Zur Geschichte von Langenpfuhl
Der Johanniterorden bestimmte über Jahrhunderte die Geschicke des Dorfes
Von Karl-Ludwig Vollmar
Teil 3 / Schluss
Großfeuer in Langenpfuhl
Im August 1806 bricht im Brauhaus des Bauern und Krügers Theodor Brunzel, direkt an der Straße nach Tempel gelegen, beim Malzdarren1 Feuer aus, das sich schnell auf das Gehöft des linken Nachbarn, des Kossäten Johan Lohde, und über die Straße nach Tempel hinweg nacheinander auf die Höfe der Halbbauern Johann Drescher, Martin Seerig, Gottfried Jachmann, Gottlob Jachmann und des Kossäten Martin Janthur ausbreitet und alle Gebäude zerstört.
Am 21.7.1812 gibt es erneut ein Großfeuer im Dorf. In der Schadensmeldung an die Dominium Kammer zu Burschen heißt es:
„Den 21. d. M. in der zweiten Stunde Mittags entstand zu Langenpfuhl Amt Burschen in dem Schaeferhause des dortigen Lehnschulzen guths Feuer, es griff so schnell um sich, daß in einem Augenblick das ganze Schulzengehöfte, außer der Scheune – welche außerm Winde lag – in Flammen stand u. kaum noch eine halbe Stunde, so wurden durch Verbreitung des Feuers, der Krug nebst Ställe u. 5 Halbbauergehöfte total, so wie auch die Scheune des Halbbauer Schlieff ein Raub der Flammen.
Bei den heftigsten veränderten Windstößen, konnte das Unglück größer werden, doch waren die Anstalten so weit gediehen, daß es dabei verblieb, wovon ich Einer Königl. Hochlöbliche Dominium Kammer hiermit gehorsamst benachrichtige.
Die Unglücklichen, als
1 der Krüger Brunzel
2 der Halbbauer Drescher
3 der Halbbauer Sehrig
4 der Halbbauer Gottfr. Jachmann
5 der Halbbauer Gottlieb Jachmann
6 der Coßäth Janthur
sind die nehmlichen so vor 6 Jahren abgebrannt sind, es lässt sich daher leicht erachten, in welcher großen Noth bei so manchen beschwerlichen u. drückenden Abgaben sich diese Menschen befinden.
Die Erndte ist da, nicht ein Plätzchen für sich, vorzüglich die 5 Halbbauern, kein Gelaß zu einer Garbe Getreide. Sie zweifeln an ihrer Erhaltung, an ihrem Wiederaufbau, wenn ihnen nicht sogleich das Holz zur Scheune u. etwas Vorschuß mit baaren Gelde vorab nicht würde, was ihnen auf die Feuerin**engelder (?) wieder abgerechnet werden könnte.“
Es muss starker Südwind geherrscht haben, sonst hätte Funkenflug nicht die 100 Meter und mehr entfernt gelegenen Gehöfte auf der anderen Seite der Dorfstraße in Brand setzen können.
Aus Erzählungen meines Großvaters wusste ich, dass unser Wohnhaus nach 1800 neu erbaut worden sei, nachdem es Soldaten Napoleons auf dem ungeordneten Rückzug aus Russland angesteckt hätten. Mehr war nicht bekannt. Auch hier geben die Dokumente aus dem Archiv des Johanniterordens nun Auskunft über das genaue Datum, aber von Brandstiftung ist darin keine Rede. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, wie schnell auch einschneidende Ereignisse wie die Zerstörung der 7 Bauernhöfe in der Dorfmitte, von denen 6 Höfe innerhalb von 6 Jahren zweimal abbrennen, und die finanziellen Probleme beim Wiederaufbau des Gutshofes, dessen Besitzer im Gegensatz zu den anderen Geschädigten nicht der Feuerversicherung beigetreten war, einfach aus dem Gedächtnis schwinden.
Am 11.11.1812 teilt das „Königlich Preußische Kreis Steuer Amt Drossen“ den Geschädigten mit, dass
„[…] nach Maaßgabe des Neumärkischen. Remissions-Reglements den 6 vorbenannten für abgebranntes Haus, Scheune und Stall eine dreiyjährige Remission2, dem Brau Krüger Brunzel für Haus und Stall eine zweyjährige und dem Gottfried Schlieff für die Scheune, eine Einjährige Remission zusteht, und selbige solchermaaßen von der Oberbehörde bewilligt worden wird hiermit pflichtmäßig attestiert.“
Aber die betreffenden Bauern freuen sich zu früh. Die Bewilligung wird widerrufen, und die Behörde fordert von ihnen die Zahlung fälliger Steuern wie von allen anderen. In ihrer Verzweiflung wenden sich am 26.2.1814 „Gottlob Jachmann, Martin Serig et Consorten“ in einem Brief an den König von Preußen. Der Schluss einer ebenfalls in dem Archiv befindlichen Kopie dieses Schreibens bringt ihre ganze Verzweiflung zum Ausdruck:
„[…] Keiner von uns ist noch nicht einmahl mit seinem Bau fertig einen fehlt noch Stallung den andern noch die Scheune, und ein ander hat noch nicht einmahl seine Wohnung fertig, und da sollen wir schon Lasten tragen, wir können doch nicht schlechter sein als unsere Grenz Nachbarn die nur einmahl abbranten und doch 3 Remissions Jahre ganz erhielten. Erbarmen Sich EM3 und lassen uns Hülfe schicken.“
1816, zwei Jahre später, gewährt der preußische Finanzminister den zweimal Abgebrannten ganze 100 Taler für den Kauf von Zugochsen. Dieser Betrag reicht aber gerade für 3 Tiere!
Großdorf – Langenpfuhl – Wielowies´
Das Dorf Langenpfuhl hätte früher auf den Ochsenbergen gestanden. Im Dreißigjährigen Krieg sei es zerstört und danach an heutiger Stelle neu erbaut worden. So erzählte man im Dorf. Dokumente aus dem Archiv des Johanniterordens bestätigen diese mündliche Überlieferung nicht. In allen Lehnbriefen für die Langenpfuhler Lehnschulzen seit 1498 wird der Roten- bzw. Rattenpfuhl am westlichen Dorfende rechts der Straße nach Zielenzig erwähnt, ab 1618 auch noch der Rohr- bzw. Rehnpfuhl „welcher nach der jetzigen Angabe etwa 1000 Schritt vom Dorfe Langenpfuhl auf der rechten Seite des Weges nach Seeren […] lieget“. Das Dorf befand sich demnach schon über 100 Jahre vor dem Dreißigjährigen Krieg an der Straße von Schermeisel nach Seeren, kann also nicht erst Mitte des 17. Jahrhunderts dort gegründet worden sein.
Ein Zitat aus den Protokollen der Bestandsaufnahme von 1793 gibt vielleicht eine Erklärung für den Irrtum:
„Von älteren das hiesige Dorf, oder die Commende betreffenden Geschichten ist hier nichts bekannt, als daß ehedem etwa eine halbe oder eine Meile von hier nach der Südpreußischen Grenze zu zwischen Grochow und Neuendorff hin, zwey Dörfer Giemeldorff und Grosdorff gestanden haben sollen; von denen hier die Sage geht, daß sie im 30jährigen Kriege gänzlich wären verwüstet worden. Auch führet noch jetzt die Feldmarck, welche an den Hufenschlag pp4 von Tempel und Langenpfuhl grenzet den Nahmen der wüsten Feldmarcken Grosdorff und Giemeln: indeßen ist von jenen Dörfern selbst keine Spur mehr vorhanden, daher man auch hier die Stellen nicht mehr genau anzugeben weiß, wo sie gestanden haben sollen.“
Das in dem Zitat erwähnte Großdorf soll auf halbem Wege zwischen Tempel und Langenpfuhl südöstlich der Tempeler Kleinmühle am Ostufer des Mühlenteichs der Tempeler Großmühle5 gelegen haben. Es wird bereits 1232 in einer Schenkungsurkunde erwähnt, mit der Herzog Wladislaus von Polen dem Templerorden ein Dorf mit dem Namen Wielowies´ übereignet. Herzog Wladislaus bleibt aber Landesherr. „Wielowies´“ bedeutet ins Deutsche übersetzt „Großdorf“. Später wird Großdorf Sitz einer Templer-Kommende, zu der auch die Dörfer Tempel, Seeren, Langenpfuhl und Burschen gehören, die man danach oft als die „vier polnischen Dörfer“ bezeichnet.
Aus unbekannten Gründen gehen Großdorf und Giemeln spurlos unter. Großdorf existiert schon nicht mehr, als um 1350 die vier Dörfer von den Johannitern übernommen und in die Kommende Lagow eingegliedert werden. Es bleiben nur die Bezeichnungen für Ländereien zwischen der Langenpfuhler und Tempeler Feldmark, die der Johanniterorden an Bauern der beiden Dörfer als sogenannte „Landmiethäcker“ verpachtet.
Die Erinnerung an die Ereignisse um den Untergang der beiden Dörfer verblasst im Laufe der Jahrhunderte. Im Gedächtnis bleibt nur die Zerstörung der beiden Dörfer und die Neuansiedlung seiner Bewohner. Es ist naheliegend für die Langenpfuhler, dies auf das eigene Dorf zu beziehen und mit den großen Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg in Zusammenhang zu bringen. Realer Hintergrund der Legende ist mit Sicherheit der Untergang von Großdorf und die durchaus mögliche Ansiedelung seiner ehemaligen Bewohner im Nachbardorf Langenpfuhl. Die Verwendung des historischen polnischen Namens Wielowies´ für das Dorf Langenpfuhl nach 1945 ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass sich die Ereignisse um die beiden Dörfer vor fast 700 Jahren auch im Gedächtnis der polnischer Seite erhalten haben.
1 Braugerste trocknen
2 Steuernachlass
3 Eure Majestät
4 und so fort
5 wurde noch 1809 „Großdorfsche Großmühle“ genannt