Treffen ehemaliger und jetziger Einwohner Zielenzigs im Johanniterhaus
Auf Seite 2 unseres Heimatbriefs 2/2013 hatten wir alle Zielenziger aus unserem Heimatkreis eingeladen, am 5. Oktober nach Zielenzig zu kommen. Weitere 60 Heimatfreunde aus Berlin oder der näheren Umgebung wurden persönlich eingeladen.
Schließlich waren von deutscher Seite 40 Teilnehmer zu verzeichnen, 20 davon waren „echte Zielenziger“ mit Angehörigen. So summierte sich die Teilnehmerzahl mit der polnischen Seite zu etwa 75 Teilnehmern.
Ältester deutscher Teilnehmer war 85 Jahre alt.
Ein Treffen mit den jetzigen Einwohnern war mit Bürgermeister Deptuch schon lange verabredet. Der
Name Karl Kaiser ist unter den Oststernbergern, unter den Zielenzigern sowieso, lebendig. Seine wirtschaftlichen und sozialen Leistungen für die Mitarbeiter der Kaiserwerke und Zielenzig und den Kreis sind bekannt. Auch heutigen Einwohnern Sulęcins ist Karl Kaiser bekannt. Stadtpläne verzeichnen seinen Namen. Das war der Anlass in diesem „Kaiserjahr“ Zeitzeugen zusammenzuführen, Erlebnisse und Erfahrungen unter den deutschen und polnischen Zielenzigern auszutauschen. Eine besonders glückliche Fügung war, dass Waltraud Finking geb. Kaiser und Siegfried Kaiser mit ihren Ehepartnern die Teilnahme zugesagt hatten.
Ein großes Lob den Teilnehmern. Alle waren pünktlich am ZOB in Berlin, obwohl viele, wie Christa Breitfeld aus der Gegend um Neuruppin eine komplizierte Anreise mit Fahrrad und Bahn zu erledigen hatten.
Dazu noch prächtiges Wetter!
Ebenso pünktlich war der Bus am Zwischenhalt, in Fürstenwalde West. Hier stiegen zwei Beeskow-Zielenziger zu. Zur Einstimmung sorgten auch die von Helga Habermann verteilten selbstgedörrten Wildbirnen und Cantuccini-Mandelkekse.
Nach der Autobahn-Oderbrücke bei Swiecko dann über die neue Autobahn-Mautstrecke von Reppen/Rzepin bis zur Ausfahrt Sternberg. Und dann die von Bäumen im goldigen Herbstlaub umstandene Verbindungsstraße Malsow-Tauerzig-Ostrow entlang, die Polackenstraße vor Ostrow gekreuzt. Schon sind wir in Zielenzig.
Dann schwenkt der Bus pünktlich um 11.15 Uhr auf den Parkplatz des Johanniterhauses ein. Nach herzlicher Begrüßung vom Bürgermeister und der PR-Chefin Agniezka Mazurczak und dem Leiter des Hauses, Jacek Cieluch, gibts Kaffee, Imbiss und Gebäck. Im Konferenzraum warten schon die polnischen Ehrengäste. Mit geringer Verspätung kann das offizielle Tagesprogramm gestartet werden.
Nach Begrüßung durch den Hausherrn, Jacek Cieluch, folgen die offizielle Eröffnung des Treffens und die
Begrüßung der Teilnehmer und Ehrengäste durch Michal Deptuch und Heinz Habermann. Michal Deptuch lässt es sich nicht nehmen, Waltraud Finking persönlich einen Blumenstrauß zu überreichen.
Unter den polnischen Ehrengästen sind der Vorsitzende des Stadtrats, Leon Szepanski, Oberförster Wasilkow, sowie die Vorsitzenden der Veteranenverbände.
Heinz Habermann führt mit einem Kurzvortrag in Lebenslauf und Leistung von Karl Kaiser ein. Hier zeigt sich auch, wie sorgfältig sich die Teilnehmer auf diesen Tag vorbereitet haben: Das sorgsam gehütete Exemplar der Betriebsordnung eines Teilnehmers, in dem die sozialen Leistungen der EWK1 festgeschrieben wurden, wandert von Hand zu Hand.
Kurz vor Mittag stehen die Busse bereit zur Rundfahrt. Unser Busunternehmen hat einen Bus mit 55 Sitzplätzen zur Verfügung gestellt, so können wir einen Dolmetscher und einen Teil der polnischen Gäste mitnehmen. Anstelle der erkrankten Frau Baitis übernimmt Heimatfreund Horst Lange in unserem Bus die Erklärung. Im kleineren, polnischen, führt Stefan Wiernowolski, der darüber hinaus als Fotograf aktiv ist. Am E-Werk, Badeweiher mit Thingplatz vorbei ist erster Erläuterungshalt der Weinberg. Weiter, am Kaiser-Grundstück vorbei, in der Ferne schimmern Umrisse der jetzt in Privatbesitz befindlichen „Villa Kaiser“ durch die herbstlich bunten Bäume.
Dann sind wir schon am Friedhof Ostrow. Hier hatte Kaiser eine Familiengrabstätte für sich und seine engen Mitarbeiter anlegen lassen.
Der Friedhof wurde vor Jahren innerhalb eines europäischen Projekts gesäubert, die Grabsteine, soweit
möglich, aufgerichtet bzw. in einem „Lapidarium“ zusammengeführt.
Die Kaiser-Familiengrabstätte, an der Friedhofsmauer einst aus Findlingen errichtet, ist durch ein aufgemaltes goldfarbenes Kreuz, darunter der Schriftzug „Familie Karl Kaiser“ kenntlich.
Hier werden das vom Bürgermeister mitgebrachten Gebinde gemeinsam abgelegt und die Schleifen gerichtet. Nach einer Totenehrung durch Pfarrer i.R. Hans-Dieter Winkler geht die Busfahrt an den Gebäuden der ehemaligen Kaiserwerke vorbei, weiter zum Stadtpark.
Hier wird das Gebinde des Heimatkreises am 1998 neu geweihten Gedenkstein niedergelegt und ebenso eine kurze Totenehrung durch H.-D. Winkler gesprochen.
Vorbei2 an Post, Fabrik Neuenfels und Finanzamt gelangen wir an die Stadtmauer und um 14.00 Uhr zum Restaurant „Hetman“.
Nach angeregten Gesprächen beim Mittagessen, bei deren Übersetzung unserem Dolmetscher Gregorz Zaloga und seinem Kollegen kaum Zeit für einen Bissen bleibt, wird um 15.30, der von Frau Mazurczak besorgte Wildbirnbaum3 (Pyrus pyraster) gepflanzt.
Als Pflanzmannschaft angetreten sind Bürgermeister Deptuch, Oberförster Wasilkow, HK-Vorsitzender Habermann und HK-Stellv. Vorsitzender Winkler.
Der Baum wurde, mit Kurzreden, Segenswünschen und guten Pflanzratschlägen aller Anwesenden versehen, in das vorbereitete Loch gepflanzt und fachmännisch angegossen.
Bürgermeister und Vorsitzender enthüllten danach feierlich den vorbereiteten Gedenkstein mit der
Aufschrift:
„Diesen Birnbaum, seit Jahrhunderten ein Wahrzeichen der Kulturlandschaft des Zielenziger Landes, haben ehemalige und heutige Einwohner dieses Landes gemeinsam als Ausdruck ihrer Verbundenheit mit ihrer Heimat gepflanzt.“
Ab 16.00 Uhr zeichnet ein Kurzfilm über Zielenzig und ein Kurzreferat des Bürgermeisters zur Lage der Stadt ein positives Bild des heutigen Sulęcin und seine Zukunftsaussichten. An den sichtbaren Veränderungen im Stadtbild, ganz besonders auch in der Umgebung des Johanniterhauses, ist das auch zu sehen. Die restliche Zeit wird, unter Moderation durch den HK-Vorsitzenden, für einen polnischen und einen deutschen Zeitzeugenbericht genutzt.
Als erster berichtet der Vorsitzende des Zielenziger Zweigs des Veteranenverbandes Bolesław Karaś: B. Karas kam als damals 10-Jähriger im Juli 1945 nach Sternberg. Er schildert darin u.a. den Zustand der Landschaft mit einer durch Schützengräben und Panzer zerschundenen Oberfläche. In den Schützengräben stieß er dabei unwissenlich auf nur dürftig verscharrte Soldaten. Auf den Wiesen grasten Riesenherden von Kühen.
Rita Koblenc, geb. Waldow, 1945 14 Jahre alt, Tochter des ehemaligen Bürgermeisters von Zielenzig,
schildert die besonderen Erlebnisse einer mit der Mutter „Dagebliebenen“. Sie hat später einen Polen geheiratet und ist in den achtziger Jahren nach Deutschland ausgereist.
Es ist 17:00 und wir müssen nach diesem ereignisreichen Tag schließen und die Heimreise antreten. Am Bus werden wir herzlich vom Bürgermeister und den polnischen Gästen verabschiedet.
Nach diesem denkwürdigen Tag in Zielenzig/Sulęcin sind alle Teilnehmer voller vielfältiger Eindrücke nachhause gefahren.4
Viele waren das erste Mal wieder in der alten Heimat. Alle fühlten, es hat sich gelohnt!
Eine entspannte und frohe Reisegruppe machte sich auf die Heimfahrt.
Bürgermeister Deptuch und wir sind der Meinung:
Wir sollten diese Kontakte zwischen der polnischen und der deutschen Erlebnisgeneration vertiefen solange es noch geht.
Heinz Habermann, Fotos: D. Groos, H. Habermann, A.Mazurczak. S. Wiernowolski
1 EWK = Elektromotorenwerke Kaiser
2 Die Teilnehmer erhielten einen vergrößerten Stadtplan (s. HB 1/13 S. 10) mit Kennzeichnung der Punkte aus der Stadtwanderung in „Heimatglocken leise klingen iv.“ (s. HB 1/13 S. 7-11)
3 Er steht für Zielstrebigkeit, Zähigkeit und Lebenskraft, Ein Wildbirnbaum-Exemplar hat sogar die Twintower Katastrophe in New York am 11.9.2001 überstanden.
4 Über diese Reise hat Heimatfreund Dieter Groos eine DVD mit einer Powerpoint-Präsentation angefertigt. Bei Interesse bitte H. Habermann anrufen.