Karl Kaiser – 125 Jahre (1)
Er produzierte Spitzenprodukte der Elektrotechnik in Zielenzig und schuf vorbildliche soziale Einrichtungen
Es ist eine schier unglaubliche Erfolgsgeschichte dieses einfachen Landarbeiters aus Gleißen. Ihm gelang es, nach 15 Lehr- und Wanderjahren, in Zielenzig, in weniger als 10 Jahren, von 1919 bis 1929, einen leistungsfähigen Betrieb der Elektrotechnik mit Weltgeltung aufzubauen. Und dies trotz Inflation und Weltwirtschaftskrise. Der Name Karl Kaiser ist allen ehemaligen Bewohnern Zielenzigs und des Kreises Oststernberg noch lebhaft im Gedächtnis. Spuren seines unternehmerischen, sozialen und kulturellen Wirkens begegnen uns im Stadtbild des heutigen Zielenzig noch auf Schritt und Tritt. Im Juni dieses Jahres 2013 wäre Karl Kaiser 125 Jahre alt geworden. Im Dezember vor 100 Jahren erwarb er in Berlin seinen ersten eigenen Betrieb. Vor 75 Jahren wurde er Ehrenbürger von Zielenzig.
Einen, von ihm bei der Wanderung durch die Heimat gefundenen Findling hatte er 1932/33 „dem neuen Deutschland“ gewidmet. Dieser Stein wurde vor 15 Jahren, am 17. Oktober 1998, vom Stadtrat Sulecin und unserem Heimatkreis Oststernberg mit der Inschrift „Zum Gedenken an die Toten, denen dieses Land Heimat war“ eingeweiht. Verf. Dankt Frau Waltraud Finking, der jüngsten Tochter Karl Kaisers, für die Überlassung von Unterlagen zu diesem Bericht, insbesondere der Festschrift zum 25jährigen Bestehen der Kaiserwerke, 1938.
1. Der dornige Weg zum Unternehmer
Im Dreikaiserjahr 1888 wurde Karl Kaiser als Sohn des Tischlers und Eigentümers Wilhelm Kaiser in Gleissen geboren. Schon frühzeitig lernte er, Verantwortung zu übernehmen und Menschen anzuleiten: In der Frühe musste er vor dem täglichen Schulbeginn in der Landwirtschaft mithelfen. Als ältestes von 6 Kindern hatte er naturgemäß auf seine jüngeren Geschwister aufzupassen.
So hielt es ihn nach der Konfirmation und einem Landarbeiterzwischenspiel bei einem unfreundlichen Bauern und auf dem Gut Gleißen nicht mehr am heimatlichen Hofe. Er strebte nach Höherem. Er wollte Selbständigkeit und etwas Eigenes besitzen. Er ging nach Berlin.
1904 fand er Arbeit bei Borsig. Hier erfuhr er auch von der soziale Verantwortung eines Unternehmers: Borsig hatte für seine Mitarbeiter Kantinen, eine Sterbekasse und Wohnungen in Borsigwalde eingerichtet.
Nach kurzer Arbeitslosigkeit fand er von 1907 - 1909 eine Anstellung beim Zeppelin- und Flugzeughallenbauer L. Bernhard & Co in Berlin-Tegel, der für die Stadt Metz-Frescaty eine Zeppelinhalle baute.
Was Berlin Karl Kaiser an Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten bot, sog er in sich ein wie ein trockener Schwamm. An seinem Lebensweg können wir nachvollziehen, wie er all das Gelernte und Erfahrene später wieder nutzbringend für sein erklärtes Ziel anzuwenden verstand. Durch seine bisherige Arbeitserfahrung erkannte er sehr schnell das Entwicklungspotenzial, der damals noch jungen Elektromotorentechnik.
Von 1909 - 1911 erlernte er die Basistechnologie, nämlich die (Anker-)Wickeleitechnik des Generatoren-/Elektromotorenbaus bei der Firma Maffei-Schwartzkopff in Wildau/bei Berlin. Zur tagsüber erlernten Praxis eignete er sich die theoretischen Grundlagen in Abendkursen an. Heute nennen wir diese Ausbildungsart „duales System“. Bei seinem immensen Fleiß konnte er schon nach zwei Jahren die Gesellenprüfung vor der Handwerkskammer in Berlin ablegen. Darüber hinaus brachten ihm sein Fleiß und seine Begabung eine Vorarbeiterposition ein.
Im Jahre 1910, mit 22 Jahren, hat er geheiratet. Es wurden zwei Söhne, Alfred (1911) und Herrmann (1917) geboren.
Durch die gebesserte Verdienstlage konnte Karl Kaiser nur drei Jahre später sein eisern ersparten Geld für sein erstes Etappenziel, Selbständigkeit und Eigentum einsetzen:
Am 13.12.1913 erwarb er in der Alexandrinenstr. 48 in Berlin die Elektrotechnische Werkstatt Arthur Böhme Nachf. ; eine Spezialwerkstatt für die Reparatur von Elektromotoren.
Er meldete sich 1915 freiwillig zum Militär und konnte sich dadurch, eine seinen technischen Interessen förderliche Waffengattung aussuchen: Die Nachrichtentruppe 1 – Berlin Treptow.
Er blieb bis zum Kriegsende dabei. Es gelang ihm geschickt und erfolgreich seinen Betrieb von 1915 - 18 mit Hilfe von angelernten Mitarbeitern Schweizer Nationalität weiterzuführen.
Dann legte er im Februar 1919 die Meisterprüfung vor der Handwerkskammer in Berlin ab.
Im selben Jahr 1919 plante er, einen Produktionsbetrieb in seiner Heimat, in Zielenzig, zu errichten.
Als dies durch die Kurzsichtigkeit der Stadtväter in Zielenzig zunächst scheiterte, wich er kurz entschlossen auf ein Mühlengrundstück in Ostrow aus. Er kaufte eine ehemalige Brauerei zum Abbruch dazu und nutzte die gewonnenen Baumaterialien der beiden Grundstücke. Ab dem Jahre 1920 wurden so das Hauptgebäude der Fabrik und ein großes Wohnhauses für die Werksangehörigen errichtet. Der Nahrungsmittelknappheit in den harten Inflationsjahren 1919 - 23 begegnete er ideenreich durch den Tausch von Elektromotoren gegen Lebensmittel bei den Bauern und auf den Gütern in der Mark Brandenburg.
Der Bau in Zielenzig und der laufende Betrieb in Berlin erzwangen sein ständiges Pendeln zwischen den Betriebsstätten.
Aber dann, in den Jahren 1924 - 1929, in den „goldenen Zwanzigern“ , so muss man heute feststellen, hat Karl Kaiser das solide Fundament für die weitere Entwicklung seines Betriebes in Zielenzig gelegt: Der Betrieb wurde weiter ausgebaut, eine Metallgießerei wurde errichtet. So konnte eine Unabhängigkeit von Zulieferern gewonnen werden. Durch umfangreiche Urbarmachungs- und Erdbewegungsarbeiten, wurde fruchtbares Land geschaffen, Werkswohnungen und das eigene
Landhaus, die „Kaiservilla“, erbaut.
Sein landwirtschaftlicher Besitz umfasste nun 700 Morgen. Bereits seit 1925 wurden die Erzeugnisse auf der Industriemesse in Leipzig vorgestellt und somit ein großer Kundenkreis erreicht.
1928 erfolgte eine Wiederverheiratung mit der Tochter Ilse des Architekten Otto Junker aus Kriescht, nachdem die erste Ehe 1923 geschieden worden war. Aus dieser Verbindung entstammen drei Töchter und zwei Söhne.
In Berlin wurden in demselben Zeitraum die Grundstücke Dresdner Straße 77/78 und
Ringbahnstraße 52 - 56 in Berlin Tempelhof erworben und der Berliner Betrieb 1929 in die Ringbahnstraße, in der Nähe des Flughafens Tempelhof, verlagert.
Aufgrund dieser gesunden Entwicklung konnte die Weltwirtschaftskrise, besonders die Jahre 1930 - 32, ohne nennenswerte Entlassungen überstanden werden.
Die Betriebe standen auf einer so soliden Basis, dass Karl Kaiser 1932 - 1933, zum Abschluss der Krisenjahre, einen Coup landete und seinen Ruf als unerschütterlicher „Macher“ festigte. Auf eigene Kosten und mit seinen Bauhandwerkern und Mitarbeitern errichtete er einen Ehrenhain mit Obelisk für seine im Ersten Weltkrieg gefallenen Kameraden.
Der wachsende wirtschaftliche Erfolg bedingte eine Erweiterung der Produktionskapazität. 1937 kaufte Karl Kaiser daher in Drossen eine Lederwarenfabrik dazu, setzte die Fabrikation der Lederwaren fort und erhielt so die Arbeitsplätze der vorhandenen Mitarbeiter. Auch hier wurde mit der Fabrikation von Elektromotoren begonnen; ein Bahn-Gleisanschluss wurde geschaffen und eine neue Fabrikhalle von 4000 qm Flächeninhalt erstellt. Diese neue Halle erhielt einen modernen Elektro-Stahlofen zur Metallveredlung/Härtung der stark beanspruchten Lagerbuchsen und neuzeitliche Anlagen für den Bau von neu entwickelten Serienmotoren.
Durch den Zukauf der Mittelmühle in Drossen und des anschließende Weinberggelände entstanden auf dem 400 Morgen großen Besitztum weitere Mitarbeiter- und Erholungseinrichtungen..
Am 21. Juni 1938 , seinem 50. Geburtstag, erhielt Karl Kaiser die Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Zielenzig.
Die Elektromotoren-Werke Kaiser zählen ab 1938 mit zu den größten Betrieben der elektrotechnischen Industrie in Deutschland. Ihr Abnehmerkreis umfasste das Elektrohandwerk, die Landwirtschaft, die deutsche Maschinenindustrie und die lüftungstechnische Industrie; ferner die Verkehrsunternehmungen, den Schiffsbau und staatliche Behörden. Für eine detaillierte Beurteilung müssten statistische Daten herangezogen werden. Dies würde aber den Rahmen dieses Berichtes sprengen.
2. Eigentum verpflichtet: Karl Kaisers soziale Leistungen
In der Erinnerung der Zielenziger sind die zahlreichen sozialen Leistungen Karl Kaisers für seine Mitarbeiter und für Zielenzig geblieben. Von diesen können hier nur einige genannt werden.
Kaiser als begabter Mitarbeiterführer, war sich von seinen Lehrjahren her wohl bewusst, was zu tun ist, um gute Mitarbeiter an den Betrieb zu binden.
Das Ausflugsgelände ,,Weinberg“ wurde am 1. Oktober 1936 von dem damaligen Besitzer Otto Karg von Kaiser erworben und vollkommen umgestaltet mit Festhalle, Theaterbühne, Restaurationsbetrieb für die Mitarbeiter und Einwohner Zielenzigs versehen. Diese Anlage wurde später der Stadt Zielenzig übereignet.
Ein großer Sportplatz wurde errichtet auf dem die wesentlichen Leichtathletik-Sportarten und Tennis betrieben werden konnten. Dazu richtete er Betriebsport- und Musikgruppen ein und förderte diese finanziell. Die Werkfeuerwehr half auch im übrigen Zielenzig aus.
Für den Segelflugsport ließ Kaiser eine besondere Halle erbauen und mit allen erforderlichen Werkzeugen ausrüsten. Er hatte ja auch im Flugzeughallenbau, wie wir gesehen haben, eigene Erfahrungen gesammelt.
Um seinen Werksangehörigen die Möglichkeit zu geben, die deutsche Heimat kennenzulernen, schaffte er einen 50-sitzigen Reise-Omnibus an. Dieser Bus wurde von den Werksangehörigen kostenlos benutzt.
1938 hat Kaiser eine Betriebsordnung zur Sicherung des betrieblichen Fortschrittes und des Ausbaues der sozialen Fürsorge erlassen.
Darin sind so weitgehenden Themen wie gesundheitliche Fürsorge (sichergestellt durch Betriebsärztliche Untersuchung), und Kostenzuschüsse von 50% für Fortbildungskurse der Mitarbeiter festgelegt. Auch Zeitschriften und Fachbücher werden für alle Berufszweige verfügbar gemacht.
Zur Absicherung gegen unverschuldeter Not wurde das Hilfswerk EWK e. V. eingerichtet. Es sollte den Betriebsangehörigen und Hinterbliebenen bei wirtschaftlicher Notlage eine zusätzliche Unterstützung sichern. In dieses Hilfswerk flossen jährlich etwa 10 % des Reingewinnes.
Der christliche Glaube, überwiegend protestantischer Prägung, war in der Bevölkerung Oststernbergs tief verwurzelt. Es steht zu vermuten, dass die Motivation zu Karl Kaisers Handeln daraus erwuchs.
Hervorzuheben ist Folgendes: Karl Kaiser kaufte die Lederfabrik in Drossen nachdem diese vom jüdischen Vorbesitzer an einen „Treuhänder“ übergegangen war. Er erhielt die Arbeitsplätze der Mitarbeiter und steigerte deren Produktivität.
3. Was wurde aus dem Lebenswerk von Karl Kaiser?
Kaiser starb, nach sowjetischen Quellen, 1946. Wo er starb wurde nicht mitgeteilt. Ein bitteres Ende für einen erfolgreichen, sozial engagierten Industriellen.
Über den Neuanfang von Angehörigen und Mitarbeitern nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in Berlin und der Bundesrepublik ist bereits aus Anlass früherer Jubiläen berichtet worden. Etwa im „Oststernberger Heimatbriefes“ 2/88 vom Sohn Hermann Kaiser und Siegfried Porath berichtet worden („Karl Kaiser – vor 100 Jahren geboren“).
Es gibt noch Elektromotoren Werke Karl Kaiser GmbH & Co in Neumünster. Die Eigentümer haben in der Zwischenzeit gewechselt, beziehen sich aber weiterhin auf das Gründungsdatum 1913.
(1) Unter Verwendung der Beiträge von Georg Krause (Ohmsche Briefe); Roth-Lustig, Adolf: Karl Kaiser – vor 100 Jahren geboren (HB 1/88); Hermann Kaiser und Siegfried Porath (HB 2/88);
Heinz Habermann