Hund aus der alten Heimat
Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal nach Königswalde fahren würde um einen Labrador-Welpen abzuholen. Einen stämmigen dunkelbraunen Rüden von acht Wochen. Königswalde war ja nicht meine direkte Heimat, sondern es war Langenfeld von der Geburt 1931 bis zu Vaters Versetzung als Pfarrer nach Berlin 1937 und später bin ich als „Evakuierter“ von Breesen aus in Zielenzig, bis zur Flucht im Januar 1945, zur Schule gegangen.
Aber: Oststernberg ist Heimat – also auch Königswalde.
Meine Nichte Gabriele wollte einen zweiten Hund und wollte doch wieder nicht, ja doch – aber nein doch nicht. Und so sagte sie den Besichtigungstermin bei dem international anerkannten Züchter Herrn Andrezej Rzempoluch in Königswalde (69-210 Lubniewice, ul. Jana Pawla 11 77) wieder ab, auch weil ihr schöner brauner, aber leider tauber Golden Retriever, ein, aus einer belgischen „Zucht Jabrik“ frei gekaufter Zuchtrüde, sich bei einem Sprung aus dem Auto einen Bandscheibenvorfall zugezogen hatte. 14 Tage war Gabriele traurig, weil auch der taube Bernd einen Partner brauchte und nun wohl nicht mehr bekam.
Da sprach mich Ragna, Gabrieles Tochter, an und sagte sie wolle nach Königswalde, heimlich, und für Mutter den Welpen holen. Telefonisch wäre alles geregelt. Ob ich nicht mitkommen würde, ich kenne doch den Weg und dies gäbe ihr Sicherheit. Freudig sagte ich zu. Wieder über Langenfeld und Zielenzig, dann nach Wandern hoch und links ab nach Königswalde. Heimat. Und da konnte ich gleich noch einmal sehen, wie weit der Ausbau des Pfarrhauses in Langenfeld seit meinem letzten Besuch am 21. Mai 2012 vorangekommen war. Bis 2010 war nichts mehr daran getan worden. Die dort einst installierte Dorfschule war schon lange ausgezogen.
2011 im Mai, als ich mit meinem Sohn auf dem Weg nach Masuren in Langenfeld vorbeischauten, da tat sich aber schon etwas: Kleine Schuttberge lagen im Garten neben dem Haus. Also doch wieder Instandsetzung?
Ja! Im Mai 2012 war das Dach neu gedeckt, die Fassade gesäubert, der Klinker strahlte. Die Fenster waren neu, auch die Kellerfenster und mit Gittern versehen. Ein sehr schönes schmiedeeisernes Tor begrenzte die Zufahrt zum Garten, die es früher so nicht gab.
Als ich alles betrachtete und Fotos machte, kam ein etwa 35/40-jähriger junger Mann mit Familie vorbei und sprach mich an. „Ja,“ sagte ich, „ in diesem Haus habe ich die ersten 6 Lebensjahre verbracht.“ Und er antwortete, „und ich bin da drinnen in die Schule gegangen.“ Die Verständigung der beiden „Langenfelder“ ging gut, denn er sprach relativ gut Deutsch. Er ging mit mir in die „Baustelle“, Frau und Kind warteten draußen. Kein Handwerker da. Und so konnte ich durch Staub und an Werkzeugen vorbei mir alles anschauen. Da wo sein Klassenraum war, war einst unser Wohnzimmer. Vaters großes Arbeitszimmer hatte eine Trennwand bekommen. Und wo früher der Aufgang war, hatte man die Treppe fortgenommen und die Schülertoiletten eingerichtet. Was der neue Besitzer mit diesem Raum vorhat, war nicht zu erkunden. Der neue Eingang mit den Treppen liegt jetzt rechts neben dem Haus.
Und nun am 18. August 2012 war alles schon fast fertig. Altes Haus im neuen Glanz.
Auch das Haus vom Pfarrhofpächter Stein gleich neben dem Pfarrhaus strahlte in schönem Weiß. Nur das Stallgebäude sah schon sehr alt aus. Bis auf das gelbe Tor zu Vaters damaliger Garage. Die Scheune war schon lange nicht mehr da. Ein trauriger Anblick.
In Zielenzig zeigte ich Ragna auch die Schule am Stadtpark, früher Mittelschule, heute Lyzeum. So konnte sie sehen, wo ihr Großvater mütterlicherseits aufgewachsen und zur Schule gegangen war.
Gleich neben der propperen Schule in Zielenzig erstrahlte das einstige Försterhaus vom Revierforster Schneider in schönem gedämpften Gelb. Heute ist dort die Stadtbücherei untergebracht.
In Königswalde wurden wir nett begrüßt und bekamen unseren Prachtwelpen. Alle Papiere waren in Ordnung, alle Untersuchungen von Kreistierarzt bescheinigt. Herr Rzempoluch lag mit Beinbruch in Zielenzig in der Klinik und so wickelte seine Frau das Geschäft ab. Die „Oma“ war gerade dabei den Autoabstellplatz neben dem Haus zu pflastern. Wir lobten den Zustand des wohl alten Hauses. „Es wäre immer viel zu tun,“ sagte Frau Rzempoluch, „denn das Haus wäre schon fast 90 Jahre alt. Leider sind die alten deutschen Besitzer verstorben, die fast jedes Jahr zu Besuch kamen.“
Ich war nicht in Polen, ich war wieder einmal in der Heimat.
Johannes Rasenberger
PS: Soeben kam ein Brief von Freunden aus Frankfurt/Oder. Deren polnische Freundin hatte Erkundigungen betreffs des Pfarrhauses in Langenfeld beim dortigen Priester Jan Podedworny eingezogen.
Seit einigen Jahren ist das Haus keine Schule mehr. Ein Privatmann aus Schwiebus hat es gekauft, restauriert und 9 Wohnungen daraus gemacht, die er vermieten oder verkaufen will.