Die neuen Projekte in Lagow nehmen Gestalt an
Bericht von den ersten offiziellen Arbeitssitzungen der Gruppe im August und September 2010
Aufgeschrieben von Helmut Sommer und Annita Zaijonzek-Müller
Wie schon in den Heimatbriefen 1/2009 (S. 41) und 2/2010 (S. 10) berichtet, hat sich aus Vertretern der jetzigen Gemeinde Lagow und Mitgliedern unseres Heimatkreises eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich intensiv mit zwei Problemen beschäftigen will:
– mit der Wiedererrichtung des dort schon einmal vorhanden gewesenen Ortsmuseums,
– mit der Wiederherstellung der Zugangswege und der würdigeren Umgestaltung des ehemaligen deutschen Friedhofes auf dem Falkenberg.
Wir veröffentlichen hier wieder die allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe zugegangenen Erinnerungsprotokolle und zugleich einen Aufruf zur Mitarbeit an alle ehemaligen und jetzigen Einwohner von Lagow (siehe am Ende des Berichtes).
I. Gedächtnisprotokoll zur Sitzung am 6. August 2010
Anwesend waren als Vertreter der Gemeinde der amtierende Bürgermeister, Herr Ryszard Oleszkiewicz, seine Kulturreferentin und als Dolmetscher Herr Peter Glogowski, als Vertreter der Zeitschrift „Klimaty Lagowskie“ Herr Ryszard Bryl und Herr Mieczyslaw Fedorowicz, als Vertreter der „Sozialkulturellen Gesellschaft der Deutschen Minderheit in Grünberg“ Herr Boleslav Bernaczek und eine weitere Mitarbeiterin der Gesellschaft, als Vertreter des Forstamtes Herr Oberförster Jaroslaw Gusowski und eine Kollegin als Vertreterin der zuständigen Naturschutzbehörde. Von deutscher Seite nahmen Frau Annita Zajonzek-Müller aus Stuttgart, Herr Jörg Lüderitz aus Frankfurt a. d. O. / Lagow, zugleich Beiratsmitglied im Vorstand des Heimatkreises Oststernberg, und der Berichterstatter, Helmut Sommer aus Berlin, an dem Treffen teil.
Der Herr Bürgermeister eröffnete die Gesprächsrunde, begrüßte alle Anwesenden, darunter insbesondere die Gäste aus Deutschland, und wünschte der Zusammenkunft einen guten Verlauf der Sitzung. Als Tagesordnungspunkte benannte er die schon in der letzten Zusammenkunft im Juni 2010 festgelegten Themen „Alter deutscher Friedhof“ und „Ortsmuseum Lagow“.
1. Alter deutscher Friedhof
Herr Bernaczek teilte mit, dass er für das Thema inzwischen einen Projektantrag bei der Antragskommission der Wojowodschaft Zielena Góra gestellt hat und dieser Antrag dort positiv aufgenommen wurde und automatisch an die Entscheidungskommission weitergeleitet wird. Das von ihm angeregte Projekt (als Lapidarium) mit dem Titel „Friede den Lebendigen – Friede den Toten“ wird u.a. damit begründet, dass die jetzige Bevölkerung, vor allem die Jugend, über die kulturellen und historischen Hintergründe der Stadtgeschichte(n) aufgeklärt werden soll. Damit beschränkt sich naturgemäß das Projekt nicht nur auf die Gemeinde Lagow, obwohl dieser Antrag von dem konkreten Fall in Lagow ausgeht. In der Projektarbeit sollen Studenten der Universität Grünberg mit einbezogen werden; es sollen auch in größerem Umfang – so weit dies möglich ist – historische Quellen ausgewertet werden. Genannt dazu werden u.a. das Landesarchiv Berlin/Brandenburg in Potsdam und das Archiv der evangelischen Kirche in Berlin.
Von den deutschen Teilnehmern der Arbeitsgruppe wird dieser weitergehende Ansatz zustimmend gelobt; es wird jedoch deutlich darauf hingewiesen, dass das Anliegen der vorwiegend älteren ehemaligen deutschen Bewohner jetzt nur darin besteht, die gegenwärtig nicht mehr nutzbaren früheren Zugangswege zum alten deutsche Friedhof wieder besser begehbar zu machen und dann auch so zu erhalten. Es wurde auch noch einmal die Bitte vorgetragen, in der Stadt am Beginn des Zugangsweges in der ul. Chobrego (früher Johanniterstraße) eine mehrsprachige Informationstafel oder einen Informationsstein aufzustellen.
Nach einer längeren Diskussion der polnischen Teilnehmer der Arbeitsgruppe untereinander über die Zuständigkeiten für das Vorhaben, entscheidet der Bürgermeister, dass die Gemeinde ab sofort den kompletten Zugangsweg von der ul. Chobrego aus in das Reinigungs- und Instandhaltungsprogramm der Gemeinde mit aufnehmen wird.
2. Ortsmuseum Lagow
Der Bürgermeister teilte wie schon auf der letzten Sitzung mit, dass das Obergeschoss in dem kleinen Gebäude an der Burgmauer als Ort für ein Ortsmuseum zu Verfügung steht. Es ist von der Gemeinde weiterhin beabsichtigt, ab 2011 auch die beiden Stadttore als Museumsgebäude zur Verfügung zu stellen. Er drängt wieder darauf, nun doch endlich mit der Konzeptarbeit und der Sammlung von Gegenständen zu beginnen. Die deutschen Teilnehmer sagten zu, noch einmal eine Umfrage bei den ehemaligen Bewohnern zu starten, gaben aber gleich zu bedenken, dass außer Literatur und Fotos/Bildern nicht viel zu erwarten sei, weil durch die Situation 1945 alle fast alles verloren hätten. Herr Bernaczek sagte zu, bei der Erstellung von Kopien von Originaldokumenten, Urkunden, Fotos etc. eventuell behilflich sein zu können. Auf die Frage, wer denn für das Museum der Betreuer sein würde, teilte Herr Lüderitz mit, dass der zuständige Kurator im Heimatmuseum in Swiebodzin (Schwiebus) sich ihm gegenüber bereit erklärt hätte, auch in Lagow eine solche Tätigkeit zu übernehmen. Eine Entscheidung dazu müsse jedoch die Gemeindeverwaltung treffen.
Nach Erledigung des Gesprächsthemas 2 nahmen alle Gruppenmitglieder außer dem Bürgermeister, an einem Ortstermin auf dem Falkenberg (Sokola Góra) teil. Dort wurde vom Vertreter des Forstamtes zugesagt, auch den steilen Fußpfad als Zugang vom Seeuferweg aus wieder instand zu setzen. Über noch vorhandene Grabsteine, die noch lesbare Inschriften tragen, wurde noch keine Entscheidung getroffen; dies gilt auch für den Vorschlag, einen der alten Grabsteine als Träger für die Informationstafel zu verwenden. Ein Stein dafür wurde ausgewählt Die Inschrift oder andere Hinweise sollen auf jeden Fall mehrsprachig sein (polnisch, englisch, deutsch).
Zum Abschluss der Sitzung wurde vereinbart, Ende September wieder in Lagow zusammenzutreffen und weitere Schritte zu beraten.
Die hier eingezeichneten Wege sind die ehemaligen Zugänge zum alten deutschen Friedhof auf dem Falkenberg, die nach Ansicht der deutschen Teilnehmer der Arbeitsgruppe wieder begehbar gemacht und dann auch so erhalten werden sollen: (a) die ehemalige Anfahrstraße, ausgehend von der uI. Chobrego (ehemals Johanniterstraße) oder auch als Fußweg beginnend mit der Treppe gegenüber dem Hotel Lesnik und (b) der ehemalige steile Fußweg, beginnend am Seeuferweg am Tschetschsee vom Schloss zum Tiergarten.
II. Gedächtnisprotokoll zur Sitzung am 27. September 2010
Anwesend waren als Vertreter der Gemeinde die Stadtinspektorin für Kultur Frau Boguslawa Wozniak, als Vertreter der „Sozialkulturellen Gesellschaft der Deutschen Minderheit in Grünberg“ Herr Boleslav Bernaczek, als Vertreterin dieser Gesellschaft in Lagow Frau Iwona Adam und als interessierte Einwohnerin Frau Miroslawa Carmer. Da diesmal keine offiziellen Dolmetscher in der Sitzung anwesend waren, nahmen die beiden zuletzt genannten Damen diese Funktion wahr. Von deutscher Seite waren Frau Annita Zajonzek-Müller aus Stuttgart, Herr Jörg Lüderitz aus Lagow, Frau Christa Weidlich und der Berichterstatter Helmut Sommer aus Berlin dabei.
In Abwesenheit des Bürgermeisters eröffnete Herr Sommer die Gesprächsrunde, begrüßte alle Anwesenden herzlich und bedankte sich bei der Gemeindevertreterin und bei den Vertretern der Sozial-kulturellen Gesellschaft für die in den vergangenen Wochen seit der letzten Sitzung vor Ort geleistete Arbeit. Alle Mitglieder der Arbeitsgruppe hatten sich schon vor der Sitzung bei Spaziergängen davon überzeugen können, dass die im August gegebenen Versprechen für die Zugangswege zum Friedhof eingehalten worden sind – beide Wege sind wieder gut begehbar; am Anstieg vom Seeufer aus sind noch Verbesserungen erforderlich, es soll später noch ein Geländer angebracht werden. Auch auf dem Friedhof selbst war deutlich sichtbar, dass fleißige Hände Unterholz, herabgefallenes Astwerk und hohes Unkraut beseitigt hatten.
Zum Thema Friedhof legte Herr Bernaczek den verbesserten Entwurf 1 eines Hinweisschildes vor, der mit Länderwappen und in deutsch, polnisch und englisch auf den „alten deutschen Friedhof verweist. Das Schild soll an der denkmalgeschützten Stützmauer gegenüber dem Hotel Lesnik angebracht werden – die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde steht aber noch aus. In diesem Zusammenhang teilte Herr Bernaczek mit, dass das größere Lapidarium-Projekt grundsätzlich befürwortet sei, die Finanzierung aber noch auf Schwierigkeiten stoße. Daraufhin sagte Herr Sommer zu, dass die Mitglieder des Heimatkreises die Kosten des von ihnen gewünschten Hinweisschildes übernehmen werden; dann besteht über die Ausgestaltung im Detail jedoch noch Klärungsbedarf.
Zum Thema Ortsmuseum trug Frau Zajonzek-Müller ihre Gedanken vor: Vorläufig – bis 2012 – werden nach Auskunft der Gemeinde die beiden Stadttore doch nicht zur Verfügung stehen, nur der kleine Raum im mittleren Stock des einzigen noch an der Mauer vorhandenen kleinen Fachwerkhauses, wo schon einmal ein Ortsmuseum eingerichtet war. Sie möchte den Raum „Raum des Erinnerns“ nennen und schlägt vor, den Menschen darin die Möglichkeit zu bieten, ihre Erfahrungen, die mit Lagow in Verbindung stehen, in Text und Bild darzustellen, um sie einem interessierten Publikum aufzeigen zu können. Er soll aus der Vergangenheit in die Gegenwart führen und ein Forum sein für einen regen Gedankenaustausch zwischen Deutschen und Polen. Sie habe ihre Gedanken schon mit polnischen und deutschen Freunden besprochen und habe dabei viel Zustimmung erfahren.
Auch die Mitglieder der Arbeitsgruppe stimmen den Vorschlägen zu; Herr Bernaczek bietet an, bei der Vorbereitung mit der Vergrößerung der Bilder zu helfen; einige von den deutschen Arbeitsgruppenmitgliedern mitgebrachte Beispielbilder werden dazu an ihn übergeben. Er ist jedoch der Ansicht, dass der Raum zu klein sei und man deshalb mit solchen Ausstellungen besser in das Kulturhaus der Gemeinde ausweichen solle. Eine Entscheidung dazu wird nicht getroffen. Es wird jedoch vereinbart, bis zur nächsten Sitzung die dargelegten Vorschläge von Frau Zajonzek-Müller bei ehemaligen und jetzigen Einwohnern von Lagow bekannt zu machen und um Mitwirkung zu bitten.
Beginnen möchten wir mit dem Thema:
„Kinder in Lagow – Gestern und heute“
Weitere Themen könnten sein:
„Geschichte deutscher und polnischer Familien vor und nach 1945“
„Lagow im Wandel der Zeit“
„Die Geschichte der Johanniterburg“ …
Nach Schluss der Sitzung begaben sich alle Mitglieder der Arbeitsgruppe in das Haus, wo der Raum des Erinnerns seinen Platz haben wird. Der Raum wirkte jetzt recht deprimierend, da er offensichtlich neben Beständen des früheren Ortsmuseums viele Gegenstände enthält, die dort offenbar nur abgestellt worden sind. Frau Wozniak sagte zu, bis Frühjahr dort aufräumen zu lassen, da die Verantwortung für das Gebäude jetzt bei der Gemeinde liege.
Ein im Raum vorhandener Osterkorb machte dem neuen Namen alle Ehre: Er erinnerte Herrn Sommer an einen Lagower Brauch aus seiner Kindheit. Er trug den Vers vor, den alle Kinder am Gründonnerstag, also am Donnerstag vor Ostern aufsagten:
Gründonnerstag
Ich komme zum Gründonnerstag
Ich bin der kleine Plundersack
Ich bin der kleine König
Gebt mir nicht so wenig
Lasst mich nicht so lange stehen
Ich will noch ein Häuschen weiter gehen
Noch vor der herzlichen Verabschiedung wurde vereinbart, die Arbeitsgruppe im Frühling 2011, also im April oder Mai wieder zusammenzurufen. Als Tagungsort soll grundsätzlich die Gemeindeverwaltung eingeplant werden.
Ein Aufruf an alle Lagower (und andere):
Was mit der Orgel geklappt hat, müsste doch auch beim Friedhof klappen!
Liebe ehemalige und heutige Bewohner Lagows!
Mit diesem Schreiben wenden wir uns an Sie, um Sie um Mitarbeit bei unserem Projekt zu bitten, das hier im obigen Protokoll vom 27. September geschildert worden ist. Wir benötigen dafür nun Bilder und Texte der ehemaligen und jetzigen Bewohner Lagows. Jedes Bild sollte mit einer kurzen Beschreibung versehen sein. Einige Bilder haben wir schon gesammelt. Es existieren auch schon schriftliche Lebenserinnerungen von ehemaligen deutschen Bewohnern. Alle uns zur Verfügung gestellten Originale werden sorgsam behandelt, für die Ausstellung aufbereitet und dann wieder an Sie zurückgeschickt. Alle Ihre Unterlagen senden Sie bitte an meine Postadresse. Auch Geldspenden zum Erwerb der Ausstellungsmaterialien könnten uns helfen.
Geldspenden bitte auf das Konto des Heimatvereins bei der Sparkasse Kamen, BLZ 443 513 80, Kto. 9910 mit dem Hinweis „Friedhof Lagow“; Fotos und oder Texteinsendung mit dem Hinweis „Erinnerungsraum“ an Frau Annita Zajonzek-Müller, Lindenstraße 25, 73760 Ostfildern oder an den Autor Helmut Sommer, Gruberzeile 9, 13593 Berlin.