Zur Geschichte von Langenpfuhl – Teil 2
Der Johanniterorden bestimmte über Jahrhunderte die Geschicke des Dorfes
Von Karl-Ludwig Vollmar
Aufhebung der Naturalhofedienste
In den Ordensdörfern unterscheidet man zwischen Bauern, Halbbauern und Kossäten (Gärtnern). Bauern haben 4 oder 2 Hufen Land, Halbbauern 1, Kossäten ½ Hufe. Die von ihnen bewirtschafteten Ländereien sind Eigentum des Johanniterordens. Bauern und Kossäten sind dem Grundherrn zu Naturalhofediensten1 verpflichtet.
Die Bauern der zur Kommende Burschen gehörenden Dörfer Burschen, Langenpfuhl, Seeren und Tempel haben ihre Dienste auf dem Vorwerk Burschen des Johanniterordens zu leisten. Art und Umfang der Dienste sind für jeden einzelnen Bauern und Kossäten entsprechend der Anzahl der von ihm bewirtschafteten Hufen im Hausbuch der Kommende festgelegt. Es sind überwiegend jahreszeitlich bestimmte, landwirtschaftliche Tätigkeiten, oft gerade an den Tagen, an denen die gleichen Arbeiten auch auf den eigenen Feldern notwendig gewesen wären. Aufgabe des Lehnschulzen ist es, die Dienste „anzusagen“ (den Dienstpflichtigen mitzuteilen, wann, wo, was zu tun sei). Diese Dienste sollen um 1800 auch für die Untertanen des Johanniterordens durch Geldzahlungen ersetzt werden, nachdem Preußen schon seit einiger Zeit mit derartigen Vorhaben begonnen hat.
Zur Vorbereitung der Aufhebung der Naturalhofedienste sendet die Sonnenburger Ordensregierung am 11.12.1793 Beamte nach Langenpfuhl, um dort eine Bestandsaufnahme über den Zustand des Dorfes und die zu leistenden Dienste anzufertigen. Die Protokolle dieser Bestandsaufnahme sind erhalten. Sie geben interessante Einblicke in das dörfliche Leben um 1800.
Ein Protokoll beschreibt den Zustand der Langenpfuhler Kirche2:
„Die Kirche […] steht mitten im Dorfe, ist von Holz gebauet, mit Ziegeln ausgeflochten und neben der Kirche gegen Abend ein Thurm, worauf 2 Glocken, eine von 5, die andre von 3 Centner hangen. Auch hat der Thurm eine Uhr, und ist, wie das Kirchen Gebäude, die Canzel, Orgel und Taufstein in gutem Stande. […]. Übrigens hat Langenpfuhl seinen eigenen Schulhalter, dessen fixirtes Gehalt in 15 Berliner Scheffel3 Korn und dem gewöhnlichen Schulgelde bestehet. Das Schulhaus ist von Holz und Lehm erbauet, mit Stroh gedeckt, und in gutem Stande.“
In Langenpfuhl muss schon längere Zeit ein Lehrer tätig gewesen sein, denn in der „Geschichte des Dorfes Tempel“ von H. Liebich wird ausgeführt, für die Tempeler Kirche sei 1735 eine Orgel angeschafft worden, weil jedoch „der derzeite Lehrer des Orgelspielens unkundig war, mußte der Langenpfuhler Lehrer jeden Sonntag herüberkommen“.
Ein anderes Protokoll gibt weitere Auskünfte über das Dorf im Jahre 1793:
„Feuerstellen4 sind im Dorfe
1 Lehnschulze, 13 ganze Bauern, 10 halb Bauern, 20 Coßäthen, 1 Büdner, 1 Schmidt, 1 Förster, 1 Schulhalter, 1 Schankkrug, 1 Nebenhauß des Schulzen, 1 Gemeine Schäfer, 1 Gemeine Kuhhirt, 1 Gemeine Schweinehirt, 2 Coßäthen des Lehnschulzen
summa = 55 Feuerstellen,
wozu noch kommen, die zu Langenpfuhl gehörigen, zwischen hier und Tempel belegenen 2 Mühlen, und 1 Schäferhauß des Großmüllers
summa summarum = 58 Feuerstellen.
Die Seelenzahl des hiesigen Dorfes bestehet aus 52 Männern, 57 Weibern, 65 Söhnen, 48 Töchtern, 30 Knechten, 24 Mägden, summa = 276 Seelen.“
Den größten Teil des Protokolls nimmt die Beschreibung der durch die Langenpfuhler Bauern jährlich zu leistenden Dienste ein.
Zunächst sind die außerordentlichen Dienste aufgezählt, die der Grundherr von seinen Untertanen fordern kann „[…], wann und so offte es ihnen befohlen und ohne entgeldt“.
Die Bauern müssen z.B. jährlich „zwey Reisen mit Getreyde oder andere Sachen, was ihnen aufgeladen wird, […] nach Schwiebußen, Zülchow, Croßen, Landsberg und Frankfurth fahren, […], die Wiese abhauen, […], das Heu nach Burschen oder Lagow fahren, […], die Schwein und Haasen Netzen führen wohin man sie begehret, […], mit auf die Jagd laufen5, sonsten alles was man zum Burschenschen Vorwerk zu bauen oder beßern bedarf, wann und so offte es vonnöthen.“
Die Gärtner „sind schuldig das Heu zu harcken, […], mit auf die Jagd zu laufen, […], die Hackfurchen unter zu eggen, das Großdorfische Mühlen Fließ zu reinigen, […], den Flachs Raufen, hecheln6, dröschen, […], mit Briefen nach Lagow und die nechsten Dörfer und wohin man sie schicket lauffen, […], Haselnüße sammeln und jeder einen halben scheffel Ebereschen Beer brechen.“
Es gibt aber auch Belohnungen:
„Wann Bauer oder Gärtner jährlich Zwey tage zue Burschen schneiden bekomen sie sämtlich eine Tonne Bier davon. […]. Vor einem Stücke Garn zu spinnen, bekömt ein jeder Gärtner und Haußmann Einen Gr. und Eine Reihe Brod, wie vor Alters gebräuchlich.“
Unabhängig von diesen generellen Aufgaben sind die Naturalhofedienste auf die einzelnen Bauern/Kossäten genau aufgeschlüsselt. Hier einige Beispiele:
„der Schultze […] zinßet er Jährlich 1 Tlr. 8 Gr., Item7 jährl. Ein Zinß Kalb oder 1 Tlr., Item Drey Zinß Hüner, Item anderthalbe Malter Haafer Crossener Maaß halb gehäuft und halb gestrichen8, […], Item jährl. ist er schuldig neben den anderen Schultzen und Lehn Leuten der 4 Ordensdörfer des Herrn Comptors Wolle nach Grüneberg9 oder wohin man sie begehret und so oft es befohlen, zu führen helfen.“
„der Bauer […] zinset jährlich 1 Tlr. 16 Gr., Item alle Jahre Ein Scheffel Haafer, Item Ein Rauch Huhn10, Item zu Burschen in der Ernte zwey Tage schneiden und Drey Schock Getreyde einführen.“
„der Gärtner Zinset jährl. Ein Rauch Huhn, Item Ein Stück Garn11 spinnen, Item Drey Viertel Haafer, Item Zwey Tage zu Burschen schneiden“
Auf der Grundlage dieses Protokolls legt die Ordensregierung 11 Jahre später in dem Dienstregister vom 5. Juli 1804 fest, das Dorf habe künftig insgesamt 202 Reichstaler und 6 Groschen anstelle der bisherigen Dienste zu zahlen.
Trotz dieser für die damalige Zeit erheblichen Summe stimmen alle Dienstpflichtigen nach gründlicher Überlegung dem »Actum Langenpfuhl den 12ten August 1804« zu, denn die Ablösung der Dienste durch ein jährliches Dienstablösungsgeld gibt ihnen die Möglichkeit, künftig ihre Arbeitzeit besser planen zu können.
Am 11. Dezember 1804 schließlich unterschreibt Herrenmeister Prinz August Ferdinand von Preußen die »General Verschreibung über die Ablösung der Naturalhofedienste«, durch die „[…] die Besitzer der drey und zwanzig Bauer- und zwanzig und einem halben dienstpflichtigen Coßätenhöfe in dem Burschenschen Commenderie Dorfe Langenpfuhl […] nach geleisteten Natural Diensten aller Art imgleichen von den Bau- Forst- Jagd- Fischerey und Botengeh Diensten […] auf ewige Zeiten hiermit und Kraft dieses entbunden“ werden.
Den Vertrag unterschreiben der Lehnschulze sowie alle Bauern und Kossäten. Die Namenszüge der Unterzeichner zeigen, dass einige im Schreiben bereits geübt sind. Viele andere haben dagegen noch große Probleme. 13 der 44 Dienstpflichtigen „unterkreutzern“ mit „drei Kreutzern“, da sie noch schreibunkundig sind.
Die Nachnamen von 20 der 44 Unterzeichner des Vertrages gibt es auch noch 1945 im Dorfe. Es sind die Namen Albrecht, Bärm, Bressel, Brunzel, Busch, Dolgener, Fiedler, Hemmerling, Hofmann, Hensel, Janthur, Lohde, Maltze, Minge, Noske, Preuße, Ritter, Schlieff, Schröter, Vollmar.
Auffallend ist die geringe Anzahl unterschiedlicher Vornamen, die Langenpfuhler Eltern damals ihren Söhnen geben: Die Unterzeichner heißen 14 x Johann, 10 x Gottfried, 7 x Gottlob, 4 x Christian, je 3 x Martin und Samuel, je 1 x Theodor und Valentin. Drei von vier Bauern/Kossäten heißen Johann, Gottfried oder Gottlob.
Weitere Belastungen der Langenpfuhler Bauern
Neben den Abgaben an ihren Grundherrn müssen die Langenpfuhler auch Steuern an den Landesherrn, den König von Preußen, zahlen. Es handelt sich um „Contribution“ (Kriegs-steuer) und „Fourage Geld“ (Pferdefuttergeld). Außerdem müssen sie zur „Cavallerie Verpflegung“ nach ihrer Hufenzahl beitragen und an das Ordensamt Sonnenburg […] geben die hiesigen Bauern an sogenanntem Sonnenburgschen Cammerzinßhafer 19¼ Berliner Scheffel Hafer […].“
Eine Besonderheit führt zu einer weiteren Belastung der Bewohner der vier Ordensdörfer, die lange Zeit auch als »Die vier polnischen Dörfer« bezeichnet werden. Der Grund dafür ist ungeklärten Herrschafts- und Grenzverhältnissen zu suchen. Markgrafen von Brandenburg, polnische Fürsten sowie deutsche und polnische katholische Bischöfe schließen zu verschiedenen Zeiten teilweise einander widersprechende Verträge, die von den Vertragspartnern unterschiedlich ausgelegt werden. Eine Folge sind Raubüberfälle und gewaltsame Auseinandersetzungen zur Durchsetzung vermeintlicher Ansprüche. Im Brandenburgischen Landeshauptarchiv sind viele Dokumente darüber erhalten. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts sind die »Die vier polnischen Dörfer«, deren Feldmarken teilweise unmittelbar an polnisches Gebiet grenzen, dreifach abgabenpflichtig. Sie müssen neben den oben genannten Abgaben an den Grundherrn und an den Landesherrn auch Steuern an den den polnischen Starosten12 von Meseritz zahlen. Dieser erhält jährlich vom „Lehnschulzen einen Dukaten“, von jedem Bauern „9 rtlr. 15 Gr. 6 Pfg. baares Dienstgeld und 5 pohlnische Scheffel Pacht Hafer, oder 15 Scheffel Berl(iner) Maaß“, von jedem Halbbauern „halb so viel“ und von jedem Kossäten „2 Tlr. 4 Gr.“.
Landwirtschaft in Langenpfuhl um 1800
Dokumente über die Landwirtschaft in Langenpfuhl sind nicht vorhanden. Es ist aber der Vertrag aus dem Jahre 1805 erhalten, mit dem Johann Gottlob Vollmar sein Lehnschulzengut an seinen Sohn Carl Gotthilf verkauft. Darin sind verschiedene Informationen enthalten, aus denen Rückschlüsse auf die um 1800 gehaltenen Haustiere und die geernteten Feld- und Gartenfrüchte gezogen werden können.
In dem Vertrag werden an Haustieren „[…] zwey Pferde, zehn Ochsen, fünf Kühe, zwey Stiere, dreihundert Stück Schaafe, die zur Zeit vorhandenen Schweine, Gänse und Hüner, […]“ genannt.
Selbst der Lehnschulze hat nur 2 Pferde, aber 10 Ochsen als Zugtiere. Ochsen sind stark, aber sehr langsam. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Mehrzahl der Bauern gar keine Pferde besitzt und als Zugtiere ausschließlich Ochsen nutzt. Die Bauern sind aber vor 1804 auch zu Transportleistungen für den Orden verpflichtet, z.B. Bau- und Brennholz nach Sonnenburg (50 km Entfernung) oder Korn nach Frankfurt (45 km). Mit den langsamen Ochsengespannen sind derartige Fuhren eine erhebliche zeitliche Belastung, zumal sie zu den für die Bauern unpassendsten Zeiten angeordnet werden können. Der Lehnschulze ist sogar verpflichtet, Schafwolle bis nach Grüneberg (100 km) zu fahren. Er kann sich aber lt. Dienstregister von 1804 durch Zahlung einer erheblichen Summe davon befreien. Dort heißt es:
„Der Lehnschulze bezahlt jährlich für das ihm obliegende Verfahren der Wolle nach Grüneberg ein Dienstgeld von 25 rtlr.13“.
Wie üblich, bezahlt der Sohn die Wirtschaft durch ein lebenslanges Ausgedinge für seine Eltern, das vor allem aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen besteht. Danach hat er jährlich neben tierischen Produkten (Fleisch, Milch, Eier, Käse, Schafwolle, Geflügel, Fische) zu liefern „[…], acht Scheffel Roggen, zwey Scheffel Gerste, anderthalb Scheffel Weitzen drey Viertel Erbsen, […], zwey Metzen Mohn, […] klein gehauenes Holz und Kiehn zur Feuerung, […], Gartenfrüchte von aller Art wie sie Namen haben mögen, […] drey Quart14 Leinöhl, dreißig Kloben gebrochenen Flachs, […] ein Scheffel Birnen […], einen Scheffel Pflaumen, […]“.
In dem Kaufvertrag über das Lehnschulzengut von 1780 werden im Ausgedinge außer den o.g. Erzeugnissen Hirse, „Heyden Grütze“ (Buchweizen), Rüben, Kraut, Mohrrüben, „Braunkohl“ und verschiedene Apfelsorten genannt.
Diese Zitate aus den Kaufverträgen geben einen wohl ziemlich vollständigen Überblick über die Produkte, die auf den Feldern und in den Gärten angebaut wurden. Kartoffeln scheinen jedoch um 1800 noch keine Rolle gespielt zu haben, denn sie werden an keiner Stelle erwähnt.
Beendigung der Erbuntertänigkeit
Im Sternberger Land besitzen um 1800 noch über 90% der Bauern kein erbliches Besitzrecht über ihre Höfe und Ländereien. Während die Naturalhofedienste noch unter dem bisherigen Grundherrn, dem Johanniterorden, abgelöst werden, wird die Erbuntertänigkeit erst nach der Säkularisation des Ordens15 unter dem neuen Grundherrn, »Einer König-lichen Hochlöblichen Dominium Kammer«, aufgehoben. Im Zuge der Preußischen Reformen16, zu denen die Niederlage gegen Napoleon im Jahre 1806 den Anlass gab, verschafft das »Oktoberedikt« von 1807 sämtlichen Bauern ab dem Martinitag 1810 die Freiheit von der Grundherrschaft. Spätere Edikte regeln die Entschädigung für die Grundherren. Danach können die Bauern erbliches Eigentum an Grund und Boden von ihrem Grundherrn durch Landabtretung oder durch Kauf erwerben.
Wann, wie und zu welchem Preis die Langenpfuhler Bauern ihre Höfe und Äcker erworben haben, ist nicht bekannt.
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Den gesamten Text seines Beitrags „Zur Geschichte von Langenpfuhl“ können Sie direkt beziehen über Herrn Karl-Ludwig Vollmar. Bitte wenden Sie sich an Herrn Vollmar, Hubertusallee 13, 16548 Glienike, Telefon 033056/80749.
Anmerkungen
1 unentgeltlichen Arbeitsleistungen mit und ohne Zugtiere (sog. Hand- und Spanndienste), Naturalabgaben und/oder Geldzahlungen
2 Die uns bekannte Kirche wurde erst um 1860 erbaut.
3 Berliner Scheffel = 16 Metzen = 55 Liter
4 = Wohnhäuser
5 als Treiber bei Treibjagden
6 ausrupfen und kämmen
7 (lat.) ebenso, desgleichen
8 1 (Crossener) Malter = 12 Crossener Scheffel = 16 hl. 1,5 Malter fassen etwa 24 Zentner Hafer.
9 Grüneberg liegt 50 km nordöstlich von Sonnenburg, etwa 100 km von Lan-
genpfuhl entfernt.
10 als Steuer für das von ihm bewohnte Haus (wo ein Schornstein raucht)
11 wahrscheinlich eine Spindel Flachs (oder Schafwolle) spinnen
12 Starostei ist die polnische Bezeichnung für den Amtsbezirk eines Kreishauptmanns, eines Starosten.
13 Reichstaler
14 = 1,145 Liter
15 Entschädigungslose Enteignung des Ordensbesitzes durch den König von Preußen im Jahre 1811
16 Stein/Hardenbergsche Reformen