Eine Kindheitserinnerung kehrt zurück.
Erinnerungen von Renate Uhlig geb. Grätz
Vor Kurzem habe ich im Fernseher den 3-tlg. Film „Unsere Väter unsere Mütter“ gesehen. Ein Film vom Zweiten Weltkrieg, schrecklichen Grausamkeiten, den Kampf um Macht und Überleben.
Ich habe mir alle Teile angesehen. Voller Spannung und Neugier bis zum bitteren Ende. Soviel haben wir davon auch nicht gewusst. Wie hart unsere Väter und Brüder an der Front gekämpft haben und wie jung die Soldaten waren. Unser Bruder wurde im Februar 1945, mit 14 Jahren, nach Russland verschleppt. Auch die Schwester, mit 18 Jahren, war russische Gefangene und erlebte viele Grausamkeiten. Unser Vater war auch Soldat und russischer Gefangener. Viele Heimatfreunde haben sicher Ähnliches erlebt. Es wurde viel darüber gesprochen, was unsere Väter und Mütter so erlebt haben. Die Väter kämpften an der Front und die Mütter kämpften ums Überleben mit ihren Kindern. Was mussten sie alle für Schmerz und Leid ertragen. Meine Geschwister und der Vater sind alle zurückgekommen, – müde und abgekämpft. Bei uns Kindern und der lieben Mutter war die Freude groß.
Im Juni 1945 mussten die Bürger von Lagow sich auf dem großen Platz Nähe der Tankstelle versammeln. Es wurden alle Namen verlesen und den Trecks zugeordnet. Am späten Nachmittag wanderten wir dann los. Auf „Nimmer-Wiedersehen” schönes Lagow. Jedes Kind hatte den Ranzen voll gepackt. Ich war damals erst 7 Jahre alt, aber ich weiß noch Vieles von dieser Zeit zu berichten. Die Flucht ging in Richtung Frankfurt/Oder. Über die schon eingestürzte Brücke sind wir mit sehr viel Angst und Geschrei balanciert. Schrecklich! In Frankfurt/Oder verstarb dann der Großvater, wir mussten ihn dort zurücklassen. Wir sind nun der Flucht gefolgt, haben in Wäldern und alten Unterkünften geschlafen. Zum Essen war nichts mehr vorhanden. So mussten wir suchen und betteln und auch hungern. Unsere Mutter mit den sieben Kindern hatte es sehr schwer. Unterwegs wurde sie auch noch schwer krank. 2 Kinder mussten noch getragen werden, sie waren erst 3 und 5 Jahre alt. Die größeren Geschwister haben unsere Mutter sehr unterstützt. So sind wir nach vielen Wochen in Mecklenburg gelandet und wollten keinen Schritt mehr weiter. In Gefangenenbaracken bekamen wir ein Zimmer für zwei Familien. Wir lagen dicht an dicht auf Strohsäcken. Die Wanzen kamen und wir haben uns durch die Nacht gequält. Es war grausam, aber auch das haben wir geschafft.
So langsam ging es weiter. Wir haben die Schule besucht, machten den Abschluss. Einige konnten auch noch einen Beruf erlernen. Die größeren waren alle in „Stellung” um ihr Essen selber zu verdienen.
Nun sind die Eltern und fünf Geschwister nicht mehr unter uns. Von Lagow und unserem schönen Haus wird noch viel erzählt. Einige Male haben wir Lagow schon besucht. Auch waren wir des Öfteren beim Heimattreffen in Berlin Tegel. Einmal würden wir gern noch mal nach Lagow fahren um Abschied zu nehmen. Es ist schön, dass auf dem alten Friedhof ein Gedenkstein für die Deutschen geschaffen wurde. Auch freuen wir uns über das neue Museum. Herzlichen Dank dafür. Ebenso nehmen wir die Heimatzeitung gerne dankend an. Freuen uns über jeden Bericht. Durch uns haben auch unsere Kinder und Enkelkinder vieles über Lagow erfahren. Zusammen mit unseren Eltern haben wir eine schöne Zeit gehabt, leider viel zu kurz. Die Erinnerung an unser schönes Lagow tragen wir tief in unserem Herzen. Sie bleibt unvergessen.
Ich wünsche allen Heimatfreunden viel Gesundheit und Freude am Lesen.
Renate Uhlig, Rathausstr. 64-66, Geesthacht
Lagow
Lagow, du wunderschönes Städtchen.
Hier lebten wir als kleine Buben und Mädchen.
Umgeben von vielen Wäldern und See’n,
oh, Lagow wie bist du doch schön.
Sind oft die Burg hinaufgestiegen,
um von oben die Schönheit zu genießen.
Viele Blaubeeren wuchsen im Sommer heran,
denn Blaubeeren und Hefeklöße hatten es uns angetan.
Weit entfernt liegt nun unser schöner Ort,
doch die Erinnerung, die bleibt, sie ist nicht fort.
Tief im Herzen bleibt die Sehnsucht bestehen,
ach Lagow wie bist du doch schön.
Renate Uhlig