60 Jahre Heimatkreis Oststernberg e.V.
Auszug aus der Festrede des Vorsitzenden Heinz Habermann
Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
sehr geehrter Herr Gallrein, liebe Heimatfreunde!
Gerade bin ich mit einer Gruppe von Heimatfreunden von einer Heimatreise zurückgekehrt.
Fast auf den Tag genau vor 66 Jahren mussten wir unsere Heimat verlassen.
In diesen Tagen der Heimatreise haben wir bei Pausen unterwegs und in abendlicher Runde die Erlebnisse jener Tage ausgetauscht, haben die Stätten der Kindheit und Jugend gefunden und die altvertrauten Wege beschritten, mancher Freunde und Ereignisse gedacht.
Wir haben wieder die ganze Farbenvielfalt, die Gestalt, das besondere Licht und den Klang unserer wohlvertrauten Landschaft erlebt, von den blauen Seen und Höhen um Lagow, über das Waldowsche Königswalde bis hin zu der melancholischen Weite des Warthebruches.
Aber wir haben auch den Kontakt zu den Menschen vertieft, die in unserem Heimatkreis Oststernberg jetzt ihre Heimat haben.
Nun besteht unser Heimatkreis 60 Jahre. Sie, liebe Heimatfreunde, Ihre Eltern und Großeltern haben durch die Verbundenheit zum Heimatkreis bewirkt, dass wir hier und heute dieses Jubiläum begehen können. Sie haben über diesen langen Zeitraum Ihrem Heimatkreis die Treue gehalten.
Vielleicht ist diese besondere Art von Heimattreue auch einer Art von Erbe der Templer und Johanniter zu verdanken.
Wir wissen, dass die vier Balken des roten Templerkreuzes im Wappen unserer Kreisstadt Zielenzig Gerechtigkeit, Klugheit, Bescheidenheit und Tapferkeit symbolisieren.
Auch unsere Vorfahren, die diesem Land seinen Charakter gaben, mussten diese Eigenschaften in besonderem Maße entwickeln und besitzen.
Erinnert sich noch jemand an die „Flüchtlingstreffen“ in der Jebensstraße, in den Räumen des evangelischen Konsistoriums, so etwa ab 1946?
Bis zum Mauerbau, 1961, fanden so diese Treffen auf unterschiedlichen Ebenen in allen Gegenden Westberlins und Westdeutschlands statt.
Auch die in Ostberlin und in der DDR als „Umsiedler“ bezeichneten Heimatfreunde nahmen zahlreich teil und trafen sich, wie auch mein Vater, anlässlich und mehr oder minder zufällig auf der „Grünen Woche“, die besonders gerne von den Heimatfreunden besucht wurde.
Im Westen entwickelte sich seit 1948, dem Jahr der Währungsreform, das Wirtschaftswunder.
Einen erheblichen Anteil an diesem „Wirtschaftswunder“ haben die „Flüchtlinge“ beigesteuert.
Aber ganz mit dem Fleiß war es, wir erinnern uns, nicht getan. Den wesentlichen Ausschlag für das Gelingen der Wirtschaftsblüte gaben die aus dem amerikanischen Marshallplan bereitgestellten ERP-Mittel.
Im Osten hatte es die Sowjetunion 1948 abgelehnt, Mittel aus diesem Marshallplan in seinem Herrschaftsbereich zuzulassen.
Die Bewohner der Sowjetischen Besatzungszone („SBZ“) bzw. der späteren DDR hatten nun nahezu allein die sowjetischen Reparaturansprüche zu befriedigen.
In der Zeit des beginnenden Wirtschaftswunders, in der jungen Bundesrepublik, wurde 1951 unser Verein „Heimatkreis Oststernberg e.V.“ gegründet, um ein Dach für alle zu bieten, die die Erinnerung an die Heimat wachhalten wollten.
Begierig wurden alle Berichte der wenigen Glücklichen, die über Besuche in der alten Heimat berichten konnten, erwartet.
Aber für viele unserer Landsleute blieb die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit der alten Heimat lebenslang ein unerfüllter Traum.
Das sollte – von Ausnahmen, hauptsächlich für Einwohner der DDR, abgesehen – erst 12 Jahre nach dem Bau der Mauer möglich sein, nämlich nach dem Inkrafttreten des Grundvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR 1973.
Alle Strapazen nahmen wir in Kauf, um in die Heimat zu fahren.
Um dorthin zu kommen, mussten Westberliner sogar erst gen Westen, zum Übergang Drewitz fahren, um um Berlin herum über Swiecko nach Polen einzureisen.
Da war Königswalde mit seinem Schloss ein beliebter Anlaufpunkt für unsere Heimatfreunde aus Ost und West.
Freundschaften mit Polen wurden geschlossen und zahlreiche auch gegenseitige Besuche schlossen sich an.
1975 veranstaltete der Heimatkreis Oststernberg bereits seine erste gemeinsame Busfahrt in die „alte Heimat“.
Die polnische Arbeiterbewegung Solidarnosc bereitete den Weg vor, und dann – 12 Jahre nach dem Grundvertrag –, also 1985, trat Gorbatschow auf den Plan und seine Glasnost und „Perestroika“ bescherten uns schließlich 1990 die deutsche Einheit.
Endlich konnten unsere Heimatfreunde aus den „neuen Ländern“ auch wieder an unseren Treffen teilnehmen. Die Wiedersehensfreude zum ersten Treffen 1990 in Berlin-Tegel war riesengroß.
Gerade richtig, zum 40-jährigen Bestehen unseres Heimatkreises 1991, wurde der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag am 17. Juni geschlossen. Also vorgestern war der 20. Jahrestag dieses besonderen Ereignisses.
Beide Seiten verpflichten sich im Nachbarschaftsvertrag insbesondere
– sich der Orte und Kulturgüter, die von geschichtlichen Ereignissen sowie kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen und Traditionen der anderen Seite zeugen, besonders anzunehmen und
– sich für die Denkmalpflege einzusetzen und
– dass Deutsche Gräber in Polen geachtet werden und ihre Pflege ermöglicht wird und
– zwischenmenschliche Kontakte zwischen den beiden Völkern gefördert werden.
So hatten wir mit einem Male eine solide und rechtlich praktikable Basis, um mit unseren polnischen Freunden und Partnern für die Erhaltung unseres kulturellen Erbes in unserer Heimat Gespräche zu führen und Vereinbarungen zu treffen.
Es ist unseren damaligen Vorständen zu danken, dass sie die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, Kontakte zu Bürgermeistern, Landräten und der polnischen Kirche aufgebaut und gepflegt haben.
So haben sich über die Jahre feste Kontakte zum Bürgermeister und zum Landrat (des powiat Sulęcin, der in etwa unserem Kreisgebiet entspricht) ergeben.
Bereits 1993 wurden so Kontakte mit Lagow und 1994 mit der Stadtverwaltung Zielenzig geknüpft.
Aber auch nach Kriescht, wohin unser Verein schon seit dem Wirken unseres leider zu früh verstorbenen Vorsitzenden, Hans Steinborn, intensive Verbindungen gepflegt hat.
So hat der Vorstand des Heimatkreises Projekte (wie etwa den Bau einer Kläranlage und der Kanalisation oder die Renovierung eines Krankenhauses…) gegenüber den Mittelgebern erfolgreich befürwortet.
Und diese Kontakte werden ausgebaut:
Angefangen bei der Übergabe von Schulbüchern ist ein nicht minder wichtiges Ergebnis die Errichtung von zweisprachigen (also deutsch-polnisch) Gedenksteinen zur Erinnerung an unsere Angehörigen und Vorfahren.
An zahlreichen Orten, vor Kirchen und auf Friedhöfen werden diese Gedenksteine bei Heimatfahrten besichtigt.
Zu Erntefesten und anderen Veranstaltungen in Polen werden wir regelmäßig eingeladen.
Unsere wichtigste Publikation, unsere Zeitschrift „Oststernberger Heimatbrief“, ist ein bedeutendes Zeugnis des kulturellen Lebens in unserem Heimatkreis Oststernberg.
Diese Zeitschrift erscheint seit 1972 dreimal im Jahr.
Unsere Heimatfreunde Gerhard und Marianne Verworner haben jetzt die bislang erschienenen „Heimatbriefe“ mit einem Gesamtregister versehen und in jeweils 6 Sammelbänden binden lassen.
Exemplare sind bereits den wichtigsten Bibliotheken in Deutschland übergeben worden. Das Johanniterhaus in Zielenzig wird für seine Bibliothek eines dieser sechsbändigen Exemplare erhalten.
Diese Übergabe wird nachher symbolisch an die Vertreter von Kreis und Kreisstadt geschehen.
Damit wird Interessierten und Forschern in Polen, besonders in unserem ehemaligen Kreisgebiet, ein Hilfsmittel zur Erforschung unserer Kultur in die Hand gegeben.
Gerade die Weitergabe und die Bewahrung des kulturellen Erbes unserer Heimat betrachtet der Vorstand des Vereins in Ihrem Auftrag, liebe Landsleute, als eine seiner wichtigsten Aufgaben.
Wünschen wir uns dazu Glück und viele Jahre Weiterbestehen unseres Heimatkreises Oststernberg e.V.