Damals wars – Das Sternberger Land
In den Fortsetzungsberichten „Heimatglocken…“ sind wir eingetaucht in die Zeit um das Jahr 1938. Wir wurden von unseren Reiseführern zu Fuß und mit dem Autobus durch unser Sternberger Land geführt. Auf vielen Wegen sind wir ihnen von Reppen über Sternberg, Lagow, Schermeisel, Zielenzig, Königswalde bis Kriescht gefolgt. Sie haben uns mit vielen Menschen, Orten und Geschehnissen jener Zeit vertraut gemacht.
„Damals wars“ – Nun wollen wir hören wie das Antlitz unseres Sternberger Landes sich heute darbietet. Unsere Reisegruppe ist diesmal mit Fahrrädern unterwegs. Achtung: Der märkische Mahlsand ist weit verbreitet. Anzuraten sind daher Ballonreifen auf den Felgen, was allerdings auch schon 1938 unseren radelnden Oststernbergern bekannt war.
Fangen wir also an.
Stellen wir erst unsere Reiseteilnehmer vor:
Die Radler: Heidi, Steffi, Klaus-Dieter, Heinz, Monika und Peter, Inka, Helmut, Ingeborg, Reinhard und Irene. Von ihnen sind Heinz, Reinhard und Irene Oststernberger.
Wolfgang stellt sich und sein Auto für den Gepäcktransport zur Verfügung. Für die tägliche kleine „Dolmetscherei“, steht uns Inka tatkräftig zur Verfügung. Helga und Wolfgang sind so geschickt, dass uns die sonst verschlossenen Kirchen, bei jeweiliger Ankunft der Radler, offenstehen. 1
Die Reise, über die es zu berichten gilt, fand vom 10.–17. Juni 2014 statt. Wir haben etwa 315 km mit dem Rad auf Landstraßen, Feld- und Waldwegen zurückgelegt.
Am Treffpunkt, Berlin-Ostbahnhof wurde das Gepäck ins Auto von Wolfgang verfrachtet. Ihn und Helga bekamen wir erst wieder in Sternberg zu Gesicht. Die Radler gelangten mit der Regionalbahn bis Frankfurt/Oder und dann mit der PKP über den Umstiegspunkt Reppen nach Sternberg. Überraschend begrüßte uns bereits Jörg Lüderitz auf dem Bahnhof in Frankfurt/Oder und gab Tipps für die weitere Fahrt bis zu unserem ersten Ziel Sternberg.
Dienstag, 10. Juni 2014, Pfingstdienstag:
Der Tag bleibt sonnig und heiter bei 18/32 °C. Am Bahnhof Sternberg begrüßen uns Helga und Wolfgang. Gemeinsam gehts die Schwiebuser Straße entlang zur Stärkung ins Lokal Chrobry. So fürchterlich die unübersehbare Burg an der Kreuzung nach Zielenzig aussieht: Die Speisen werden schnell und ordentlich zubereitet und freundlich serviert, schmecken vorzüglich und sind preiswert.
Nach kurzem Blick in die Schinkelkirche gehts zum „Kantor“ auf derselben Straßenseite zum Zloty eintauschen. Und weiter auf der Nationalstraße 138 über Malsow und Tauerzig mit den bemerkenswerten Kastanienreihen dann nach dem Kreuzen der alten Handelsstraße „Polackenstraße“ zur Ostrower Kunstmühle. Die Ostrower Kirche schließt ein freundlicher Anwohner auf.
18.00: 11 Teilnehmer beziehen ihre Quartiere im Kacper, an der Johanniterkirche (Nikolai-Kirche). Zwei, Klaus-Dieter und Heinz, wohnen im Hetman. Es folgt eine Stadtbegehung mit Heinz und Reinhard (1937 in Zielenzig geboren), wobei am Gedenkstein des vor 75 Jahren bei Neuruppin abgestürzten Erich Albrecht gedacht wird.
Mittwoch, 11. Juni:
Der Wetterbericht hält sein Versprechen: sonnig, heiter bei 19/31 °C, nachts Regen.
Um 9.00 starten die Radler mit den Zielen Königswalde und Gleißen
Nach Abstechern zur Herzogswalder achteckigen Kirche, dem unbewohnten aber bedachten Gutshaus weiter auf durchfurchten Straßen zur und durch die tiefklüftige Ankenschlucht („Zubrowski-Engpass“). Nach den Mühen des Abstiegs tut sich am westlichen Ufer des Ankensees ein Badeplatz mit Einstiegsleiter auf. Der See: menschenleer. Eine willkommene Erfrischungsstunde wird ausgiebig genutzt. An grüßenden Baumfällern vorbei geht die Fahrt am Ufer mit herrlichen Ausblicken entlang zur Verbindungsstraße Arensdorf Königswalde. Wir entscheiden, erst Arensdorf anzufahren. Für die Kirche ist keine Zeit mehr nachdem uns ein freundlicher Bewacher durchs Gestrüpp zum Schloß führt. Das hat einst der Schwiegersohn von Friedrich Bayer, Henry T. von Böttinger, neubarock umbauen lassen. 2
Dem Schloss steht eine Renovierung als Hotel bevor.
Das Gut mit seinen rot schimmernden Ziegelgebäuden steht verlassen da; dominiert vom Schornstein der Brennerei. Weiter nach Königswalde. Das Mittagessen im Restaurant Xenia, am Marktplatz schmeckt. Zwischendurch wird in der Oberförsterei die Jahresmiete für die Gedenksteine in den Forsten (Rauden, Neudorf, Beatenwalde) bezahlt. Ein Abstecher über die Brücke zum Schloss mit Park am Lübbenssee zeigt das Schloss weiterhin im Umbauzustand.
Weiter auf Str. 136 nach Gleißen, mit Kirche, Gutshaus mit Park und Ruinenberg.
Wegen drohender Gewitterwolken wird auf die Weiterfahrt nach Schermeisel verzichtet. Über Bahnhof Wandern und die Str. 136 und 137 gehts nach Zielenzig.
Donnerstag, 12.06.:
Es ist sonnig/heiter bei 15/26 °C, nachmittags Gewitter.
Heute ist ein Treffen mit dem stellvertretenden Bürgermeister von Kriescht, Stanislaw Nazwalski angesagt. Um 9.00 Uhr Abfahrt nach Beatenwalde. Wir nehmen die längere Strecke über Rauden, Neudorf, dann die stark befahrene Nationalstraße 22 (Küstrin–Posen) überquerend fahren wir in Richtung Költschen. Vor Dammbusch biegen wir links ab und schon sind wir in Beatenwalde. Neben dem Restaurant „U Anki“ sind nur noch ein paar Gebäude, darunter das ehemalige Grundstück des Bürgermeisters Adam.
Pünktlich um 12.00 Uhr trifft Stanislaw Nazwalski aus Kriescht ein, begleitet von Mitarbeiterin Frau Anna und Dolmetscher Karol Bujny. Nach dem Mittagessen werden gemeinsam die vom Bürgermeister mitgebrachten Blumen am deutsch-polnischen Gedenkstein auf dem ehem. Waldfriedhof von Beatenwalde niedergelegt.
Um 14.30 geht die Fahrt weiter nach Sonnenburg über Beaulieu, wo am Beispiel der üppigen Restaurierung des ehemaligen Jende-Grundstücks, die offensichtliche Wiedergeburt eines Ortes erstaunt. Sankt Johannes wird durcheilt dann in Kriescht in die Bruchstraße Richtung Louisa und Fichtwerder eingebogen. Ab der „Weißen Brücke“ fahren wir auf Platten- und Schotterwegen entlang des Postumkanalweges mit der Sonne im Gesicht über Alt Limmritz weiter nach Sonnenburg. Peter, aus Küstrin kommend, stößt erst heute zu uns. Die Führung in der Johanniterkirche übernimmt Heinz. Der Baubeginn war 1474 unter dem Herrenmeister Richard von der Schulenburg. Besonders hingewiesen wird auf die Ausmalung des Netzgewölbes mit den Wappen der Herrenmeister des Johanniterordens, beginnend mit Friedrich von Alvensleben. Die äußere Schlossruine, im Erscheinungsbild ein Umbau von 1662/68 aus einem Wasserschloss des 14./16. Jh..
Für die Rückfahrt haben wir den Personen- und Fahrrad-transfer nach Zielenzig bestellt.
Gegen 19.00 Uhr sind wir in unseren Quartieren und treffen uns zum gemeinsamen Abendessen im Hetman an der alten Stadtmauer.
Freitag, 13.06.:
Die Wettervorhersage stimmt: leichter Regen bei 13/24 °C, nachmittags Sonnenschein.
Um 9.00 Uhr Fahrt nach Drossen in Weststernberg bei Wechsel von Regen und Sonnenschein über Breesen, Lieben mit Herrenhaus und Kirche aus dem erstem Drittel des19. Jh.. Weiter über Buchholz mit neugotischer Granitbaukirche und mit Wetterfahne von 1699 vom Turm der Vorgängerin.
Um 11.30 treffen wir in der baustellenübersäten Stadt ein und die Kirche ist geschlossen. Beim Mittagessen am Markt („Vittorio“) treffen wir den Pfarrer. Er verspricht die Kirche für uns zu öffnen. Dann Besichtigung der St. Jacobi-Kirche, die innen und außen von Bau- und Rettungsmaßnahmen gekennzeichnet ist. Es zeigen sich starke Rissbildungen des Mauerwerks an Turm- und Außenmauern. Es werden beidseitig, die letzten drei Joche zu den Seitenschiffen mit geschichteten Eisenbahnholzschwellen abgefangen. Die Kirche wird aber genutzt.
Anschließend Fahrt nach Radach. Hier interessiert uns die Wirkungsstätte von Hans Fallada als Gutsverwalter im Jahre 1923. Seine Erfahrungen hier hat er in seinem Roman „Wolf unter Wölfen“ verarbeitet. Legendär auch die Verfilmung des „Deutschen Fernsehfunks“ (DFF) von 1964 mit Herbert Köfer als von Studmann, Wolfgang Langhoff als von Prackwitz und – welch ein Zufall – die aus Költschen stammende Eva-Maria Hagen (geb. Buchholz) als Sophie Kowalewski.
Wir finden die gepflegten Grabanlagen derer von Pappritz (nicht Prackwitz) im umzäunten Bereich vor der Fachwerkkirche. Ein neuer Gedenkstein für die hier 1861 geborene Frauenrechtlerin Anna Pappritz und der fast unversehrte Obelisk mit den Namen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs runden das Bild einer intakten deutsch-polnischen Beziehung dieses Ortes.
Wenige hundert Meter entfernt das 1802 erbaute und 1907 durchgreifend veränderte Gutshaus, heute ruinös ungenutzt. Zurück nach Drossen, hier war Fallada übrigens von November 1923 bis April 1924 in der Getreide- und Kartoffelhandlung Georg Kippferling angestellt. Um 18.00 Uhr bringt uns unser Fahrrad- und Personentransfer zurück ins Quartier nach Zielenzig.
Am Samstag, 14.06.:
ist der Quartierwechsel nach Lagow angesagt. Das Wetter soll sonnig/heiter bei 12/20 °C sein und nachmittags leichte Schauer bringen.
Um 9.30 haben wir einen „nichtkaputtbaren Reifen“ repariert und fahren los. In Tauerzig besichtigen wir das Kircheninnere, fahren weiter über Malsow und Grabow, wo uns ebenfalls freundliche Menschen die Kirche aufschließen, dann durch üppige Getreidefelder, die Raine übersät mit Kornblumen und den leuchtenden Blüten vom Klatschmohn nach Wallnitz. Hier entscheiden wir uns dem Jakobsweg über Kalkofen am Malzsee nach Lagow zu folgen. Dieser Jakobsweg entpuppt sich aber als schwierige Wegstrecke. Das ehemalige Forstgrundstück Kalkofen liegt an der Grenze zum Truppenübungsplatz Wandern. Freundliche Menschen grüßen herüber. Sie bauen wohl die Häuseranlage zu einer Einkehrstelle am Jakobsweg aus. Dann sind wir plötzlich an der Verbindungsstraße von Spiegelberg nach Lagow. Kurz darauf rollen wir in Lagow ein. Es ist jetzt 13.30 Uhr.
Anmeldung beim Chef des „Lesnik“ Fiedukowicz und Zimmerbezug.
Um 16.00 Uhr beginnen wir unsere Ortsbegehung. Zuerst in die Kirche. Der junge Pfarrer erlaubt uns einen Blick in die Sakristei. Dort finden wir auch den „Leichenstein“ des spukenden Ritters (s. HB 1/2014 S. 24 „Lagow: Spuk auf der Burg“). Dann eine Turmbesteigung und Besuch des deutschen Friedhofs mit Gedenkstein auf bewaldeter Anhöhe. Auch das Denkmal für den Nobelpreisträger Domagk und der Viadukt werden besichtigt.
Um 18.00 Uhr nehmen wir das Abendessen gemeinsam mit einem Berliner Chor ein. Herr Lüderitz betreut diesen Chor. Der Chor wird am Sonntag das Musikfest mitgestalten.
Sonntag, 15.06.:
Gutes Fahrwetter ist angesagt: heiter/wolkig bei 12/22 °C.
Um 9.00 Abfahrt mit dem Ziel Kloster Paradies. Wir besichtigen in Schönow die Kirche und entscheiden uns, weiter auch hier dem Jakobsweg zu folgen. Aber der kopfsteingepflasterte Feldweg nach Burschen rüttelt uns doch zu stark durch. Auch hier erfreut uns die in wohltuenden Wellen abwechslungsreiche Flur mit Blütenpracht und Vogelkonzert. Die schmucke Kirche ist ein seltener rechteckiger Blockholzbau von 1707/1711. An vielen Stellen finden wir Spuren der Lehnschulzenfamilie Vollmar. Wir erinnern uns auch an den hier beheimateten Max Leibner, dem das Sternberger Land viele Straßen zu verdanken hat. Auch hier wie in Radach wohl gepflegte Grabmale. Die funktionstüchtige Orgel ist opus 848 von Sauer. Weiter auf Jakobsweg mit gemischter Wegstrecke über Jordan zum Kloster Paradies. Nach kleinem Imbiss im Caritas-Café führt uns Thomas, Student des heutigen Pries-terseminars im 4. Semester der Diozäse Grünberg durch das ehemalige Kloster (Klosterkirche, Museum, Garten). Wir erfahren, dass die Besiedlung wahrscheinlich erst 1236 durch Mönche des Klosters Lehnin erfolgte.
Um 17.00 Fahrrad-Personentransfer nach Lagow.
Um 19.00 findet ein Musikfest mit Chören und BVG-Orchester aus Berlin auf der Bühne an der Burg statt.
Montag, 16.06:
ist der Besuch des Ostwalls „Oder-Warthe-Bogen“ in Pniewo bei Kalau/Kalawa angesagt. Es bleibt sonnig, nachts bei 6° /tags bei 25 °C.
Um 9.00 Fahrt in Richtung Kalau über Schönow, Langenpfuhl, Seeren, weiter über Burschen und Hochwalde (ehemaliger Landkreis Meseritz). Um unsere Rückenwirbel zu schonen haben wir beschlossen, diesen längeren Straßenweg zu nehmen, statt des gestrigen durchrüttelnden Jakobswegs zwischen Schönow und Burschen. Zwischen Langenpfuhl und Seeren passierts: Fahradpanne. Dank Reinhards Reparaturkünsten ist der Fehler schnell behoben. Ausgiebig besichtigen wir die propere Kirche von Hochwalde. Auch hier auf dem umgebenden Friedhof noch gepflege Reste deutscher Grabanlagen und ein Gedenkstein für die bis zum 25. Juni 1945 hier lebenden Bewohner des Dorfes Hochwalde. In Pniewo führt uns zur Freude aller der ehemalige Schuldirektor des Ortes ober- und unterirdisch durch die Befestigungsanlagen des Ostwalls der Werkgruppe Scharnhorst im Oder-Warthe-Bogen. Wir fahren denselben Weg nach Lagow zurück. Ab 20.00 Uhr haben wir im Burghof einen Tisch reserviert.
Dienstag, 17.06.:
Heute ist Rückfahrtstag, es ist heiter bis 22 °C.
Um 11.00 Abfahrt nach Topper. In der Autogaststätte an der Fernstrasse 2/E 30 gibts Mittagessen. Dann besichtigen wir in Spiegelberg Kirche (Ziegelfachwerk ca. 1765 ) und das Gutshaus ehemals derer von Zobeltitz. Vor der Abfaht vom Bahnhof Topper machen wir einen Abstecher zur Kirche. Und messen den Umfang einer uralten Eiche an der Grabstätten der Familienmitglieder von Manteuffel. Vom Gutshof wird die Dragonerwetterfahne (s. HB 1/2014 S. 15) gesucht und entdeckt. Die Fahrt nach Berlin führt uns wieder über Reppen und Frankfurt/Oder. Hier langen wir um 20.00 Uhr an.
Nachtrag: Ein Wermutstropfen
Beim Aufstieg aufs Fahrrad erleidet Inka einen Oberschenkel-Halsbruch. Wir verladen Inka ins Begleitfahrzeug. Helga und Wolfgang bringen Inka direkt ins Gertrauden-Krankenhaus Berlin. Hier erhält sie am Mittwochmittag ein neues Hüftgelenk. Nach sehr guter Heil- und Trainingsphase kann Inka das Krankenhaus am 28. Juni zur Reha in Bad Füssing verlassen.
Text: Heinz Habermann und Helmut Kliefoth
Fotos: Wolfgang Schulz und Heinz Habermann
1 Für die Vorbereitung der Reise ist vielen Helfern zu danken: Jörg Lüderitz, der wie kein anderer das Sternberger Land mit dem Fahrrad durchstreift und Bücher darüber verfasst hat, Agniezka Mazurczak, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Bürgermeister Zielenzig, sie hat für Quartier, Fahrradtransporter und zusammen mit Herrn Slonik (Touristik Sulecin) für die Mithilfe bei der Wahl unserer Radfahrrouten gesorgt.
2 v. B. war zur Zeit der Synthetisierung von „Aspirin“ Vorstand von Bayer/Elberfeld