Skwer dla kupca-filantropa?
(Ein Platz für einen menschenfreundlichen Kaufmann?)
Von Karl-Ludwig Vollmar
Im Januar d. J. startete die polnische Regionalzeitung „Gazeta Lubuska“ auf ihrer Internetseite für Meseritz und Umgebung eine nicht alltägliche Umfrage. Die Frage lautete: Soll der Platz um das Meseritzer Rathaus nach Johann Jacob Volmer, einem Deutschen, benannt werden? Ein ehemaliger Meseritzer machte mich auf das Vorhaben aufmerksam. Ab Ende Dezember 2012 konnten sich Meseritzer Internetnutzer in mehreren Artikeln über Johann Jacob Volmer informieren. Ich verfolgte gespannt die Veröffentlichungen auf dem Portal der „Gazeta Lubuska“, auf dem am 8. Februar das Endergebnis der Umfrage bekanntgegeben wurde:
627 Personen beteiligten sich an der Umfrage, davon waren 61,6 % dafür, 26 % dagegen, 7,3 % nicht interessiert und 5,3 % hatten keine Meinung dazu.
Wer war dieser Johann Jacob Volmer?
Jacob Volmer, der Ururgroßvater von Johann Jacob, stammt aus dem Sternberger Land. Er ist ein Sohn des Burschener Lehnschulzen Jacob Vollmar. Jacob lässt sich um 1650 in Meseritz nieder und begründet damit den Meseritzer Zweig der Familie, die ihren Namen nun aber Volmer schreibt. Er ist Tuchmacher, und auch seine Nachkommen betreiben in vier folgenden Generationen die Tuchmacherei oder den Handel mit Tuchen. Sein Urenkel Martin wird sogar Meseritzer Bürgermeister. Der bekannteste Meseritzer Volmer ist jedoch Martins Sohn, der o. g. Johann Jacob Volmer (*1752). Dieser betreibt einen Tuchgroßhandel und verkauft seine Ware vorwiegend an russische Kaufleute, die wiederum die Tuche auf Messen in China gegen Tee eintauschen. Meseritzer Tuche beherrschen bis ins 19. Jahrhundert den fernöstlichen Markt. Sie galten dort aber nur als echt, wenn die Ballen eine Bleikapsel mit der Bezeichnung „J. J. V. Meseritzkoje“ trugen.
In den Jahren 1798/99 baut sich J. J. Volmer ein repräsentatives Haus an der Ostseite des Marktes. Das Haus existiert nicht mehr. Die gesamte Ostbebauung des Platzes wird Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört, die Ruinen werden später abgeräumt. Die Meseritzer bezeichnen Volmers Haus bald als „Napoleonhaus“, weil Napoleon I. und sein Gefolge darin im November 1806 auf ihrem Zuge nach Warschau übernachteten. Beim gemeinsamen Abendessen verkauft der Hausherr dem französischen Kaiser 2.000 Ballen Tuch für Soldatenmäntel. Am nächsten Morgen kommt es bei der Abreise Napoleons beinahe zu einem schweren Zwischenfall. Vom nur 30 m entfernten Rathaus aus will der Meseritzer Steuerrat Sprengepiel den Korsen erschießen. Doch der Maurermeister Buttel, der Repressalien für seine von 10.000 Soldaten besetzte Stadt befürchtet, kann im letzten Augenblick das Attentat verhindern.
Der Vorschlag, den Meseritzer Markt nach dem Tuchgroßhändler zu benennen, hat wohl einen anderen Grund. Johann Jacob Volmer brachte es mit seinem Tuchhandel zu Reichtum, gewann aber auch hohes Ansehen in seiner Heimatstadt durch seinen Gemeinsinn und seine Großzügigkeit. Nach dem frühen Tod seiner beiden Kinder vermacht er in seinem Testament von 1825 und späteren Nachträgen dazu der Stadt und dem Dorf Pieske insgesamt 90.000 Reichstaler für wohltätige Zwecke. Dieses Vermächtnis wird nach seinem Tode im Jahre 1836 im „Amtsblatt der königlichen Regierung zu Posen“ (in deutscher und polnischer Sprache!!!) veröffentlicht.
Die Stadt ehrt ihren Mitbürger und großzügigen Spender mit einer „Volmerstr.“ und stiftet ein Portrait, das sich bis 1945 in der evangelischen Kirche am Markt befindet und heute im Meseritzer Heimatmuseum zu sehen ist.
Der Bürgermeister von Meseritz sagte zu dem Ergebnis der Umfrage, über die Benennung von Straßen und Plätzen entscheide das Stadtparlament, bisher läge aber noch kein offizieller Antrag vor. Somit bleibt die Verwirklichung dieses Vorschlages, den Schüler des Meseritzer Gymnasiums Nr. 2 schon vor 10 Jahren machten, im Rahmen der Maßnahmen zur Wiederbelebung des Stadtzentrums vorläufig offen. Doch selbst wenn dem Votum nicht entsprochen werden sollte, so ist allein das Vorhaben, die Bürger zu befragen, ob ein öffentlicher Platz in einer polnischen Stadt nach einem Deutsche benannt werden solle, als ein gutes Zeichen für das deutsch-polnischen Beziehungen zu werten. Es zeigt aber auch, dass sich die heutigen Bewohner von Meseritz für die Geschichte ihrer Stadt interessieren und deren deutsche Vergangenheit nicht ignorieren, sondern bewahren wollen.