 2015 begehen wir den 25. Jahrestag der Deutschen Einheit. Wir Sternberger haben allen Grund, dankbar an diesem Tag unseres Zielenzigers Edmund Heinrich Wilhelm Tannen zu gedenken der vor 150 Jahren, 1864, in Zielenzig verstarb.
Alle guten Wünsche für das Weihnachtsfest und viel Glück und Gesundheit im neuen Jahr 2015
Ihr Heinz Habermann
Wichtige Nachsätze:
Besonders herzlich gratuliere ich unseren Vorstandsmitgliedern zum Geburtstag: Dipl.-Ing. Otto-Karl Barsch (Schatzmeister) zum 90. Geburtstag am 28.12.2014 und Pfarrer Hans-Dieter Winkler (Geschäftsführer u. Stellv. Vorsitzender zum 80. Geburftstag am 12.12.2014) und wünsche Gesundheit und Wohlergehen für die Zukunft.
Herr Winkler verlässt den Vorstand zum Jahresende. Ich danke Pfarrer Winkler für sein besonderes Engagement für den Heimatkreis. Er wird aber mit uns die Heimatreise 2015 wieder organisieren.
Herr Michael Praetsch hat sich bereiterklärt bis zum Juni weiterzumachen: Vielen Dank dafür.
Ganz besonderen Dank sage ich unseren Beiträge liefernden Heimatfreunden und natürlich unseren Spendern. Unserer besonders hochherzigen Spenderin, Frau Annemarie Traube, sage ich im Namen des Heimatkreises herzlich: Danke!
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(1) Katharina von Bülow, 1945 im Herrenhaus Herzogswalde, jetzt in Paris lebend, hat in ihrer berührenden Erzählung „Herrenhaus“, am Beispiel der eigenen Mutter, auch dieser Leistung ein literarisches Denkmal gesetzt (Katharina von Bülow, „Herrenhaus – Splitter einer fernen Heimat“ – 2. Aufl. 2006, Verlag am Park, 10179 Berlin, ISBN 3 – 932180 – 04 – 6)
(2) Beim Stöbern in zeitgenössischen Amtsblättern erfahren wir mehr über den 1803 geborenenTannen. Seine ganze richterliche Karriere vom Assessor zum Stadt-und Landrichter. Tannen war 1843, bei der Urteilsverkündung, Königlicher Justizrat und erst ab 1. April 1849 der erste Kreisgerichtsdirektor des Sternberger Kreises