Herbstferien / Kartoffelferien in Breesen
Es war das Jahr 1944. Seit dem Sommer 1943 war ich mit meiner Mutter bei Strehmels in Breesen als Evakuierte aus Berlin untergekommen. Es war eine schöne Zeit in der alten Heimat, denn die ersten sechs Jahre meines Lebens verbrachte ich als Pfarrerssohn in Langenfeld. Meine Mutter und Frau Strehmel (Tante Agnes) waren befreundet, weil die Ursula von Strehmels und ich am gleichen Tag 1931 geboren wurden. Breesen gehörte ja zum Pfarrsprengel meines Vaters. So weit die Einleitung.
Während der Herbstferien konnte ich auch bei Reschkes in Breesen bei der Kartoffel-, speziell aber bei der Rübenernte helfen. Neben dem Hof von Reschkes stand ein kleines Arbeiterhaus, in dem eine polnische Familie wohnte – Vater, Mutter und zwei Söhne. Der ältere ein großer, kräftiger, junger Mann von 19/20 Jahren, der jüngere hieß Leschek (?) und war in meinem Alter, damals 13. Wir hatten relativ wenig Kontakt mit den Jungen der polnischen Familie. Als ich dann bei Reschkes fragte, ob ich mithelfen durfte, sagte man ja, aber ich müsste mit der polnischen Familie zusammenarbeiten. Das machte mir nichts aus. Und wie sich herausstellte, war es für mich ein Glücksgriff. Der große Sohn trug meistens, manchmal auch der Vater, die geernteten Kartoffeln und Rüben in Körben zu den Wagen am Feldrand und bekam dann immer eine ,Marke‘. Am Abend teilten wir dann die Marken auf. Alles geteilt durch fünf! Es machte Spaß, und ein wenig lernte ich dabei auch Polnisch. Aber nur wenig davon konnte ich jetzt als alter Mann auf den Reisen in die alte Heimat verwenden, denn neben GUTEN TAG, DANKE, BITTE waren es meistens irgendwelche Flüche, die man besser nicht anwendet. wenn man auf Reisen ist. Aber in der Erinnerung waren es 10 (?) schöne Tage, die dann bei der Abrechnung eine ganze Menge Geld brachten. Mit anderem Geld kam es auf die Sparkasse nach Zielenzig. Und da könnte es heute noch liegen, denn, das Sparbuch kam bei der Flucht Ende Januar „unter die Räder“, das Geld war futsch. Kein Geld, aber schöne Erinnerungen.
Dann haben wir noch bei Strehmels geholfen, helfen dürfen. Wie das mit der Schule (Hauptschule in Zielenzig) und den Ferien hinkam, weiß ich nicht mehr. Wir, d.h. mein Freund aus Berlin, der in Landsberg an der Warthe mit seiner Mutter und kleinen Schwester evakuiert war. Der Freund Joachim war zu der Zeit von der HJ aus (Jahrgang 1930) zum Ostwall-Bau in Kalau, südlich Meseritz, eingesetzt. Mit einem Schreiben von Herrn Strehmel (Onkel Max), das der Form halber abgestempelt war von Herrn Schmidt, der wohl Ortsgruppenleiter war, fuhr ich mit dem Fahrrad nach Kalau und, tatsächlich, bekam Joachim die Erlaubnis, statt Ostwall zu bauen, Kartoffeln bei Strehmels zu lesen. Vorsichtshalber hatte ich auch ein Schreiben seiner Mutter dabei, in dem sie die Erlaubnis für den Kartoffeleinsatz erteilte. Da Joachim sein Fahrrad mit in Kalau hatte, konnten wir am gleichen Tag fröhlich nach Breesen zurückfahren. Auch wenn Joachim damals weiter geschippt hätte, es hätte nichts am Kriegsausgang geändert. Wir aber waren noch eine Woche zusammen und hatten trotz Arbeit viel Spaß.
Johannes Rasenberger