Ein Tagesausflug von Berlin-Schöneiche nach Lagow
Die Herbstsonne strahlte schon am Morgen. So beschlossen mein Mann, meine Schulfreundin, bei der wir zu Besuch waren, und ich einen Ausflug zu machen. Aber wohin?
Nach drei Ausstellungsbesuchen in Berlin – wobei die „Polen – Deutschland, Tür an Tür“ die interessanteste war, wie ich fand – wollten wir nun die Natur genießen.
Und wo färben die Buchen sich schöner und durchflutet die Sonne den Wald heller als in Lagow?
Zwar waren wir vor drei Tagen erst aus Lagow zurückgekehrt und noch ganz erfüllt von den Ereignissen dort – Gedenkstein, Handlauf der Treppe zum Friedhof, Ausstellungseröffnung im Raum des Erinnerns und die Gespräche mit den polnischen Freunden (siehe auch Bericht von Helmut Sommer) – aber vom sonnigen goldenen Oktober hatten wir nicht viel in Lagow bemerkt.
So machten wir uns auf den Weg. Die Fahrt verlief reibungslos von Schöneiche nach Frankfurt/Oder über die Landstraße und weiter über die neue Strecke bis Lagow. Da es Sonnabend war, gab es nur wenig Lastwagen auf der Straße. Nach knapp zwei Stunden grüßte uns der Buchenwald der Spiegelberger Chaussee.
Telefonisch hatte ich unseren Besuch bei Familie Camer, der die Pension „Smreka“ in Lagow gehört, und bei der wir immer sehr gern Quartier beziehen, schon angekündigt und sie gebeten, uns den Schlüssel für den Raum des Erinnerns zu besorgen.
Ich wollte die Ausstellung noch einmal in aller Ruhe betrachten und wurde schon wieder freudig überrascht, denn auf dem Tisch lag das lange vermisste Gästebuch. (Wir hatten bei der Eröffnung danach gefragt.)
Ausführlich schaute ich mir die Eintragungen an und fand tatsächlich eine Seite mit den Unterschriften meiner Geschwister und einer von Helmut Sommer. Den letzten Eintrag schrieb die Autorin und freie Journalistin Helga Hirsch am 2.3.1999.
Mir war sie durch ihr Buch „Entwurzelt – Vom Verlust der Heimat zwischen Oder und Bug“ bekannt. In diesem Buch beschreibt sie die Lebenswege und Schicksale von Menschen aus Polen, der Ukraine, Deutschland und Israel. Auch das Schicksal von Frau Stanislawa Chencinska, die sich nach einem langen Leidensweg 1946 in Lagow niederließ.
Mir ist es eine besondere Freude, Frau Stanislawa für unser gemeinsames Projekt gewonnen zu haben.
Nachdem wir vom „Raum des Erinnerns“ Abschied genommen hatten, machten wir noch einen Spaziergang über den alten deutschen Friedhof, fuhren zur Tiergartenhöhe, begrüßten mein Elternhaus und die jetzige Besitzerin, deren Einladung, ins Haus zu treten, wir allerdings aus Zeitgründen ablehnen mussten, und traten den Heimweg an.
Annita Zajonzek-Müller Ostfildern, den 20.10.2011