Heinrich Zille war in Sonnenburg
Als ein später berühmter Mann stellte sich im Jahre 1882 aus Berlin der Maler Heinrich Zille in Sonnenburg zu Gast ein. Damals war er noch nicht der Professor der Akademie und einfach als Vater Zille bekannte Künstler, dessen humorvoll und warmherzig empfundene Zeichnungen nach der Jahrhundertwende hilfsbereit für eine Beseitigung des Großstadtelends eintraten und diemitunter eine heftig anklagende kämpferische Sprache redeten. Als Meister Zille nach Sonnenburg kam, war er bei den Leibern (Angehörige des Leibgarderegiments Nr. 8 in Frankfurt-Oder) Soldat und als solcher an das Zuchthaus nach Sonnenburg kommandiert, um die außerhalb der Anstalt beschäftigten Gefangenen zu bewachen. Hierbei hatte er manches Zusammentreffen mit den „Schokoladenmännern“, wie die Zuchthäusler früher infolge ihrer farbigen Kittel hießen, und die stets Gelegenheit suchten, um „Karabusche“ zu machen. Über die Strafanstaltsbeamten schrieb Zille: „Die Aufseher müssen ja verrückt werden, jahraus jahrein, zwölf Stunden in Filzlatschen diese Brüder beschleichen, nur immer Schnupftabak in die Nase stopfen, das einzigste, was sie machen dürfen, um sich wach zu halten.“
Über das Städtchen selbst berichtet er: „Sonnenburg war damals ein großes Dorf. Fischer, Ackerbürger und kleine Handwerker und dann die vielen Witwen, die den Soldaten und Aufsehern die Wäsche und die Handschuhe besorg-ten.“ Mit einer netten Erinnerung beschließt Vater Zille seine Aufzeichnungen über Sonnenburg. Seinem adligen Leutnant mußte er ein Wappen der Familie, das er unter Hunderten von Familienwappen hier zum Ritter geschlagenen Johanniter in der Kirche entdeckt hatte, kopieren. „Wenn ich nun in der Kirche an dem Wappen bis zur Dämmerung arbeitete, stand immer eine andere von den vielen Pastorentöchtern an der Kirchentür mit der Aufforderung „Papa läßt bitten zum Kaffee!“ Der Pfarrer rauchte dann seine lange Pfeife, die Töchter strickten und machten die damals beliebte Spitzenmalerei. Ich saß dazwischen, nicht als Kommis, sondern ich gehörte dazu. So lernte ich auch die andere Seite des Lebens in Sonnenburg kennen.“
Während seines Sonnenburger Aufenthaltes hat Heinrich Zille unsere Stadt in drei Bildern verewigt, einem Aquarell und zwei Zeichnungen. (…) Auf der einen Zeichnung steht im Vordergrund ein Soldat auf Posten, dahinter sind Witschaftsgebäude des Zuchthauses und die Sonnebuger Kirche zu sehen. In der zweiten Zeichnung ist eine Gesamtansicht der Stadt von 1882 festgehalten, auf der auch die beiden Windmühlen, die damals am Töpferberg standen, zu erkennen sind. Das Aquarell zeigt uns ein reizendes Idyll aus der Drossener Straße. Nach der Melodie „Muß i denn …“ nimmt ein Soldat von seiner Liebsten, die ihm aus dem Giebelfenster eines malerischen Fachwerkhauses mit Strohdach und Storchnnest zuwinkt, herzlichen Abschied.
Übernommen aus: Der Heimatbrief des Kreises Oststernberg
Nr. 10, 1978