Heimatreise
(vom 17.06. – 21.06.2013)
In diesem Jahr begann die Heimatreise mit deutlich weniger Heimatfreunden. Nur 24 Teilnehmer in dem Bus mit dem polnischen Busfahrer konnten nach Lagow mitfahren. Abfahrtsort war wieder der Busbahnhof „Unter dem Funkturm“ in Berlin. Die Fahrt ging quer durch die Hauptstadt. Nachdem wir Rüdersdorf hinter uns gelassen hatten, ging es an gut stehenden Kornfeldern vorbei mit blühendem Klatschmohn und blauen Kornblumen am Wegrand. Es ging über Müncheberg, Seelow zügig nach Küstrin, nachdem wir die Oder überquert hatten. In Küstrin machten wir eine kurze Rast.
Und dann ging es weiter nach Tamsel (jetzt Da˛broszyn – zu Vietz = Vitnica gehörend). Tamsel ist bekannt durch das dortige Schloss, in dem schon der junge Friedrich II. zu Gast war. Unsere Mitreisende, Frau von der Lancken, war hier bis 1945 zu Hause.
Und sie hat hier in Polen vor einigen Jahren versucht, das Schloss als Hotel und als Stätte der Kultur zu gestalten, aber es ist ihr nicht geglückt. Und so steht es heute umzäunt zum Verkauf. Wir konnten die Kirche und die Krypta der Kirche besichtigen. Sehr eindrücklich waren die drei Steinkreuze neben dem Kircheneingang, die an Familienglieder erinnern, die fern der Heimat gestorben sind, von denen Frau von der Lancken berichtete. Über Kriescht ging die Fahrt dann weiter nach Meseritz. Da wir uns in Tamsel länger aufgehalten hatten, war die Besuchszeit hier schon nach 16 Uhr überschritten. So konnten wir das Heimatmuseum nicht besichtigen, aber der Leiter des Museums. Herr Kirmiel führte uns eine halbe Stunde durch das Burggelände.
Die Burg ist im 13. Jahrhundert erbaut worden. Wir besichtigten den Burghof, der heute für Theateraufführungen und andere größere Veranstaltungen benutzt wird, die Folterkammer im großen Burgturm mit „Hexensitz“ und anderen schaudererregenden Geräten und Werkzeugen und erreichten über eine Stiege eine große überdachte Plattform als Aussichtsturm. Auf dem Museumsgelände gab es viele Bäume und grüne Sträucher, es hat uns dort gefallen!
Um 17.15 Uhr ging es dann weiter nach Lagow in das Hotel „Lesnik“, wo wir wie immer freundlich begrüßt wurden. Zimmervergabe, Abendessen, später im Raum im Keller: Vorgaben für den nächsten Tag und Erzählen.
Am 18.06., Dienstag, war 8.45 Uhr Abfahrtszeit, und es ging über Sternberg nach Zielenzig. Hier machten wir zunächst Halt an dem Gedenkstein im Park, wo Blumen niedergelegt wurden und eine Minute des Gedenkens gehalten wurde im Blick auf alle, die bis 1945 hier in der Heimat östlich der Oder ihr Leben lassen mussten.
Gegen 10 Uhr wurden wir von dem Leiter des Johanniterhauses, Herrn Jacek Cieluch, und von dem Bürgermeister der Stadt Zielenzig, Herrn Michal Deptuch, herzlich willkommen geheißen und dann zu einer kurzen Besichtigung des Hauses und des Museums des Hauses eingeladen. Es folgte danach ein Vortrag mit Lichtbildern von Herrn Dr. Andre Mikutel über die Geschichte der Stadt Zielenzig und vor allen Dingen über die Geschichte der Stadtkirche St. Nikolai.
(Der instruktive Vortrag von Herrn Dr. Mikutel wird sicher noch in einem unserer nächsten Heimatbriefe veröffentlicht werden. Er wird vor allem bei den ehemaligen Zielenzigern großes Interesse finden.) Gegen 12 Uhr waren wir dann zu Gast in einer Schulklasse des Gymnasiums. „Aschenputtel“ In deutscher Sprache unter Leitung ihrer Klassenlehrerin, Frau Kucharska, wurde geboten.
Die Aufrührung fand viel Beifall. Auch gab es selbstgebackenen Kuchen und Kaffee nach der Aufführung. Natürlich erwarteten die 16–17-jährigen Jugendlichen eine kleine Geldspende für ihre Ferien-Klassenfahrt nach Potsdam und Berlin. Gestärkt nahm uns der Bus wieder auf, und es ging nach Tempel, Haus Nr. 8. Dort kam uns schon Ulrich Wilhelm freudig entgegen, um uns den einstigen Hof seiner Eltern zu zeigen und zu erklären.
Auf dem jetzigen Hof stand nur noch das Wohnhaus, gegenüber ein Gebäude für Fahrzeuge, eine Gerätekammer. Die Scheune und die Stallgebäude gab es nicht mehr. Wir standen vor dem Hof unter einer großen Kastanie und hörten zu: Die Familie Wilhelm hatte 75 ha Land als Eigentum, 50 ha Land waren hinzugepachtet, es gab 12 Pferde, Kühe, Schweine und viel Kleinvieh. Ulrich Wilhelm war innerlich so berührt, dass er den Hof nicht betreten konnte.
Weiter ging es nach Königswalde zum Kaffeetrinken oder zu einer Bootsfahrt auf dem Lübbensee. Die einstündige Bootsfahrt führte uns um die Prediger-Werder-Insel herum. Es war ein schöner Abschluss des Tages. Die Rückfahrt nach Lagow ging dann über Gleißen, Wandern, Schermeisel, am Bechensee vorbei über Langenpfuhl und Schönow. Nach dem Abendessen fanden wir uns, wer noch konnte, zu einem gemütlichen Abend in der „Kellerkneipe“ zusammen.
Der 3. Tag unserer Reise, der 19.06., steht zur freien Verfügung bei herrlichem Wetter. Wen es interesssierte: Man war eingeladen zum Zuhören bei der Arbeitsgruppe für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Lagow, die tagte.
In der Verhandlung ging es vor allen Dingen um die Ausgestaltung der Heimatstube. Und es konnte auch über allgemein interessierende Themen gesprochen werden. Von dieser Arbeitsgruppe wird Herr Sommer gesondert berichten.
Gegen 12.30 Uhr fuhr dann der Bus über Wallwitz, Malsow, Tauerzig und Zielenzig in die Heimatdörfer Schermeisel und Grochow und zum Bechensee. Gegen Abend holte er die untermehmungs- und wanderlustigen wieder ab. Unsere Mitreisende Heimatfreundin Rosemarie Pankow erzählte uns auf dieser Fahrt von ihrem Heimatort Wallwitz, erklärte uns die Dorfanlage und das Gut der Eltern, von dem noch Stallungen übrig sind.
Der Truppenübungsplatz Wandern ist wohl neuerdings erweitert worden, überall standen Warnschilder und waren Sperrbänder gespannt von Schermeisel bis zum Bechensee an der Straße Schermeisel-Langenpfuhl. Wir vier Wanderer wagten den Weg von Schermeisel zur Luisenlinde (zwischen dem großen und dem kleinen Bechensee) nach alten Plänen.
Wege, die nach der Karte hätten gehen müssen,
waren von Gras völlig zugewachsen. Auf die Abfahrtszeit des Busses musste geachtet werden. Darum beschlossen wir, den befestigten Weg links einzuschlagen, Richtung großer Bechensee. Dort kamen wir auch an in der Nähe der Badestelle. Dort war alles abgesperrt, das Militär baute dort. So nahmen wir die Straße in Richtung Schermeisel zu dem Ort, an dem früher das Forsthaus Bechensee stand, wo wir Winklerkinder unsere Kindheit verbracht haben.
Am Donnerstag, dem 20.06., brachen wir auf zum Tagesausflug nach Ochelhermsdorf/Ochla – südlich von Grünberg – bei schönstem Wetter. Die Fahrt ging an Schwiebus vorbei auf der Autobahn über Züllichau nach Grünberg. Bei Schwiebus weckte unser Interesse die aus der Ferne grüßende 36 m hohe Christusfigur – in segnender Haltung. In Ochelhermsdorf/Ochla sind wir von dem katholischen Pfarrer Stefan Stefancyk herzlich begrüßt worden und eingeladen zu einer ökumenischen Andacht in der St. Trinitatiskirche, die aus dem 13. Jahrhundert stammt. Pfarrer Stefancyk und Hans-Dieter Winkler, Pfarrer i.R., gestalteten die Andacht mit Hilfe einer Dolmetscherin. Auch polnische Gemeindeglieder hatten sich zu dieser Andacht eingefunden. Gebetstexte und Liedertexte gab es zweisprachig auf Handzetteln für jeden.
Anschließend gab es Kaffee und Kuchen im Gemeindehaus mit polnischen Gemeindemitgliedern. Es war ein fröhliches „gestenreiches“ Miteinander. Auch der Bürgermeister von Ochla hat sich zum Gespräch eingefunden. Nach zwei Stunden der Gemeinsamkeit erwartete uns schon der Bus, um uns zu dem ethnographischen Museum in Ochla zu bringen, ein Volkskundemuseum mit Bauernhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert, sehr interessant auch in der Innenausstattung und im Grünen gelegen.
Zum Grillabend trafen wir dann rechtzeitig in Lagow ein. Der Freitag, 21.06., war dann schon wieder der Tag der Abreise. Nach dem Frühstück gab es eine herzliche Verabschiedung vom Haus und durch den ehemaligen katholischen Pfarrer von Lagow, Pfarrer Nowak. Die Heimfahrt ging über Sternberg, Zielenzig und Drossen. In Drossen besuchten wir die in den Ausmaßen imposante Stadtkirche.
Dann ging es weiter nach Slubice, den polnischen Teil von Frankfurt, wo wir für einen Marktbesuch noch eine kurze Pause einlegten. Da wir zügig nach Frankfurt gekommen waren, hatten wir noch etwas Zeit, die Glasfenster in der St. Marienkirche zu bewundern. Die
farbigen Bleiglasfenster aus dem 13. Jahrhundert waren erst vor wenigen Jahren aus Russland nach Frankfurt zurückgegeben worden.
Den Berliner Busbahnhof erreichten wir überpünktlich. Der polnische Busfahrer Lukas aus Stettin hat uns sicher zu allen gewünschten Zielen gebracht. Er war sehr freundlich und umsichtig. Es war angenehm, mit ihm unterwegs zu sein. Hans-Dieter Winkler und den Mitgliedern aus dem Vorstand sei herzlich gedankt für alle Vorbereitungsarbeiten und Mühen, dass eine so harmonische und erlebnisreiche Heimatreise stattfinden konnte.
Waldtraut Winkler
Fotos: H. Habermann