Oststernberger Land – „Das Knödelland“
Zum Titelbild: Reifende Wildbirnen „Knödel“ in Alt Limmritz; Aufnahme v. 27.7.2012
„Dort, wo der Wind durch die Kronen von Knödelbäumen rauscht“
Das Gut Spiegelberg der von Zobeltitz lag, als Hanns von Zobeltitz 1853 dort geboren wurde, im damals noch ungeteilten Kreis Sternberg, „der ein wenig spöttisch das Knödelländchen genannt wurde. Wer es nicht wissen sollte, dem sei es erklärt: die Knödel ist eine armselige Birnenart, die angeblich auf unserem recht sandigen Boden besonders gut gedieh. Zur Ehrenrettung meiner lieben Heimat muß ich aber bemerken, daß sie außer dem Sande auch wunderschöne Wiesen, große Seen und herrliche Wälder besaß und besitzt.3“
Die Suche nach dem sagenhaften Blutknödelbaum
Am 27. Juli stehen wir vor dem Gartenzaun der ehemaligen Oberförsterei Alt Limmritz. „Hier könnte er gestanden haben“ – ziemlich ungläubig sah mich mein Radelkamerad Dr. Joachim Klugow an, als wollte er sagen, was hat er denn nun schon wieder?
Unsere jährliche Radtour in die wohlvertraute Heimat führt uns von Küstrin-Kietz über Sonnenburg ins Warthebruch, den Postumkanal mit seinen altersgebeugten Kopfweiden entlang über Alt Limmritz, Kriescht bis Beaulieu, Beatenwalde oder Költschen – wie weit, das hängt davon ab, was wir unterwegs entdecken.
Jedes Jahr gehen wir nach Möglichkeit einer von den „häufig gestellten Fragen“ zu unserer Heimat nach. Diesmal wollten wir wissen, was denn an der Sage vom Blutknödelbaum dran sein könnte. Wo könnten die sagenumwobenen Blutknödelbäume gestanden haben und wo hat sich der letzte Meister der Templer, Friedrich von Alvensleben (historisch: 1269-1308), der dann auch Meister der Johanniter wurde, nach der Auflösung des Templerordens insgeheim mit seinen Getreuen aus der Templerzeit versammelt?
Aufgeschrieben hat diese Sage (und andere) ein hierzu Berufener: Eduard Handtmann4. Er war zwischen 1868 und 1874 in Kriescht und Mauskow Pfarrer5. Hier machte er auch die Bekanntschaft mit der Sage vom „Blutknödelbaum“. Er hat zumindest den Blutknödelbaum „bei der großen Ziegelei“ in Mauskow, kennengelernt und manches Mal von seinen Früchten gekostet4. Diese zeichnen sich durch den roten Saft und ein rotes wohlschmeckendes Fleisch gegenüber der Knödel-Wildbirne aus.
Doch jetzt erst einmal in Kurzform hier der Inhalt der Sage vom Blutknödelbaum:
• Nicht ein Apfel- sondern ein Birnbaum war der Baum der Erkenntnis6.
• Der Fluch Gottes ruhte danach auf dem Baum, seine Abkömmlinge wurden über die ganze Welt verstreut und seine Früchte sollten kaum genießbar sein.
• Noch ärger zürnte der Herrgott dem Baume, als Kain seinen Bruder mit einer Keule aus Knödelbaumholz erschlug.
• Das Kreuz Christi wurde aus einem Knödelbaum von Golgatha gefertigt.
• Das Blut Christi drang in das Holz und der verbliebene Stumpf des Baumes trieb wieder Reiser.
• Ein Comthur der Templer nahm ein Reis von diesem Baume mit und
• Friedrich von Alvensleben (1269-1308) senkte das Reis in den Boden „dort, wo sich jetzt die Oberförsterei Limmritz befindet“.
• Der Baum erblühte und brachte Segen über das Land.
• 1805 zündeten Franzosen aus dem napoleonischen Heer den Baum an und zerstörten ihn.
• Ein Reis konnte gerettet werden.
• Es wurde bei der Ziegelei Mauskow eingesetzt.
• Es entwickelten sich drei Stämmchen.
• Schon 1812 konnten drei Knödelfrüchte geerntet werden, von jedem Stämmchen eine.
Um es kurz zu machen, wir haben die alte Oberförsterei vorgefunden. In den Garten sind wir nicht gelangt. Es steht aber ein großer Apfelbaum mit leuchtend roten Früchten darin. Hier könnte dieser Blutknödelbaum gestanden haben.
Für geheime Treffen ist die Umgebung um den Moritzstein (s. Karte: Bismarckstein) wie geschaffen. Von einer Anhöhe erblickt man den uralten, von weither durch die Eiszeitmassen transportierten Findling, der einmal als „Bismarckstein“, jetzt als „Moritzstein“ bekannt ist und sicher auch in grauer Vorzeit für geheime Rituale genutzt wurde. Dazwischen ist Platz für eine größere Menschenmenge. Von der Anhöhe ist die Umgebung gut überschaubar und unliebsame Überraschungen bei Versammlungen rechtzeitig vermeidbar. Ein geheimer Versammlungsort der Templer könnte sich sehr wohl hier befunden haben.
Wegen der vielen Mücken am Moritzstein suchten wir schnell weiterzukommen. Wieder zurück zur Straße steht in unmittelbarer Nähe ein junges Knödelbäumchen mit grasgrünen Früchten (s. Titelfoto). Ich kann mich auch daran erinnern, dass es süß schmeckende Wildbirnen gab. Mein „Blutknödelbaum“ stand am Eingang zur Raudener Weiche (außerhalb des ersten Grundstücks der Familie Einfinger).
Was ist also dran am Blutknödelbaum?7 Auf unserer weiteren Tour, immer nach Blutknödelbäumen Ausschau haltend, sahen wir noch viele Knödelbäume. In Beaulieu, wo die Großmutter Eisenack meines Radlerkameraden Joachim zuhause war, stehen noch viele in den Vorgärten. In Mauskow haben wir noch nicht gesucht.
Fasziniert hat mich die Kunde vom größten Wildbirnenbaum der Mark Brandenburg8. In der Nähe von Wulkow-Trebnitz bei Booßen/Frankfurt-Oder. Den Weg zu ihm durch tiefgründige, morastige Fahrwege hätten meine Frau und ich, ein Woche später, ohne den hilfreichen Waldbesitzer und Jäger, Herrn W. und seine Frau, nicht gefunden. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Die Früchte dieses 120 Jahre alten Wildbirnenbaumes hatten schon eine rötliche Farbe. Ob sie so schmecken, wie ich das von „meinem Knödelbaum“ noch in Erinnerung habe, werde ich vielleicht bald wissen. Der hilfreiche Jäger hat uns aufgefordert, zur Reifezeit wiederzukommen.
Es gibt also noch viel Spannendes an unserer Heimat zu entdecken. In dieser Sage vom Blutknödelbaum sind viele historische Begebenheiten und die eigenen Erfahrungen eines Pfarrers im 19. Jahrhundert, also vor über 140 Jahren eingewoben. Wer hätte gedacht, dass die Wildbirne schon im 18. Jahrhundert als Charakterbaum des ganzen Sternberger Landes bekannt war, dieses bezeugt das Kriegstagebuch des Pfarrers(!) Seegebart von 1742. Kein Wunder, dass „unser Sternberger Charakterbaum“ auch einmal „Baum des Jahres“ (1998) wurde.
Vielleicht kann noch jemand unter den Heimatfreunden etwas von seinen Erfahrungen mit dem Knödelbaum berichten, ganz besonders vielleicht etwas über die drei Blutknödelbäume bei der Ziegelei in Mauskow, von dessen Früchten der damalige Pfarrer Handtmann „in manchem Octobermonat“ gekostet hat. Wir werden jedenfalls weiter suchen und berichten.
Heinz Habermann
Anmerkungen
1 „Das Land Sternberg heißt das Knödel-Land, weil viel Knödel-Bäume* [*Fußnote: wilde Obstbäume] auf dem Felde sowie bey mir die Eichbäume stehen.“ Seegebart, Joachim Friedrich: Das Tagebuch des Feldpredigers J. F. Seegebart und sein Brief an J. D. Michaelis, ein Beitrag zur Geschichte des ersten Schlesischen Krieges, herausgegeben von K. R. Fickert, Breslau 1849, S. 11. (s. auch: Fontane: Havelland, Anmerkungen 360)
2 Zobeltitz, Fedor von: Ich hab so gern gelebt, Berlin 1934, S. 16:
„… und vor der Pfarrei der alte Birnbaum, mit dessen unansehnlichen, harten kleinen Früchten, die man Knödel nannte, sich die Konfirmandenkinder bombardierten“ „…Mein Bruder Hanns hat beide (Großeltern) in seinem Erinnerungsbuch „Im Knödelländchen“ vortrefflich geschildert“
3 Zobeltitz, Hanns von: Im Knödelländchen und anderswo. Lebenserinnerungen. Bielefeld, Leipzig. Velhagen & Klasing 1916, S. 1
4 Eduard Handtmann, der Herausgeber der SagensammlungHandtmann, E.: Neue Sagen aus der Mark Brandenburg. Berlin 1883, S. 175: Und der Knödelbaum zu Mauskow? … „Ich kostete in manchem Octobermonat die Früchte mit dem roten Saft und freute mich des für Knödeln außergewöhnlich süßen Geschmacks. Man rühmte denselben nach, daß sie höchst heilsam seien für allerhand Druck und Beschwerde. Will’s gern glauben. Möchte aber vornähmlich dem von so tiefsinniger Sage umschwebten Blutknödelbaum bei der Mauskower Ziegelei im Kreise Oststernberg in der Heimatserinnerung ein ehrenvoll Denkmal setzen !“
Rosemarie Pankow(aus Wallwitz) hat diese Sagen auch in ihrer Sammlung publiziert: Pankow, Rosemarie: Sagen und Geschichten aus dem Sternberger Land. Husum 1992
5 Handtmann, S. 255, Anm. 50a: „Dankbar will ich hier des seligen Cantors Wollenberg in Kriescht gedenken, der seiner Zeit, wenn wir auf dem „dürren Hund“ oder auf dem Kirchhofe von „Friedrich der Große“ zu fungieren hatten und auch sonstwie mir die Zeit des einsamen Fahrens und Wanderns durch Erzählungen aus seiner Jugend und aus alten Tagen auf das Angenehmste verkürzte. … Seine Erzählungen gaben mir für verschiedene Sagen die erste Anleitung zum Weiterforschen.“
6 Deckenmalerei in der Heiligen Geist Kirche, Wismar
7 Hier sind die Pomologen gefordert. Wildbirnen (lat. Pyrus pyraster Burgsd., poln: ulęgałka oder grusza polna (Feldbirne) sind miteinander bzw. mit den Kulturbirnen kreuzbar, so entstehen zahlreiche Varianten. Die Frage, ob die sehr alte „Sanguinole“ bzw. „Sommerblutbirne“ etwas mit der sagenhaften Blutknödelbirne gemein hat, muss hier offen bleiben. Im Potsdamer Stadtgebiet wurde die Sanguinole bei einer Bestandsaufnahme 2004 registriert. S. Beste Birnen bei Hofe. Potsdamer Pomologische Geschichten. Hrsg. Marina Heilmeyer, Potsdam 2004, S. 96
8 Beste Birnen bei Hofe S. 14