Unsere Leser schreiben
Der Weg ins Ungewisse am 24. Juni 1945 – und eine Frage hierzu
Im Juni 1945 war ich 8½ Jahre alt. Mit meiner Mutter und meinem dreijährigen Bruder wohnten wir in Zielenzig. Das Haus mit der Vereinsbank, in dem ich das Licht der Welt erblickt hatte, war – wie wir heute wissen – völlig sinnlos einige Tage nach der kampflosen Einnahme der Stadt von der Sowjetarmee angesteckt worden. Wir waren glücklicherweise bereits am Abend des Einmarschs mit ein paar Habseligkeiten zu Verwandten in die Gärtnerei Seifert gezogen. Es muss dann in der ersten Juni-Hälfte gewesen sein, als wir gegenüber im Ostrower Weg eine Wohnung in dem letzten Haus, vor der Wiese mit dem kleinen Graben bezogen.
An dem besagten Sonntag um 12 Uhr, meine Mutter war dabei die Gardinen anzuhängen und das Essen stand auf dem Herd, kam ein Pole, der uns mitteilte, dass wir uns um 15 Uhr auf dem Marktplatz einzufinden haben. Höchstens 15 kg Handgepäck, keine Betten.
Heute möchte ich mich nicht in die Lage meiner Mutter versetzen, die kaum drei Stunden Zeit hatte, zu entscheiden, was sie nun einpacken soll. Man muss bedenken, dass nicht gesagt wurde, was dort um 15 Uhr geschehen würde. Wir nahmen an, dass die Polen sich nur unseres Hausrats bedienen würden und wir dann wieder zurück könnten. Was dann wirklich geschah, muss ich hier nicht näher ausführen.
Allerdings ist mir heute nicht klar, nach wie viele Tagen wir am rechten Oderufer ankamen. Ich weiß, dass wir von polnischem Militär auf Sandwegen durch die Wälder geleitet wurden, und irgendwann nachts durch Ötscher kamen, wo meine Großeltern einen Bauernhof besaßen. In dieser Nacht sind wir dann, nachdem wir noch von unserem einzigen kleinen Koffer „befreit” wurden, über die Behelfsbrücke gegangen und haben in Lebus das rettende Ufer erreicht.
Zu DDR-Zeiten wollte man mich offiziell immer als Flüchtling oder Umsiedler bezeichnen; ich musste beides verneinen, mit der Begründung, dass ich weder geflüchtet bin, noch umgesiedelt wurde. Umsiedler können schließlich ihr Hab und Gut mitnehmen. Die Bezeichnung „Vertriebener” benutzte man in diesem Umfeld besser nicht.
Ich bin immer wieder bestrebt meine Familiengeschichte zu ergänzen, die mit der mehrmaligen verlustreichen Vertreibung meiner Vorfahren beginnt (s. mein Artikel im Heimatbrief 2/2003). Deshalb möchte ich auch noch Einzelheiten über den Weg bis zur Oder einfügen, nämlich wie lange wir unterwegs waren und wo wir übernachtet haben. Denn die ca. 50 Kilometer konnten wir unter diesen Umständen unmöglich an einem Tage bewältigen haben.
Deshalb hier meine Frage: Wer von den älteren Heimatfreunden erinnert sich und kann darüber Auskunft geben? Für diesbezügliche Hinweise wäre ich sehr dankbar. Ich würde, ggf. durch Vermittlung durch Herrn Tillack, gern telefonisch zurückrufen.
Siegfried Behrendt, Einsteinstraße 5, 10409 Berlin
Ein Familienfest an meinem Geburtsort Lagow vom 23. bis 26.9.2010
Wer hätte gedacht, dass wir den 100. Geburtstag unserer Mutter wirklich in Lagow feiern werden und mehr als die Hälfte – 38 Familienmitglieder – der Großfamilie anreisen würde?
Aus allen Himmelsrichtungen strömten sie nach Lagow, dem Ort, an dem unsere Eltern von 1929 bis 1945 mit ihren Kindern lebten und in dem ich 1943 geboren worden bin und der heute zu Polen gehört.
Die Geschwister und ihre Familien kamen aus Freiburg, Freudenstadt, Stuttgart, aus dem Westerwald, aus Wuppertal, aus Premmnitz, Dahmsdorf, Berlin, Potsdam, Kleinköris und Michendorf nach Lagow, das auch 65 Jahre nach dem unseligen Hitlerkrieg nichts von seinem Zauber verloren hat.
Das schöne, am Lagower See gelegene Hotel Lesnik konnte uns alle aufnehmen. Kinder, Enkelkinder, Urenkel und sogar Ur-Urenkel wollten Mutters Geburtstag feiern. Sie war bis zu ihrem Tod am 23. Januar 2006 der Mittelpunkt unserer großen Familie. Die Liebe zu unserem Heimatort Lagow hat Mutter ihren Kindern weitergegeben.
Als ich im Oktober 1988 mit ihr zum ersten Male Lagow besuchte, bezauberte es mich mit seinen herbstlich bunten Buchenwäldern, dem vielen Wasser, der Burg, den Stadttoren, das alles fand meinen größten Gefallen. Und die Begegnung mit den Menschen, die nach dem Krieg in unserem Haus wohnten, war herzlich, das ist nicht selbstverständlich.
Mutter hatte schon Anfang der 1960iger Jahre den ersten Besuch dort gemacht und wurde von der neuen Bewohnerin freundlich und offen aufgenommen. Seither besteht ein freundschaftlicher Kontakt zwischen unserer Familie und der polnischen.
Aber zurück zum Familienfest. Einige von uns reisten schon am Donnerstag, dem eigentlichen Geburtstag unserer Mutter, an. Abends besuchten wir das Restaurant der Burg und stießen auf das Wohl unserer Mutter an, umgeben von den trutzigen mit Efeu begrünten Mauern des Innenhofes.
Am Freitag dann nutzten wir das warme und sonnige Herbstwetter für Besichtigungen der Sehenswürdigkeiten von Lagow, für Spaziergänge durch den herrlichen Buchenwald zur Tiergartenhöhe, um unser ehemaliges Haus anzuschauen oder zu einer sportlichen Bootsfahrt. Im Clubraum des Hotels hatten wir abends Gelegenheit zu einem feuchtfröhlichen Beisammensein, ganz im Sinne unserer Mutter – sie hätte ihren Spaß gehabt.
Auch am Sonnabend strahlte die Sonne wieder. Der Tag war so richtig geschaffen für unser Fest. Nach der Begrüßung, zu der auch Pater Nowak eingeladen war, machten wir einen Spaziergang zur Kapelle, die Pater Nowak für uns öffnete. Hier sind acht von neun Geschwistern getauft worden. Hier wollten wir unserer Mutter, unseres Vaters und der schon verstorbenen Geschwister gedenken. Hier wollten wir Gott danken für die Kraft und den Mut unserer Mutter, die uns durch die schwere Zeit der Vertreibung aus unserer Heimat geführt hat. Niemand von uns ist verloren gegangen. Das sehe ich als ein großes Wunder an.
Pater Nowak hieß uns in der Kapelle willkommen und sprach einige Worte über ihre Entstehungsgeschichte. Ich rief Name und Datum der hier getauften Geschwister auf, und meine Enkelkinder zündeten für sie und unsere Eltern Kerzen an. Danach las ich einen Abschnitt aus unserer Familiengeschichte vor. Gemeinsam beteten wir das Vaterunser. Die feierliche Andacht beendete Pater Nowak mit den Segensworten. Diese Stunde war für uns alle sehr bewegend. Wir sind Pater Nowak sehr dankbar.
Am späteren Nachmittag fanden wir uns alle im Konferenzraum des Hotels ein. Ich hatte aus dem Bestand alter Bilder unserer Familie aus der Zeit vor dem Krieg in Lagow, die viele von uns noch nie gesehen hatten, eine Powerpointpräsentation vorbereitet, die wir uns anschauen wollten. Einen Tisch mit Büchern zum Thema „Polen und Deutsche“ und Material über Lagow vor und nach dem Krieg, sowie Familiendokumente hatte ich ebenfalls vorbereitet und dort ausgelegt. Alles wurde mit großem Interesse und Beifall aufgenommen, auch von unseren polnischen Freunden.
Inzwischen hatten die guten Küchenfeen des Hotels die Tafel im Speisesaal festlich gedeckt, sodass wir uns alle mit leckeren Speisen und Getränken stärken konnten.
Es wurde viel erzählt und gelacht, und hätte unsere liebe Mutter dieses Fest noch miterleben können, ihre Freude wäre übergroß gewesen.
Am anderen Morgen gab es manch übermüdetes Gesicht, aber alle versicherten mir, dass sie dieses Familientreffen sehr genossen hätten und nicht vergessen werden.
Mir ist es eine große Freude zu wissen, dass viele Nichten und Neffen jetzt den Ort kennen, an dem unsere Mutter die glücklichste Zeit ihres Lebens verbracht hat.
Annita Zajonzek-Müller
Das Foto von der Bahn, 1974 von mir aufgenommen am Sägewerk Fröhlich, möchte ich zum Artikel „Eisenbahnen im Kreis Oststernberg“, Heft 2/2009, noch beisteuern.
Erwin Zipter, Corneliusstraße 58, 51107 Köln.
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Sehr geehrter Herr Tillack,
ich möchte Ihnen auf diesem Wege mitteilen, dass meine Mutter Christel Köhler (geb. 25. November 1916) am 20. August 2010 verstorben ist. Die letzte Heimatzeitung hatte sie noch bekommen. Es war für sie immer eine Freude, wenn die Zeitung kam und die Geburtstagskinder und Verstorbenen aus Schönow kannte sie fast noch alle.
Ich wünsche Ihnen für Ihren Heimatkreis Oststernberg alles Gute. Mit freundlichen Grüßen
Margit Wiener, Gustav-Zahnke-Straße 15, 10369 Berlin.
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Herr Tillack,
ich möchte mich vorstellen. Mein Name ist Klemens Sumper und ich schreibe für Irmgard Czyzowski. Irmgard ist nicht mehr imstande zu schreiben, da sie die Alzheimer Krankheit hat. Sie ist jetzt in einem Altersheim, da ich sie nicht mehr betreuen konnte. Irmgard ist meine langjährige Lebensgefährtin. Wir mussten ihr Haus verkaufen um sie in ein Heim zu geben, da ich es nicht mehr schaffen konnte. Irmgard tut mir sehr sehr leid, sie so zu sehen. Irmgard bezieht auch den Oststernberger Heimatbrief, den sie jetzt einstellen können, da sie nicht mehr lesen kann.
Ich teile Ihnen dennoch ihre neue Adresse mit:
Irmgard Czyzowski c/o Klemens Sumper, Frankston St., Reservoir 3073, Victoria, Australia.
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Ein Dankeschön an Familie Kienast
Ein schlimmer Sturz hat mich in diesem Jahr viele Monate am Krankenbett gefesselt. Es passierte am letzten Tag des diesjährigen Treffens der Sonnenburger im Hotel in Sonnenburg/Slonsk. Heimatfreund Gerhard Kienast und seine Frau, jetzt in Güstrow zu Hause, kümmerten sich um mich. Sie nahmen mich auf der Rückfahrt mit dem Auto mit und brachten mich zum Wohnort Henningsdorf. Durch den Sturz war meine Schulter zertrümmert worden. Die nachfolgenden Operationen und Behandlungen verschlechterten meinen ohnehin labilen Gesundheitszustand dramatisch. Viel Kraft in dieser Zeit haben mir Gerhard Kienast und seine Ehefrau gegeben. Alle 14 Tage riefen sie mich an. Ich bin z.Z. zwar immer noch an den Rollstuhl gebunden, aber ich habe wieder Lebensmut.
Ganz lieben Dank auf diesem Wege an Familie Kienast sowie alle Heimatfreunde, die um mich bemüht waren.
Gerda Haase, früher Sonnenburg, jetzt Rigaer Straße 30a, 16761 Sonnenburg.