Hotel Deutsches Haus
Gegründet 1920
Inhaber: Max und Martha Heinrich
Von Lucie Weet, geb. Arnhold
Eine Familiengeschichte
Meine Großeltern waren Max und Martha Heinrich. Er war ein Müllerssohn aus Liebenau und Martha die Tochter eines Braumeisters aus demselben Ort.
Am Ende des ersten Weltkrieges kaufte Großvater eine Mühle in Großkirschbaum nahe Lagow. Diese bearbeitete er mit Hilfe seiner 16jährigen ältesten Tochter Hilda.
Die Mühle war außerhalb des Ortes einsam gelegen. Oft graulte sich das junge Mädchen, wenn sie nachts allein das Mahlen überwachte und Wind und Mäuse ihre Gesellschaft waren.
Neben der ältesten Tochter Hilda bestand die Familie aus den jüngeren Töchtern Grete, Lucie, Magda und einem kleinen Sohn, Helmut. Großmutter erwähnte oft, dass dieser abgelegene Ort kein Platz für vier junge Mädchen sei, die ja „eines Tages einen Mann zum Heiraten“ finden müßten!
Eines Tages, nach einer Fahrt in das benachbarte Lagow, erklärte Großvater, dass er dort eine Gastwirtschaft erworben hätte. Großmutter war auf keine Art in diesen Kauf eingeweiht worden.
Als die Familie endlich in Lagow eingezogen war, entdeckte Großmutter wie sehr vernachlässigt das Haus war. Die Gastwirtschaft war wellig heruntergewirtschaftet: In den Dachstuben, wo die Töchter schlafen sollten, regnete es überall durch. In der Küche war der Kochherd unbrauchbar. Wie sollte sie damit kochen!
Meine Mutter, die älteste Tochter Hilda, erzählte oft, dass ihre Mutter drei Wochen lang nur geweint hätte.
Max Heinrich wurde im ganzen Ort über diesen Kauf verlacht.
Er aber hatte seine Gründe für den Erwerb dieses Grundstücks. Er hatte die ideale Lage desselben, direkt am See, in der Mitte des Ortes und unter der Burg erkannt.
Er hatte Ideen für einen Anbau auf der Seeseite. Er war als technischer Zeichner ausgebildet und begann Pläne für den Anbau zu entwickeln.
Der Zeitpunkt waren die 20er Jahre, die Nachkriegsjahre des Ersten Weltkrieges. Deutschland war darnieder. Es fehlte an allem, was man zum Leben brauchte. Dazu kam die galoppierende Inflation dieser Jahre.
Max Heinrich fehlte es an dem Kapital für seine hochstrebenden Pläne. Man erzählte, dass er „jeden im Ort anzupumpen versuchte“. Das brachte ihm den Namen „Max der Kalkulator“ ein.
Die Familie Heinrich hatte sich inzwischen in ein erfolgreiches Familien Unternehmen entwickelt. Mit Fleiß, Sparsamkeit und dem Einsatz der herangewachsenen Töchter wurde das Geschäft betrieben. Hilda, als gelernte Köchin, leitete die Küche mit Hilfe der jüngsten Schwester Magda. Die Töchter Grete und Lucie machten die Bedienung im Lokal.
Zirka 1925 war es dann soweit, Großvaters Pläne zu verwirklichen. Man begann mit dem Abriss an der Seeseite. Das Lokal zur Straße blieb unverändert dem Charakter des Ortes entsprechend.
An der Seeseite war ein moderner Anbau geplant: Ein großer Saal mit Bühne, Tanzfläche, zweistöckige Galerien mit großen Fenstern zum See. Außerdem eine Terrasse über dem Wasser und ein Dachgarten. Es waren großartige Pläne für das verschlafene Örtchen Lagow und brachte ihm viel Spott ein.
Die Einweihung des Saales fand am 19. Oktober 1931 statt.
Das Bild dazu zeigt v.r.n.l. Martha Heinrich mit Tochter Lucie und Max Heinrich mit Tochter Hilda (Arnhold).
Der Saal war ein großer Erfolg.
Sommergäste kamen bis von Berlin mit Bahn und Automobilen, angelockt von Küche und Kuchen.
Sohn Helmut, inzwischen ausgebildeter Konditor, war besonders geschickt in er Gestaltung und Ausschmückung des Saales für Feste und Tanzvergnügen. Viele Lagower erinnern sich, dass sie ihren ersten Spielfilm in dem Saal erlebt haben.
Max Heinrich verstarb 1936 mit 56 Jahren.
Großmutter führte mit Sohn Helmut das Hotel weiter.
Die Töchter waren inzwischen alle verheiratet. Aber 1939 wurde Helmut als Soldat eingezogen.
So kam es, dass Martha Heinrich, Witwe, 59 Jahre alt, allein dastand mit dem Geschäft.
1940 übernahm Tochter Hilda, meine Mutter, wieder die Küche. In den Jahren von 1940-1945 kochte sie täglich einen Mittagstisch für ca. 20 Personen. Diese Jahre lebte ich praktisch im Hotel.
Endlich, am 30. November 1944 machte Großmutter die letzte Abzahlung der Schulden, die sie so sehr bedrückt hatten. Das Hotel Deutsches Haus war schuldenfrei. Sie konnte aufatmen.
Aber, am 30 Januar 1945 war für uns in Lagow mit dem Einmarsch der sowjetischen Armee der Krieg zu Ende. Am 24. Juni 1945 wurde die deutschstämmige Bevölkerung in Lagow ausgetrieben.
Martha Heinrich, meine Großmutter, lebte bis 1958 in West-Berlin in sehr bescheidenen Verhältnissen ihr Leben zu Ende.
In den Jahren nach 1945 sank das frühere HOTEL DEUTSCHES HAUS in einen Dornröschenschlaf, von dem es etwa 50 Jahre später geweckt wurde. Es erlebte eine Renaissance. Heute wird es, modernisiert aber grundsätzlich unverändert, als „Pod Basta“ geführt und wird gut sein für weitere 50 Jahre.
Max Heinrich hat sich mit diesem Bau ein Denkmal geschaffen.
Berichtet von Lucie Arnhold-Weet. Geschrieben aus der Erinnerung. Genaue Daten waren nicht zu belegen. Ungenauigkeiten bitte entschuldigen.
Dieser Bericht ist auch für den „Raum des Erinnerns“ in Lagow bestimmt. Frau Annita Zajonzek-Müller ist meine Kontaktperson.